Kai Wieland

Zeit der Wildschweine

Roman
Cover: Zeit der Wildschweine
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2020
ISBN 9783608982251
Gebunden, 271 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Reisejournalist Leon will vieles sein: Boxer, Gitarrist, Surfer, Weltenbummler. Stattdessen ist der junge Mann vor allem ein großer Film- und Literaturliebhaber, der sein fragiles Selbstbild ständig neu ausrichtet. Als sein Vater ihm einen Wohnungstausch vorschlägt, freundet er sich mit seiner neuen Identität als Hausbesitzer ebenso schnell an wie mit der Idee, einen beinahe Unbekannten mit auf sein nächstes Projekt zu nehmen. Doch die anstehende Reise verläuft nicht wie geplant. Je länger Leon und Janko in Frankreich nach Niemandsorten suchen, desto stärker verwickeln sie sich in einen intellektuellen Machtkampf. Wer, so die alles entscheidende Frage, gewinnt mit seiner Kunst die Deutungshoheit über die Realität - der Journalist oder der Fotograf? Als sich abzuzeichnen beginnt, dass Janko Verrat an der gemeinsamen Sache begehen wird, ist es für Leon längst zu spät, unbeschädigt aus der verhängnisvollen Beziehung zu entkommen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.09.2020

Rezensentin Andrea Diener ist gelangweilt angesichts der Story und der Figuren, die ihr Kai Wieland in seinem Roman auftischt. Zwei Männer auf Selbstfindungstrip, eine geheimnisvolle Frau und die deutsche beziehungsweise nordfranzösische Provinz ergeben für sie noch keine Spannung, zumal es dem Autor laut Diener nicht gelingt, die Bedeutungshudelei im Text auch mit Substanz zu füllen. Da hilft es auch nichts, dass die Protagonisten sich an großen Vorbildern reiben (Hemingway, Robert Capa) und Wieland mit allerhand Filmreferenzen hantiert.  Ein Thema pro Figur, das ist Diener am Ende einfach zu schlicht.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.09.2020

Rezensentin Kristina Maidt-Zinke erinnert sich an Kai Wielands Debütroman, der ihr mehr Vergnügen bereitet hat als der neue Roman des Autors. Für die Rezensentin mangelt es dem Buch an der unangestrengten "schrägen Distanz des Beobachters" des Erstlings. Dass der Autor viel im Kopf hat, erkennt Maidt-Zinke sehr wohl, die Form dafür aber hat Wieland noch nicht gefunden, meint sie. Der mit Gegensätzen und Symmetrien arbeitenden Geschichte um zwei ungleiche Charaktere auf Identitätssuche in der schwäbischen Provinz und in der Normandie möchte sie das Potenzial allerdings nicht absprechen, zumal Wieland im Text sympathisch unorthodox drauflosreflektiert und manches erzählerische Risiko in Kauf nimmt, wie sie konstatiert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.08.2020

Cornelia Geißler empfiehlt Kai Wielands Roman über zwei orientierungslose Thirtysomethings nicht etwa wegen des großen Themas Entwurzelung im globalen Zeitalter. Überzeugend findet sie vielmehr Wielands Ton und Sprache, die der Enge der Provinz, aus der der Erzähler stammt, Weite verleihen, wie sie meint. Gleichfalls erweiternd wirken laut Geißler Filmreferenzen, Rückblenden in die Jugoslawienkriege der neunziger Jahre und Bezüge zur Flüchtlingskrise von 2016.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.08.2020

Rezensentin Julia Schröder vergnügt sich mit Kai Wielands Roman. Wie der Autor Milieus von Backnang bis L.A., Elemente des Gonzo-Journalismus, der US-Popkultur und des Noir-Kinos zu einem Road-Trip eines spät reifenden Mannes verbindet, findet Schröder lustig, auch wenn sie hinter dem Referenzfeuerwerk Motive wie die Flucht vor Familiengeheimnissen und der eigenen Vergangenheit wittert sowie die Chance des Helden, doch noch Verantwortungsbewusstsein zu erlangen. Das Referenzspiel und die Literarisierung des Naheligenden in diesem Buch scheinen Schröder jedenfalls virtuos.