Gusel Jachina

Wo vielleicht das Leben wartet

Roman
Cover: Wo vielleicht das Leben wartet
Aufbau Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783351038984
Gebunden, 591 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Helmut Ettinger. Kasan, 1923: Nach Erstem Weltkrieg, Revolution und Bürgerkrieg wütet der Hunger im Wolgagebiet. Am schlimmsten leiden die Kinder. Viele haben ihre Eltern verloren oder wurden weggegeben, weil die Nahrung nicht für alle gereicht hat. Diese Kinder sind jetzt auf sich allein gestellt. Dejew, ein ehemaliger Soldat auf der Seite der Roten, soll fünfhundert von ihnen mit dem Zug nach Samarkand schaffen, wo es mehr Lebensmittel gibt. Unterstützt wird er von der Kommissarin Belaja, Sanitäter Bug, zwölf zwangsverpflichteten Frauen und einem Koch. Es mangelt an allem: Kleidung, Proviant, Heizmaterial für die Lokomotive … Doch Dejew kämpft wie ein Löwe für seine fünfhundert Waisen, und immer wieder helfen ihnen kleine, glückliche Zufälle.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.01.2023

Schrecklich ist das, was Cornelia Geißler in Gusel Jachinas "Wo vielleicht das Leben wartet" zu lesen bekommt: Ein Kindertransport soll 1923 in der Sowjetunion 500 Kinder vor dem Hunger in Kasan nach Samarkand bringen, Kinder, denen Fürchterliches widerfahren ist, die zum Teil krank sind, ein Transport, der zum Scheitern verurteilt scheint. Aber: Die Rezensentin empfiehlt das Buch trotz des schwierigen Themas als absolut lesenswert, zeige es doch Menschlichkeit und Hoffnung und ab und zu subtilen Witz. Zudem vermöge es die Autorin, eine vergessene Episode der Geschichte wieder lebendig und damit auch ungelöste Probleme der Gegenwart deutlich zu machen, schließt Geißler.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.11.2022

Rezensent Karl-Markus Gauss stören ein paar unpassende Wendungen (Weicheier, Werst, Pud, Gutmenschen) im Roman von Gusel Jachina nur wenig. Mehr schon stört ihn der Kitsch, der gegen Ende der Erzählung den insgesamt für den Rezensenten starken Eindruck des Textes etwas schwächt. Wie die Autorin in ihrem dritten Roman vom Leid hungernder Kinder auf dem Weg von Kasan nach Samarkand erzählt, von der Fürsorge des Zugkommandanten Dejew und einiger anderer, vor allem aber von den Grausamkeiten des Jahres 1923 in der Sowjetunion, das hat für Gauss eine bemerkenswerte expressive Wucht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.08.2022

Für Rezensentin Olga Hochweis liegt die Bedeutung dieses Romans von Gusel Jachina vor allem darin, dass die Autorin ein wenig bekanntes dunkles Kapitel der Sowjetgeschichte aufblättert. Es geht um Kindertransporte von Kasan nach Samarkand und das Leid der Evakuierten im Bürgerkrieg von 1923, Hauptfigur ist ein engagierter Eisenbahner. Wie die Autorin ihr Thema angeht, findet Hochweis allerdings fragwürdig. So entgleist der Text laut Rezensentin immer wieder in Richtung cineastisches Roadmovie, und die Figuren sind allzu holzschnittartig. Darüber hinaus baut Jachina eine kitschige Liebesgeschichte ein und versetzt den dramatischen Realismus zu oft mit romantisierenden Abenteuer-Elementen, die den behandelten Schrecken relativieren, findet Hochweis.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.08.2022

Rezensent Andreas Platthaus hat zu knabbern am "brutalen Realismus", mit dem Gusel Jachina in ihrem Roman den Leidensweg hungernder Kinder aus Kasan im Bürgerkrieg 1923 schildert. Wie sich im Buch der Eisenbahner Dejew der Kinder annimmt, findet er herzzerreißend. Nicht nur thematisiert Jachina mit ihrem Text einen bei uns wenig beachteten Teil der Folgen der Oktoberrevolution in Russland, erkennt der Rezensent, sie bringt ihn uns in Einzelschicksalen auch unerwartet nahe, meint er. In Zeiten russischer Aggression ist der "tiefe Humanismus" des Buches Balsam für Platthaus' Seele.
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