Corry Guttstadt

Die Türkei, die Juden und der Holocaust

Cover: Die Türkei, die Juden und der Holocaust
Assoziation A Verlag, Berlin - Hamburg 2008
ISBN 9783935936491
Kartoniert, 520 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Die erste Generation türkischer Migranten in Westeuropa war mehrheitlich jüdisch. 20 bis 30.000 Juden türkischer Herkunft lebten während der Zwischenkriegszeit in verschiedenen europäischen Ländern, wo sie eigene sephardische Gemeinden gründeten. Obwohl viele von ihnen Opfer der Schoah wurden, wurden sie in der internationalen Holocaustforschung bislang kaum berücksichtigt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der widersprüchlichen Politik der Türkei, die zwar einerseits verfolgten deutsch-jüdischen Wissenschaftlern und Künstlern Exil gewährte, andererseits jedoch wenig unternahm, um ihre im NS-Machtbereich befindlichen jüdischen Staatsbürger zu retten. Auch innerhalb der Türkei wurden Juden durch eine Sondersteuer faktisch ihres Besitzes beraubt, so dass die Mehrheit der verbliebenen Juden der Türkei nach Gründung des Staates Israel dorthin emigrierte. Das Buch schließt nicht nur eine wichtige Forschungslücke, sondern erhält vor dem Hintergrund eines erstarkten Antisemitismus in der Türkei sowie der Diskussion um das Holocaustgedenken in der Migrationsgesellschaft eine besondere Aktualität.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.04.2009

Corry Guttstadts Buch "Die Türkei, die Juden und der Holocaust" hat Rezensent Martin Kroeger rundum überzeugt. Die in seinen Augen exzellente Studie schildert das Schicksal der kleinen Gruppe von etwa 2500 türkischen Juden. Dieser bislang kaum beachtete Aspekt dokumentiert für ihn auch die monströse Sorgfalt, mit der die Nazis die Judenvernichtung betrieben haben. Er attestiert der Autorin, in einem weit gespannten Bogen die Geschichte der Juden osmanisch-türkischer Herkunft zu rekapitulieren. Die Autorin schildere dann die Verfolgung dieser Menschen in verschiedenen europäischen Ländern. Besonders hebt Kroeger die Haltung Ankaras während des Dritten Reichs hervor, das 1938 die Immigration von ausländischen Juden verbot und 1942 türkischen Juden die schützende Staatsangehörigkeit entzog.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.10.2008

Ahlrich Meyer würdigt Corry Guttstadts umfassende Studie über die türkische Politik gegenüber ihren jüdischen Staatsangehörigen in Europa als wichtigen Beitrag zur "länderübergreifenden Holocaust-Forschung". Die Autorin räume darin nicht zuletzt mit dem "Mythos" von heroischen Rettungsversuchen türkischer Diplomaten auf und dokumentiere in ihrem Buch vor allem Passivität und "Desinteresse" der türkischen Konsulate gegenüber ihren in Bedrängnis geratenen jüdischen Staatsangehörigen, so der Rezensent. Dennoch verurteilt Guttstadt nicht einseitig, sondern bezeugt durchaus auch Beispiele von Initiativen einzelner türkischer Diplomaten zur Rettung von Juden, wie der Rezensent feststellt. Laut Autorin war die Türkei zwar nicht an sich antisemitisch, allerdings hegte die türkische Regierung durchaus Sympathien für Nazideutschland, erklärt Meyer. Die Autorin entreißt mit ihrem an Interviews, Archivrecherchen und Bilddokumenten reichen Buch den etwa 2500 ermordeten türkischen Juden, deren "Schicksal bis heute nicht erforscht" ist, eindrucksvoll dem Vergessen, lobt Meyer eingenommen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.10.2008

Eine "bahnbrechende Studie" erblickt Michael Kiefer in Corry Guttstadts Buch "Die Türkei, die Juden und der Holocaust". Er attestiert der Turkologin, eine Lücke in der Forschung zu schließen, indem sie das offizielle Geschichtsbild einer durchweg judenfreundlichen Politik des Osmanischen Reichs beziehungsweise der Türkei einer gründlichen Revision unterzieht. Wie er berichtet, bestreitet die Autorin keineswegs den engagierten Einsatz türkischer Diplomaten im Dritten Reich, der vielen Juden das Leben rettete. Aber sie führt anhand einer Fülle von Material die Auslassungen der türkischen Geschichtsschreibung vor Augen. So habe die Regierung in Ankara zum Beispiel auf ein Ultimatum des NS-Regimes 1942 mit der Ausbürgerung tausender türkischer Juden reagiert und die Konsulate angewiesen, keine Gruppenrepatriierungen durchzuführen. "Das Buch", resümiert der Rezensent, "wird in der Türkei mit Sicherheit sehr kontrovers verlaufende Diskussionen auslösen."