Jay Parini

Dunkle Passagen

Ein Walter-Benjamin-Roman
Cover: Dunkle Passagen
Albrecht Knaus Verlag, München 2000
ISBN 9783813500950
Gebunden, 448 Seiten, 21,93 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Gerhard Beckmann. Port Bou, ein kleiner Ort an der französisch-spanischen Grenze in den Pyrenäen, wird zur letzten Lebensstation des deutsch-jüdischen Philosophen und Kritikers Walter Benjamin (1892 - 1940). Aus dem von Hitlers Armeen bedrohten Paris, seinem langjährigen Exil, mußte er fliehen. Sein Opus magnum, eine monumentale Kulturgeschichte der Moderne, die später als das "Passagenwerk" in die Literaturgeschichte eingehen wird, konnte er nicht vollenden. Das Manuskript, das er in einer Aktentasche bei sich trägt, ist sein einziger Besitz. Mit einer Gruppe von Flüchtlingen versucht er, auf einer beschwerlichen, illegalen Route die spanische Grenze zu erreichen. Er ist erschöpft und verzweifelt; er fürchtet, der Gestapo in die Hände zu fallen. Der Roman verwebt die Geschichte dieser abenteuerlichen Flucht mit Episoden aus dem Leben des deutschen Intellektuellen: eine behütete Kindheit in Berlin, seine Rolle in der Jugendbewegung und die Freundschaft mit dem Kabbalaforscher Gershom Schorlem, seine unglückliche Liebe zur lettischen Marxistin Asja Lacis, seine Zusammenarbeit mit Horkheimer und Adorno für deren "Institut für Sozialforschung".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.08.2000

Uwe Pralle weist zunächst darauf hin, dass Benjamins Nachlassverwalter und der Suhrkamp-Verlag sich anfangs geweigert haben, die Genehmigung für den Nachdruck einiger Zitate in diesem Buch zu erteilen. Zwar hat ihn dies anfangs an Zensur denken lassen, so der Rezensent. Nach der Lektüre jedoch habe er für diese Haltung sogar beinahe Verständnis. Denn nach Pralle hat der Autor Benjamin eher einen Bärendienst erwiesen. So macht der Rezensent immer wieder deutliche Tendenzen zum "lupenreinen Kitsch" aus, etwa bei den fiktiven Briefen Benjamins. Benjamin selbst kommt, wie der Leser erfährt, ansonsten nicht zur Sprache, worin der Rezensent eine Scheu Parinis vermutet, sich in sprachlicher Hinsicht mit Benjamin messen lassen zu müssen - zu Recht, wie Pralle findet. Ansonsten diagnostiziert der Rezensent eine deutliche Tendenz zur Verflachung und einen abstoßenden Schlüssellochblick, was Benjamins Sexualleben betrifft. Mit schlüpfrigen Szenen ist "der Roman gepflastert", so Pralle, der ihnen weder Erkenntnis- noch Unterhaltungswert zugestehen mag.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.07.2000

Ludger Lütkehaus geht in seiner Rezension zunächst auf die Gefahren ein, die der Versuch eines biografischen Roman mit sich bringt. Als besonderes Risiko wertet er gerade im Falle von Benjamin, dass ein Biograf es in sprachlicher Hinsicht - gerade wenn auch Zitate von Benjamin verwendet werden - nicht leicht hat, auf dieser Ebene anzuschließen, soll es nicht "an den Schnittstellen zu fatalsten Kollisionen kommen". Parini hat dieses Problem nach Ansicht des Rezensenten nicht immer gemeistert. Lütkehaus weist darauf hin, dass Parini sich am Lebenslauf Benjamins orientiert und dabei vor allem seine Begegnungen mit zahlreichen Zeitgenossen reflektiert. Dazu gehören auch Benjamins erotische Beziehungen, bei denen Parini Benjamin durchaus auch "von seiner beruhigend allgemein-menschlich-grobsinnlichen Seite" zeige. Bei der Behandlung von Benjamins Werken jedoch werde die Kluft zwischen Benjamin und seinem Biograf recht deutlich, zumal das "Manirierte, Gestelzte", zu dem der Autor gelegentlich neige, hier offenbar noch auf unerquickliche Art gesteigert wird. Besser gefällt dem Rezensenten, wenn Parini die Perspektive Dritter einnimmt, wobei Lütkehaus als Beispiel die Schilderung Lisa Fittkos über die Pyrenäenüberquerung nennt. Richtiggehend ärgerlich hingegen findet der Rezensent, dass Benjamin in diesem Band "ausgerechnet in der Nacht vor seiner Selbsttötung noch einmal seine erotische Biografie resümieren muss".
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