Marcel Beyer

Dämonenräumdienst

Gedichte
Cover: Dämonenräumdienst
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429457
Gebunden, 173 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Auf der Saftbühne wird etwas aufgeführt. Hildegard Knef steigt ins Auto. Rudolph Moshammer trägt seinen Yorkshire Terrier durch München. S. T. Coleridge macht einen Witz über Köln. Kunstwerke verschwinden. Etwas rüttelt am Fenster. Morgens, mittags, nachts. Der Amselpapst. Die Leute fangen an, Sachen zu reden. Am Wertstoffhof läuft Musik. Elvis fegt noch einmal die Einfahrt. Ich lese nur noch Pferdekrimis und suche die Sprache im grauen Bereich. Das Schlaflabor am Potsdamer Platz. Weißdorn, Majoran, Ginster... Unerhörtes trägt sich zu in den neuen Gedichten von Marcel Beyer. In jedem einzelnen der exakt vierzig Verszeilen langen Poeme nimmt sich eine andere Figur jede Freiheit, die die strenge Begrenzung ihr lässt, erzählt Geschichten, paraphrasiert Übersetzungen, stellt Reihungen an - kurz: Sie treiben es bunt, manchmal auch wild, so dass am Ende gesagt werden muss: Es wird ernst! Es wird Zeit, den Dämonenräumdienst zu rufen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.10.2020

Für Carsten Otte ist Marcel Beyer der Geisterjäger der deutschen Literatur. Beyers neue Gedichte führen Otte in Abgründe, ins Kinderzimmer, zu Moshammer und Hündchen Daisy oder (gewagt, wie Otte findet) zu einer Reformulierung von Celans Todesfuge. Dass Beyer noch bei hohem Risiko "federleicht" bleibt, sprachverspielt, ein Schalk, findet Otte beachtlich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.10.2020

Rezensent Martin Oehlen unterhält sich prächtig mit Marcel Beyers neuen Gedichten. Dämonen aus der Ferne zu betrachten, das lässt Oehlen sich gefallen. Vor allem, wenn es so "gewitzt" geschieht wie bei Beyer. Mit Beyer unternimmt der Rezensent Ausflüge zu Elvis, Moshammer, Coleridge und Pferdekrimis. Neben Kulturgeschichtlichem streifen die Texte laut Oehlen die "Dämonen beim Schreiben". Beyers fantasievolles Vokabular ("Grützensauerstoff") bezaubert ihn. Das "Strophen-Korsett" der Vierzigzeiler haben dem Autor wohl die Dämonen befohlen, ahnt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.09.2020

Helmut Böttiger taucht mit den neuen Gedichten von Marcel Beyer tief ein in Beyers und nicht nur Beyers Kindheit in der BRD, mit Flokati, Grzimek, Dancing Queen, die Knef und Günter Eich. Wie der Autor humorbegabt Hoch- und Popkultur verschneidet, um das Unheimliche einer Erfahrung herauszuarbeiten, findet Böttiger faszinierend und ergiebig, "mehr als Budenzauber" jedenfalls. Die strenge äußere Form des Vierzeilers füllt der Autor mit wild durcheinanderwirbelnden Zeiten und Assoziationen, so Böttiger. Dabei entsteht ein "flirrender selbstreferenzieller Rahmen", der zweifellos groovt, versichert er.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 05.09.2020

Rezensent Richard Kämmerlings gefällt Marcel Beyers Versuch, endlich aufzuräumen mit den Dämonen. Wie Beyer "lyrische Gegenspieler" wie Hölderlin oder Coleridge nicht gerade wegzaubert, aber sortiert, in dem er je zu zehn Strophen à vier Zeilen dichtet, im Ton variabel, Worte schöpfend, sich an Coleridges romantischer Reimkunst reibend, scheint Kämmerlings lesenswert. Wo "holde Schwäne" zu "hohlen Schweinen" werden, kann Kämmerlings mitgehen. Am Ende geht es ums Ganze poetischer Weltbetrachtung, ahnt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 18.08.2020

Michael Opitz hält Marcel Beyers Gedichte für höchst erfreuliche Sprachereignisse. Wie sich der Autor dem Dämonischen nähert, scheint Opitz weniger schaurig als vergnüglich. Die gewählte strenge Form, die Opitz als verlässliche Basis versteht, von der aus der Autor seine "Textinszenierungen" angeht, täuschen den Rezensenten nicht darüber hinweg, dass das Unheimliche oft im Bereich der Sprache liegt. Auch wenn der lyrische Sprecher die Geister am Ende nicht los wird, der Versuch, mit "Wortungetümen und Satzungeheuern" Ordnung in die dämonischen Verhältnisse zu bringen, zeitigt schön "schräge Gedichte", freut sich Opitz.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2020

Rezensent Andreas Platthaus kennt Marcel Beyer als einen Dichter, der mit allen Wassern der Theorie gewaschen ist. Dass Beyer mit seiner Ordnung der Vierzigzeiler, die wieder in Quartette gegliedert sind, mehr im Sinn hat als formale Geschlossenheit, ahnt der Rezensent daher gleich. Wie Beyer ihn durch ein "Wechselbad der Gefühle und Beobachtungen" jagt, ihm mal Anschauliches, mal Lyrisch-Reflexives auftischt, ohne rhythmische Zusammenhänge zu stiften, konzentriert sich Platthaus auf den Reiz des freien Formenflusses. Hier ist alles durchdacht, versichert er, und entdeckt poetologische Kassiber in den Texten oder eine stimmliche Annäherung an Coleridge.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de