Vom Nachttisch geräumt

Wir sind wirklich nicht alle gleich

Von Arno Widmann
02.07.2018. Gelegentlich werden auch Journalisten reich. Wie das geht, erzählt Rainer Zitelmann in seiner Autobiografie "Wenn Du nicht mehr brennst, starte neu".
Von Rainer Zitelmann habe ich wohl 20 Jahre nichts gehört. Ich kannte ihn nicht aus seiner und meiner Frankfurter Zeit - als er an die Universität ging, hatte ich sie schon verlassen -, sondern als Rechtsausleger der Welt, einen allerdings, der nicht nur das linke Milieu kannte, sondern auch die marxistische Theorie mehr als nur beschnuppert hatte. An seine Bücher habe ich keine Erinnerung mehr. Nur eine schwache positive an sein Hitler-Buch. Das ist alles ungerecht. Noch ungerechter ist: Ich habe mir seine Autobiografie nur bestellt, weil er ein reicher Mann wurde. So etwas hat für jemanden, der nicht weiß, wie er zehntausend Euro Steuerschulden beim Finanzamt bekam, geschweige denn, wie er sie bezahlen soll, einen hohen Reiz. Jetzt lese ich in dem Buch und merke, Zitelmann ist ein Willenstier. Er besiegt seine Neigung zur Sucht - er war alkoholabhängig - höchst intelligent mit dem Aufbau von Ersatzsüchten. Bodybuilding ist so etwas. "Selbstsucht" ist auch nicht schlecht, wenn man sie richtig nimmt und einsetzt.

Ich habe nichts überprüft in dieser Autobiografie. Sie ist imponierend und beängstigend. Wie viel Leben da einer gelebt hat und vielleicht noch immer lebt. Während unsereiner seit vierzig Jahren dasselbe macht.

 "Wenn Du nicht mehr brennst, starte neu" ist der Titel des Buches. Das ist ein wenig die falsche Botschaft. Vielleicht sollte man, gerade wenn man am heftigsten für etwas brennt, neu starten. Man soll bekanntlich ja aufhören, wenn es am schönsten ist. Von Zitelmann erschien 2017 ein Buch, das auf seiner zweiten Dissertation basiert: "Psychologie der Superreichen. Das verborgene Wissen der Vermögenselite". Ein interessantes Ergebnis seiner Forschungen will ich hier weitergeben: "Von den Superreichen mit einem Nettovermögen von 300 Millionen Euro oder mehr war eine Person promoviert, fünf verfügten über ein abgeschlossenes Studium. Drei hatten zwar Abitur gemacht, danach jedoch nicht studiert bzw. das Studium abgebrochen. Und zwei hatten kein Abitur, sondern lediglich einen Haupt- bzw. Realschulabschluss." Für welches Leben lernen wir, wenn wir doch nicht für die Schule lernen?

Was soll an dem Buch beängstigend sein? Diese Geschichte: "Ich saß vor einigen Jahren hinten in einem Taxi und fuhr vom Flughafen nach Hause. Ich telefonierte mit einem Geschäftspartner, es ging um schwierige Themen. Auf einmal startete das Taxi ein Überholmanöver, mit dem Ergebnis, dass ein LKW uns schwer rammte. Das Taxi schlingerte gefährlich, und es gab einen Totalschaden. Nur durch großes Glück passierte weder mir noch dem Taxifahrer etwas. Während des Unfalls beendete ich nicht etwa das Telefonat, sondern führte es mit ruhiger Stimme fort. Ich berichtete meinem Gesprächspartner knapp und sachlich, was in diesen Sekunden gerade geschah… Ich berichtete dies ohne jede Aufregung in der Stimme und führte das Fachgespräch konzentriert fort, da ich in diesen Sekunden sofort merkte, dass wir beide sicher an einer Katastrophe vorbeigeschrammt waren. Ich vergewisserte mich ohne Unterbrechung des Telefonats kurz, dass dem Taxifahrer tatsächlich nichts passiert war, drückte ihm meine Karte in die Hand, falls ein Zeuge benötigt würde, stieg aus und winkte ein anderes Taxi herbei. Das Gespräch mit dem Geschäftspartner setzte ich - auf das Taxi wartend - noch einige Minuten fort."

Denen, die seinem Buch vorwerfen, es sei darin zu wenig von den Gefühlen des Autors die Rede, sagt Zitelmann: "Wenn Ihrer Meinung nach etwas in diesem Buch fehlt, dann nicht in dem Text, sondern in dem Menschen." Das ist sehr gut gesagt, und auch die Bemerkung, dass er das natürlich nicht als Mangel betrachten könne, gefällt mir. Sie belegt in meinen Augen einen weiteren Mangel: den an Neid. Es zeigt sich wieder einmal: Die Todsünde des Hochmuts ist der sicherste Schutz vor der des Neides.

Dr. Dr. Rainer Zitelmann: Wenn Du nicht mehr brennst, starte neu - Mein Leben als Historiker, Journalist und Investor, Finanzbuchverlag, München 2017, 293 Seiten, zahlreiche s/w und farbige Fotos, 24,99 Euro
Stichwörter