Peer Hultberg

Die Stadt und die Welt

Roman in 100 Texten
Cover: Die Stadt und die Welt
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2008
ISBN 9783902497413
Gebunden, 477 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Aus dem Dänischen neu übersetzt von Angelika Gundlach. Ketty Kristina Bang-Hansen, Ruth Iversen, Kirsten Ulldum, Povl Hestlund - das sind nicht einmal eine Handvoll von den über hundert Namen und Figuren, aus dessen Lebensläufen dieses gewaltige Buch komponiert ist. Sie alle leben in Viborg in Dänemark oder sie haben dort gelebt, so wie der Autor, der hier seine entscheidenden Jugendjahre verbracht hat. Aber nichts Autobiografisches hat dieser Roman, denn der Erzähler ist gleichsam die Stadt selbst. Und was da über ihre Einwohner berichtet, ausgeplaudert, aufgedeckt oder einfach geschildert wird, zeigt nichts als von Menschen gelebtes Leben, das, was man normal nennt und doch, wenn es erzählt wird, so erzählt wie hier, den ganzen Eigensinn, die Wünsche, Vergeblichkeiten und manchmal auch Triumphe jedes einzelnen vorführt. So liest sich dieses Buch auch, als habe jemand Balzacs gesamte Comedie humaine in ein Buch komprimiert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.03.2009

Den 1993 mit dem Nordischen Literaturpreis ausgezeichneten Roman von Peer Hultberg, der jetzt in einer deutschen Neuübersetzung vorliegt, hat Jean-Michel Berg ausgesprochen gern gelesen. Der 2007 gestorbene dänische Autor, der auch als Psychoanalytiker tätig war, blickt in den "hundert Texten", aus den dieser Roman zusammengesetzt ist, in die Abgründe, Geheimnisse und Absonderlichkeiten der Bewohner der Kleinstadt Viborg, erklärt der Rezensent. Besonders fasziniert hat Berg, dass sich aus Gerüchten, Vorurteilen und Klatschgeschichten, die in die Erzählerstimme eindringen, nach und nach so etwas wie ein "überpersonales Bewusstsein" ergibt. So wird auf wenigen Seiten jeweils das Leben eines Viborgers rekapituliert und in der Summe stellt sich das für den Rezensenten vor allem als Beleg für die Nichtigkeit allen menschlichen Strebens angesichts des Todes dar. Dass der Roman aber trotzdem nicht zur tragischen Lektüre wird, dafür sorgen die außerordentlich komischen und unterhaltsamen Passagen darin, bemerkt Berg.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.01.2009

Trübsinn deluxe für die Winterzeit empfiehlt Wolfgang Schneider. Peer Hultbergs "sozialer Wahrnehmungskosmos" muss sich für Schneider zwar erst einmal als Roman erweisen, alles scheint ein bisschen gewöhnungsbedürftig zu sein in diesem Buch, das als Hauptwerk der neueren dänischen Literatur gilt, wie der Rezensent mitteilt, doch schließlich ergibt sich für den Rezensenten doch eine Art von Totalität der guten alten Art mit der Stadt Viborg in Jütland als topografischem Fixpunkt und mit einer Zeitspanne vom frühen 20. Jahrhundert bis knapp in die Gegenwart. Das Panorama aus etwa dreihundert Figuren aller gesellschaftlichen Schichten, jede vorgestellt in einer zwei- bis zwölfseitigen Episode, versucht Schneider zunächst als eine Art soziales Puzzle zu lesen. Aber nur wenige Figuren bleiben dem Rezensenten im Gedächtnis, und Verflechtungen untereinander werden nur begrenzt sichtbar. Schneider probiert's mit Vor- und Zurückblättern, der Wiedererkennungseffekte wegen. Und siehe da: Es ergeben sich Ungereimtheiten, die Schneider nicht dem Autor, sondern dem Leben in Viborg zurechnet. Dazu passt laut Schneider auch Hultbergs stilistische Zurücknahme, das Aufgehen des Erzählers in einer alltagssprachlichen kollektiven Stimme. So wird doch so etwas wie ein Roman daraus. Einer allerdings, den Schneider lieber als Sammlung von Kalendergeschichten lesen möchte: Jeden Tag eine.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.10.2008

Als "Meisterwerk der europäischen Erzählkunst" würdigt Karl-Markus Gauß diesen Roman des Ende 2007 verstorbenen dänischen Schriftstellers Peer Hultberg. Im Zentrum des Werks sieht er die kleine dänische Stadt Viborg, deren Geschichte von 1900 bis 1990 in 100 Texten und den Biografien von über 300 Bewohnern erzählt wird. Auch wenn man bei den vielen auftretenden Personen mit oft ähnlichen klingenden dänischen Namen schon mal die Übersicht verliert und einige stilistische Eigenheiten des Autors (etwa direkte Rede nicht durch Anführungszeichen zu kennzeichnen) gewöhnungsbedürtig sind, findet Gauß die Lektüre des höchst artifiziellen Romans packend, witzig und überaus unterhaltsam. Es entsteht für ihn ein bitterkomisches Pandämonium der Gesellschaft, ihrer Repräsentanten und Außenseiter, Stützen und Gegner, Unbekannten und nie Gewürdigten. Er hebt den Aspekt der Dünkelhaftigkeit der Protagonisten hervor, die sich durch alle Schichten und Klassen zieht, und ihre Gier nach gesellschaftlichem Aufstieg. Besonders lobt Gauß, wie gekonnt Hultberg die erzählende Außen- und Innenperspektive wechselt. Nach diesem Roman ist für ihn klar: Hultberg ist ein "großer dänischer Erzähler in Europa".
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