Barbara Hahn

Die Jüdin Pallas Athene

Auch eine Theorie der Moderne
Cover: Die Jüdin Pallas Athene
Berlin Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783827004444
Gebunden, 366 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Barbara Hahn stellt Paul Celans geheimnisvolle, paradoxe Figur der Jüdin Pallas Athene an den Beginn ihres Buchs, das den Weg deutscher Jüdinnen durch die deutsch-jüdische Geschichte von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Zeit nach 1945 nachzeichnet. Sie skizziert die intellektuelle Landschaft, in der sich Rahel Levin Varnhagen, Rosa Luxemburg, Elsa Lasker-Schüler, Margarete Susman oder Hannah Arendt bewegten. Und sie entdeckt die Spuren einer zerstörten Kultur, wenn sie das Leben und Denken uns unbekannter jüdischer Frauen aus den Archiven wieder ans Tageslicht hebt. Es ist die Geschichte der Mütter der ersten Generation akkulturierter Jüdinnen, die noch in ihrer traditionellen Welt lebten, und die Geschichte ihrer Töchter, die einen hohen Preis für den Übergang bezahlten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.02.2003

Ausführlich und differenziert setzt sich Jakob Hessing mit den Thesen der amerikanischen Germanistin und Kulturwissenschaftlerin Barbara Hahn auseinander, die sich an einer Kulturgeschichte der deutschen Jüdin versucht. Versucht - denn insgesamt betrachtet Hessing das Unternehmen als gescheitert. Zwar enthalte es eine Menge interessantes Material, aber noch lange nicht genug, um sich schon in theoretischen Spekulationen zu ergehen, lautet einer seiner Kritikpunkte. Hahns Arbeitsweise bezeichnet Hessing als "isoliert", sie picke sich einzelne Phänomene ohne historische Einordnung hinaus. Die späten Salons im wilhelminischen Deutschland hätten etwa einen ganz anderen soziologischen Kontext als die der Früh- oder Spätromantik. Überhaupt würde das 19. Jahrhundert fast gänzlich übersprungen, kritisiert Hessing weiter. Als Germanistin sei Hahn damit vertraut, Briefwechsel auszuwerten, wie hier im Falle von Karl Jaspers, Hannah Arendt und Martin Heidegger. Leider verliere Hahn in diesen ansonsten hochinteressanten Kapiteln die Perspektive der jüdischen Frau aus den Augen, schreibt Hessing und sieht sich in seiner These bestätigt, dass Hahn zu oft die Blickrichtung wechselt und sich "der Gefahr einer unüberschaubaren Eklektik" aussetzt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.12.2002

Die Rezensentin Sabine Fröhlich ist gespalten. Die Essays über die "Schnittstellen jüdischer und weiblicher (Selbst-) Wahrnehmungen" seien geschickt und spannend "montiert", lobt sie. Denn die Autorin verstehe sich vorzüglich auf die "Schreibweise des Briefes" und webe einen "fliegenden Teppich", auf dem sich das "dialogische Moment des Denkens zwischen zwei Kulturen" ausbreite. Doch nach diesen eher formalen Nettigkeiten macht die Rezensentin ihrer Enttäuschung Luft. Dass Barbara Hahns "Gedankenflug" unbedingt "bei einem Mythos landen" musste, sei unverständlich: Hahn assoziiere jüdische intellektuelle Frauen (Rahel Levin, Margarete Susman, Hannah Arendt und andere mit der Göttin Pallas Athene. "Die Denkfigur wird zum Ort von Projektionen - von 'neuen Konstellationen' intellektueller Paare, von grenzgängerischen Schreibweisen, von Harmonie und Versöhnung." Verwundert ist die Rezensentin über diesen Mythos besonders deshalb, weil die Autorin in "ebendiesem Buch" den Mythos der intellektuellen Geselligkeit, in der die Gegensätze der Kulturen und der Geschlechter sich auflösen ließen", auseinander nimmt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.08.2002

