Anna-Katharina Hahn

Aus und davon

Roman
Cover: Aus und davon
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429198
Gebunden, 308 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Um Himmelswillen, wo bleibt der Junge? Als ihr kleiner Enkel Bruno nicht zum Essen kommt, meint Elisabeth, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Ihre Tochter Cornelia hat sich von ihrem Mann getrennt und nimmt eine "Auszeit" in Pennsylvania. Stella, Brunos hinreißende ältere Schwester, treibt sich mit ihren Peers irgendwo in der Stadt herum. Und Bruno ist einfach weg. Unerreichbar. Einmal noch wollte Elisabeth Verantwortung übernehmen, Cornelia vier Wochen lang alles abnehmen, ohne Wenn und Aber. Doch seit dem Schlaganfall ihres Mannes ist der alte Schwung hin, und helfen kann ihr keiner. Anna Katharina Hahn entfaltet ein weites Panorama zwischen den Generationen, die einander immer weniger zu sagen haben. Da sitzt Elisabeth mit ihren Enkeln in Stuttgart, dessen Überfluss nicht mehr zu den Nöten der Menschen in ihrer Umgebung zu passen scheint. Auf der anderen Seite meldet sich ihre Tochter aus dem flirrenden Manhattan oder den Weiten eines provinziellen Hinterlands. Durch Bilder und Textnachrichten, die um die halbe Welt geschickt werden, scheint das alles irgendwie zusammenzuhängen. Doch was nützt das, wenn ein Kind nicht nach Hause kommt?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.07.2020

Rezensent Hubert Winkels ist mehr als angetan von Anna Katharina Hahns "pietistisch feministischem Familienroman". Aus vier verschiedenen Perspektiven - die der Großmutter, der Mutter, des Sohns und einer Stoffpuppe - wird auf bitterböse, schwarzhumorige Weise aus dem Alltagsleben von vier schwäbischen Frauen erzählt, so Winkels. Dieses Alltagsleben ist geprägt von äußeren, aber vor allem inneren Zwängen, die der Kritiker in zugleich quälenden und belustigenden Szenen dargestellt sieht. Hahn verpflichtet sich hierbei einem starken, fast überbordenden Realismus, angereichert mit einer Symbolik, die so stark und vielfältig ist, dass es schon fast komisch wirkt, findet Winkels. Die Stoffpuppe bringt außerdem noch eine "verzerrende", surreale Komponente mit ein. Ein Kunststück ist dieser Roman, so der hingerissene Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.06.2020

Was häusliche Pflege bedeutet und wieso Frauen sich diesbezüglich "leichter in die Pflicht" nehmen lassen als Männer, erfährt Meike Feßmann in Anna Katharina Hahns Roman einer kaputten Ehe. Das Abgründige der erzählten "vielstimmigen" Familiengeschichte vermag die Autorin laut Feßmann gekonnt zu erfassen, die Untiefen von privater Fürsorge und Pflege. Zentral sind dabei im Roman laut Rezensentin der schwäbische Pietismus, seine Fassaden und sein verborgenes durchaus drastisches Vokabular, die Hahn "erzählend, nicht diskursiv" entfaltet.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.06.2020

Stephan Wackwitz staunt, dass Anna Katharina Hahns Roman um Kleinbürger aus Stuttgart den Odem des Biedermeiers verströmt, als wäre es ein Buch von Mörike oder Raabe. Innerlichkeit, stilles Unglück, enge Perspektiven prägen den Text laut Wackwitz, der sich schon freut, wenn sich mal ein Türchen öffnet hin auf die württembergische Auswandererbewegung nach Amerika. Ansonsten aber geht es desolat zu im Buch und in den Lebensgeschichten der Figuren, warnt Wackwitz. Die "Andacht zum Unbedeutenden" ist Teil dieser Beschreibungskunst, meint er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.06.2020

