Geza Ottlik

Die Schule an der Grenze

Roman
Cover: Die Schule an der Grenze
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783821862217
Gebunden, 528 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Aus dem Ungarischen von Charlotte Ujlaky. "Die Schule an der Grenze" erschien erstmals drei Jahre nach dem ungarischen Aufstand von 1956 und galt als literarische Sensation: Der wegweisende Roman für die nachwachsende Generation der jungen ungarischen Autoren wie Peter Esterhazy oder Peter Naaas. Die Jungs heißen Gabor, Attila, Medve, Benedek, Orban oder Pal, sind zehn Jahre alt, kommen meist aus wohlhabenden ungarischen Familien und erleben die ersten Wochen in der Kadettenschule in Köszeg. Von einem Augenblick auf den anderen müssen sie erfahren, dass alles, was sie zu Individuen macht, was sie im Schoß ihrer Familien geprägt hat, an diesem Ort keine Gültigkeit mehr hat: Anstand, Güte, Demut und Rücksicht, Freundschaften und Beziehungen, ja sogar Sprache und Gestus. Aus kindlicher Perspektive schildert der Ich-Erzähler die machtversessenen Cliquenbildungen, deren Katalysator die Terrorisierung von Außenseitern ist. Wer dicker oder kurzsichtig ist, wer stottert oder vor Heimweh weint, hat schon verloren. Der kühle Tonfall des Erzählers, der eine Quälerei nach der anderen schildert, als handele es sich um unvermeidliche Naturereignisse, erzeugt einen trügerischen Schein von wissenschaftlicher Objektivität; doch genau darin liegt die literarische Kunstfertigkeit des Autors - das Normale, das er schildert, ist das Entsetzliche, und vice versa. Der Leser ist gebannt, zwischen Mitleid und böser Neugier schwankend: Wann nur hört die alltägliche Gemeinheit auf? Geza Ottliks These scheint klar: Sie hört niemals auf.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.10.2009

Oliver Pfohlmann widmet sich einem Roman des 1990 verstorbenen ungarischen Autors Geza Ottlik, der erstmals 1957 erschien und zum Kultbuch einer ganzen Schriftstellergeneration wurde, wie der Rezensent weiß. Es geht um sieben Zöglinge, die 1923 in einer Kadettenschule zusammentreffen und deren Erfahrungen aus der Perspektive zweier ganz unterschiedlicher Schüler in Vor- und Rückblenden, Raffungen und Korrekturen rekapituliert werden, fasst der Rezensent zusammen. Fesselnder noch als die Handlung vom mitunter etwas "langatmig" geschilderten Schulalltag mit seinen Schikanen, Quälereien und Erniedrigungen durch Lehrer und Mitschüler sind für den Rezensenten die beiden Erzähler, von denen der sensible Medves schließlich zum für die Freiheit kämpfenden "Rebellen", der zynisch-brutale Both zum "Mitläufer" des Regimes wird, wie er verrät. Und da die "Abgründe der Freundschaft" in diesem Roman genauso im Mittelpunkt stehen wie Reflexionen zur Freiheit, wundert es Pfohlmann auch nicht, dass dieses Buch in der Diktatur zu einem so wichtigen Text für ungarische Autoren wie Peter Esterhazy, Peter Nadas oder Miklos Meszöly wurde.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.05.2009

Einen weiteren, wieder entdeckten ungarischen Literaturklassiker zeigt Rezensent Andreas Breitenstein mit diesem wiederaufgelegten Roman von 1959 an - damals, im dritten Jahr nach der Niederschlagung des Ungarnaufstandes durch seine parabelhafte Beschreibung und Analyse eines wahnhaften Machtgefüges eine literarische Sensation. Allerdings fliegt aus heutiger Sicht des Rezensenten durch den Pessimmismus dieses Buchs "nicht nur der Kommunismus, sondern jeder Glaube an eine humane Ordnung in die Luft". Auch erzähle der Roman von der Unmöglichkeit, die Wahrheit über das Leben überhaupt "erzählend zu fassen", denn zwei Erzähler machen sich Breitenstein zufolge im Buch die Sicht auf die Dinge streitig. Die Handlung sei Mitte der zwanziger Jahre angesiedelt, in seinem Zentrum stehe ein Klassenjahrgang der Militär-Realschule von Köszeg, was dem Buch Vergleiche mit Musils "Törleß" eingebracht habe, so der Rezensent. Allerdings handele es sich nicht um eine gewöhnliche Internatsgeschichte. Es komme nicht zu einer dramatischen Zuspitzung, obwohl sie verheißen werde. Das Internat erscheint als ein Panorama menschlicher Grausamkeit, aus dem nach Angaben des Rezensenten zwei Wefges des Trostes gewiesen werden: das Schreiben und die Liebe zur Natur.