Ulrike Draesner

Mitgift

Roman
Cover: Mitgift
Luchterhand Literaturverlag, München 2002
ISBN 9783630871172
Gebunden, 378 Seiten, 22,50 EUR

Klappentext

Bedingungslose Hingabe an ihren Freund ist Aloes Wunsch, aber Lukas, Astronom von Beruf, denkt in intergalaktischen Entfernungen, weniger in alltäglichen Nähen, und auch Aloe, so aufgeklärt sie ist, leidet unter den Heimlichkeiten ihrer Kindheit: Wäre ihre Schwester einfach nur schön gewesen ...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.05.2002

Sybille Cramer kann dem Roman über Magersucht und Intersexualität nicht viel abgewinnen. Denn obwohl die Autorin sich "nach Kräften" bemühe, der Themen Herr zu werden und die Motive in "narrative Gegensätze zu ordnen", sei dem Roman nicht mehr zu helfen, so die Rezensentin bedauernd. Denn ihrer Ansicht nach will Draesner mit ihrem Roman zwar viel erreichen und hat ein "abenteuerliches Pensum" abzuarbeiten, doch hat das Buch dabei leider "triviale Schlagseite" bekommen. Das ist deshalb um so bedauerlicher, meint Cramer, weil die Passagen über "Bildlichkeit, Fotoästhetik und plastische Imagination" zu den schönsten des Buches gehören und zudem wirklich "gescheit" sind.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.04.2002

Sabine Rohlf findet, dass der Roman der zunächst als Lyrikerin bekannt gewordenen Autorin, "von allem ein bisschen viel" auffährt. Das im Buch entfaltete Konfliktfeld zwischen Magersucht, Intersexualität und Geschwisterkonflikt sei schon komplex genug, als dass die Autorin mit den vielen "sprachlichen Schnörkeln", den Vergleichen, Reflexionen und Metaphern derart verschwenderisch umgehen sollte, kritisiert die Rezensentin. Sie ist außerdem erstaunt, wie "wenig" Draesner aus dem Konfliktpotential ihrer Geschichte macht. Die Magersucht der Protagonistin, die ausführlich und quälend dargestellt wird, erledigt sich plötzlich fast von selbst, und der Konflikt zwischen den Schwestern, der das ganze Denken und Fühlen der Hauptfigur dominiert, wird durch eine "herzliche Umarmung" in Ordnung gebracht, wundert sich die Rezensentin. Rohlf findet den "sprachlichen Aufwand", den die Autorin betreibt, übertrieben. Er hätte ihrer Ansicht nach besser zu einem Gedichtband gepasst. Die angebotenen Lösungen für die Fülle an Problemen, die der Roman aufgreift, sind ihr dagegen zu einfach.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.04.2002

"Mitgift", der zweite Roman der Lyrikerin Ulrike Draesner, ist einer der "intelligentesten Romane dieser Jahre", schwärmt Martin Ebel. Darin geht es um den Umgang mit den Außenseitern in der bürgerlichen Gesellschaft, berichtet der Rezensent. Ganz im Sinne der Grundthesen der klugen Untersuchung "Außenseiter" des Literaturwissenschaftlers Hans Mayer führe die Autorin vor Augen, was passiert, wenn eine Gesellschaft Andersartigkeit ausgrenzt, verleugnet oder umerziehen will. Hier ist es Anita, eine Hermaphroditin. Aber das allein ist nicht das Thema des Romans, so Ebel, sondern vor allem geht es um das Verhältnis zwischen Anita und ihrer Schwester Aloe, die "Normale", die ihre Normalität im Vergleich zur "anderen" Schwester nicht erträgt und an Bulimie erkrankt. Die Schilderung dieser Krankheit gehöre, meint der Rezensent, zu den "Glanzstücken" des Romans. Und der "gelehrten" Dichterin Draesner sei es auch noch gelungen, lobt Ebel, diese inhaltich komplexe Geschichte in eine poetisch intensive, metaphernreiche und "evidente" Sprache zu kleiden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.03.2002

So einfach und leicht wie in Lou Reeds Song "Take a walk to the wild side", in dem er die Geschichte eines glücklichen Transgender-Stars aus Andy Warhols Factory besang, gehe die Geschichte im zweiten Roman von Ulrike Draesner nicht aus. Ganz im Gegenteil, befindet Heribert Kuhn: Hier führe die Transsexualität der schönen und liebenswerten Anita vielmehr in die familiäre Zerstörung. Protagonistin sei nicht Anita, sondern ihre Schwester Aloe, die mit der sexuellen Doppelbödigkeit nicht zurecht kommt und an Magersucht erkrankt. Durch die Theoriebesetztheit des Themas rette sich die Autorin von ihrer Prosa oft in "Metaprosa, die flugs erklärt, was schwer erzählt werden kann". Das Buch sei, so urteilt Rezensent zusammenfassend, "eine Nagelprobe auf alle Anleihen unserer Körperutopien und die damit verbundenen Befreiungsversprechen".