Eine Reihe von "erstaunlichen Interpretationen" zu Frauengestalten der deutsch-jüdischen Literatur, von Rahel Levin, die 1834 beim Erscheinen ihrer Briefen als "deutsche Pallas Athene" gefeiert wurde, bis zur Philosophin Hanna Arendt, findet Rezensent Jürgen Busche in Barbara Hahns Studie. Wie Busche ausführt, wird die jüdische Frau im gesellschaftlichen Kontext Hahn zufolge von antisemitisch-rassistischen Klischees weitgehend verschont und als "das Besondere" wahrgenommen. Allerdings blieben sie nach Hahn immer "nur Frauen", selbst wenn sie sich schreibend einen eigenen Namen gemacht hatten, hält Busche fest. Hahns Belegen lassen nach Ansicht Busches den Schluss zu, "dass die kulturelle Annäherung von Menschen jüdischer und christlicher Tradition in einigen Ländern deutscher Sprache besonders reiche Früchte gezeitigt habe". Die Motti, die Hahn ihrem Buch vorangestellt hat, weisen für Busche dagegen darauf hin, dass diese Annäherung von Anfang an fehlgeschlagen ist, weswegen ihm nicht ganz klar wird, worauf Autorin hinaus will. Vergleiche mit dem frankophonen oder dem englischsprachigen Judentum wären hilfreich gewesen, findet Busche. Nichtsdestoweniger: die Erst- oder Wiederbegegnung mit "großen Namen aus einer verlorenen Epoche", die Hahn dem Leser ermöglicht, zählt zu den Vorzügen des Buches, die Busche "mit Dankbarkeit" aufnimmt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.07.2002

Was von Ferne wie ein angeregtes Stimmengewirr klingt, schreibt Elisabeth von Thadden in ihrer sehr umfangreichen Rezension, entpuppt sich als "Resultat jahrelanger Suche in den Archiven, in den Werken, den Briefen, den Nachlässen von Toten". Zusammengetragen hat all die Stimmen die Kulturwissenschaftlerin Barbara Hahn und hat ein Buch daraus gemacht, das "nicht für das akademische, sondern für das große Publikum geschrieben ist". Persönliche Äußerungen von Jüdinnen seit der Aufklärung stellt die Autorin neben die Erörterung des Bedeutungswandels des Wortes "Jüdin" und spinnt "quer zu den machtvollen Kategorien der Moderne, den Gegensätzen Mann/Frau, Juden/Christen, Juden/Deutsche..." ein Netz aus motivischen Korrespondenzen zwischen den disparaten Stimmen so bekannter Figuren wie Arendt und Varnhagen und weniger bekannten Gestalten wie einer Johanna Goldschmidt. Das Angebot der Autorin, "die Moderne anders zu sehen" und die Verallgemeinerungen systematischen Denkens in Argumente, Bilder, Episoden und Erzählungen aufzulösen, nimmt Thadden gerne an. Das Unsystematische, Schwebende, erklärt sie, ist hier kein Mangel. Anders das Fehlen von Bildern und von sozialhistorischen Details: "Man möchte sie sehen, diese Frauen!"

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.06.2002

Der Rezensent Joachim V. Hildebrandt ist beeindruckt. "Ein großer Gewinn" sei dieses Buch, das einen Brückenschlag versuche zu unerreichbar Vergangenem. Die Autorin Barbara Hahn sei einer zerstörten Kultur auf der Spur, am Beispiel jüdischer Frauen, denen sie die Figur der Pallas Athene überordnet, wie Rahel Varnhagen, Else Lasker-Schüler und Margarete Susman. Diese Kombination ergibt, so der Rezensent, eine Spannung zwischen der Tradition, die vom "jüdischen Weib" verkörpert wird, und der Unmöglichkeit eine Tradition zu stiften, die im antiken Athene-Bild enthalten ist. "Wissenschaftlich fundiert" findet Hildebrandt diese Reihe von Essays, und gerade aus der Schwierigkeit, einen Zusammenhang zwischen den Texten auszumachen, ergäben sich ganz neue Kombinationen. Auch wenn ein Dialog mit den Toten nicht mehr möglich ist, so ist der Versuch eines deutsch-jüdischen Gesprächs, den Hahn unternimmt, ein wichtiger Schritt. Denn nur die Erkenntnis des anderen "von Angesicht zu Angesicht", zitiert der Rezensent Margarete Susman, erlaubt die Hoffnung, dass der "Abgrund" zwischen den Menschen zu einem Weg wird - eine Hoffnung, die sich auch bei Barbara Hahn wiederfinde.
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