Rezensentin Judith von Sternburg schätzt das langsame, gründliche Vordringen in die Tiefen familiärer Geschichten und Zeitläufe an Anna Katharina Hahns Prosa. Wie Versuche, "eingefahrenen Bahnen" zu entkommen, immer wieder scheitern, vermittelt Hahn laut Sternburg anhand ihrer Figuren und konzentrierten Erzählweise. Wie Hahn ein Familienleben in Stuttgart und die jüngere Gegenwart in Trumps USA miteinander verbindet, scheint der Rezensentin zudem raffiniert und sorgfältig recherchiert. Die kühle, urteilsfreie Darstellung von Zusammenhängen und nicht zuletzt die Fähigkeit, das Utopische in einem guten Abendessen sichtbar zu machen, gehören für Sternburg zu Hahns Besonderheiten als Erzählerin.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 30.05.2020

Knapp, aber voller Lob bespricht Maike Albath den vierten Roman von Anna Katharina Hahn, der sie ebenso in familiäre wie in Stuttgarter Abgründe und schließlich bis ins Pennsylvania der Weltwirtschaftskrise führt. Erzählt wird die Generationengeschichte der verlassenen Elisabeth, ihrer Tochter Cornelia, die sich auf die Spuren ihrer ausgewanderten Großmutter in den USA begibt und des kleinen dicken Bruno, der mit seiner Schwester Stella bei der überforderten Oma Elisabeth in Stuttgart bleibt. All das verwebt Hahn zu einem "tiefenscharfen", mit Zeiten und Perspektiven spielenden "Familienpsychogramm", staunt die Kritikerin, die hier auch zahlreiche Märchenbezüge entdeckt. Ein überraschungsreicher Roman, meint sie und spricht eine klare Leseempfehlung aus.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.05.2020

Rezensent Patrick Bahners lässt sich hineinziehen in eine Familiengeschichte von Anna Katharina Hahn. Dass die Handlung im pietistischen Schwaben spielt, im Umkreis einer Reisekauffrau im Ruhestand, macht die Sicht nicht eng, versichert Bahners, denn die Erzählperspektive wechselt zwischen den Familienmitgliedern, Familie zeichnet die Autorin als "vielköpfiges Wesen". Für die unterschiedlichen Spannung erzeugenden Kräfte im Innern dieses Wesens sowie das "ultimative Näheverhältnis" der Familie findet Hahn laut Rezensent überzeugende Bilder, als betrachte man die Familie aus der "Untersicht".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.05.2020

Paul Jandl empfiehlt künftigen Lesern, die in hundert Jahren wissen wollen, wie deutsches Familienleben auf der schwäbischen Alb und unter Ausgewanderten in Pennsylvania sich gestaltete, Anna Katharina Hahns Roman zur Lektüre. Klug und mit Sinn fürs Absurde und die Details des Lebens, meint Jandl, sieht und beschreibt Hahn Leben, Gewohnheiten und Menschen, ohne sie durchschauen zu müssen. Das wirkt auf Jandl tragisch und komisch zugleich, etwa, wenn die Autorin schwäbischen Fleiß und religiöse Spießigkeit zeigt oder ihre Figuren beim unentwegten Kochen, Backen und Essen beobachtet. Der zu Beginn des Roman an der Decke klebende Pfannkuchen erscheint Jandl als Menetekel für den Schein des Runden und Ganzen, wenn eigentlich nichts mehr rundläuft.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 16.05.2020

Rezensent Richard Kämmerlings hat sich mit Anna Katharina Hahn, für ihn die "Chronistin unserer leicht hysterisierten Neo-Bürgerlichkeit", zum Skype-Gespräch getroffen und über Corona und ihren neuen Roman "Aus und davon" geplaudert. In ihrem neuen Generationenroman nimmt ihn die schwäbische Autorin mit auf eine Reise durch das 20. Jahrhundert, erzählt von der alleinerziehenden Mutter Cornelia, die aus familiärer Überforderung nach Amerika aufbricht, um auf den Spuren ihrer Großmutter zu wandeln, die während der Inflationszeit als Dienstmädchen an der Ostküste arbeitete. Aber auch Cornelias essgestörter Sohn, ihre pubertäre Tochter und die pietistisch geprägte Großmutter haben ihre Auftritte, fährt der Kritiker fort, der in Hahns Roman vor allem das Essen als Leitmotiv ausmacht: Vom Hunger der Zwanziger werde ebenso erzählt wie von amerikanischen "Fastfood-Exzessen" informiert er. Hahns Talent, aus kleinen Geschichten große Literatur zu machen, erkennt der Rezensent einmal mehr - und so empfiehlt er den Roman gern.