Henryk Grynberg

Flüchtlinge

Cover: Flüchtlinge
Arco Verlag, Wuppertal 2018
ISBN 9783938375914
Kartoniert, 250 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Lothar Quinkenstein. Mit einem Interview mit dem Verfasser. "Flüchtlinge" ist die intime Erzählung einer gezeichneten Generation. Im Kindesalter musste sie erleben, wie die Deutschen ihre Heimat Polen in einen Trümmerfriedhof verwandelten. Als junge Erwachsene wurde ihnen in der Volksrepublik Polen erneut das Recht auf Heimat abgesprochen. Dafür steht als eine Schlüsselfigur Marek Hłasko, der "polnische James Dean", Ikone der Warschauer Schriftstellerszene, der nach Jahren der Heimatlosigkeit, so in Israel und Kalifornien, 1969 in Wiesbaden starb. Doch nicht nur ihm setzt Henryk Grynberg ein bewegendes Denkmal - "Flüchtlinge" ist Autobiografie wie auch Chronik von polnischen und jüdisch-polnischen Exilanten, die, zumeist in den USA, ein neues Leben wagten - und bei allen Erfolgen zutiefst Unbehauste blieben.
In Porträts zeichnet Grynberg Lebenswege und Todesfälle in Polen, Israel und im Schatten der Traumfabrik Hollywood nach, die nicht im europäischen Blick sind, ein Who is Who der polnischen Bohème im Exil. Wer weiß denn schon, dass es Krzysztof Komeda war, der - wie sonst nur noch Chopin verehrte - Titan des Polish Jazz, der die Musik zu Filmen von Roman Polański komponierte? Oder daß die Titelmelodie für die Fernsehserie "Flipper" von Henryk Warszawski stammt? Dass der Schauspieler Wojciech Frykowski mit Sharon Tate 1969 als Partygast beim Massaker der Manson Familiy in Polańskis Villa ermordet wurde?
Als roter Faden zieht sich durch die Schilderung dieser Schicksale Grynbergs eigenes Ringen um eine Existenz als jüdisch-polnischer Schriftsteller, der in den USA als Pole, in Polen als Jude und in China als Amerikaner gilt. Seine Suche nach einem Lebensort verbindet er mit Städtebildern wie von Tel Aviv, Neapel, Rom, Mailand, Venedig, Łódź, Warschau, New Orleans, Los Angeles, New York, Las Vegas und Buenos Aires - und oft der Geschichte ihrer jüdischen Gemeinschaften. In einer Zeit der Flüchtlingsströme nach Europa macht Henryk Grynberg über sich hinaus erfahrbar, was Verlust von Heimat und Fremdsein bedeuten.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.01.2019

Der in den USA lebende polnische Schriftsteller Henryk Grynberg widmet sich in diesem zwischen Autobiografie, Essay und Reportage schwebenden Band den polnischen Exilanten in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg, erzählt Martin Sander. Die meisten waren Juden. Grynberg selbst hatte sich schweren Herzens 1967, als der Antisemitismus sich auch in der KP Polens breit machte, in die USA abgesetzt. Sander liest mit Interesse, wie die verschiedensten Emigranten, von Billy Wilder bis Marek Hłasko sich im Exil zurecht fanden: das Spektrum reicht von Depression bis Freiheitslust. Interessant findet Sander auch, wie unwirsch der junge Grynberg auf die Studentenproteste im Westen reagierte. Heute würde er das wohl nicht mehr unterschreiben, vermutet der Rezensent. Alles in allem empfiehlt er das Buch als "spannendes Gruppenbild des polnisch-jüdischen Exils im Kalten Krieg".