Christian Schölzel

Walther Rathenau

Eine Biografie
Cover: Walther Rathenau
Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2006
ISBN 9783506713933
Gebunden, 652 Seiten, 49,90 EUR

Klappentext

Zeit seines Lebens schwankte der 1867 Geborene zwischen Leugnung und Bejahung seines Jüdisch-Seins. Der langjährige Lenker der AEG, Mitglied von über 100 Aufsichtsräten, war einer der einflußreichsten Unternehmer Europas, was ihn nicht hinderte, philosophisch-politische Visionen einer Gesellschaft jenseits von Kapitalismus und Sozialismus zu entwerfen, die die Arbeiter aus ihrer "Erbknechtschaft" erlösen sollten. Der Organisator der deutschen Kriegswirtschaft 1914/15, der 1918 zur Abwendung des Zusammenbruchs noch einen "Volkskrieg" propagiert hatte, suchte in der Nachkriegszeit bald die Verständigung mit den Siegern. Der "Erfüllungspolitiker" wurde zu einer "bete noire" der extremen Rechten. Als er, seit dem 1. Februar 1922 Reichsaußenminister, mit dem Vertrag von Rapallo mit Russland den ersten großen Schritt zu einer wieder selbständigen deutschen Außenpolitik getan hatte, fiel er dem Anschlag des deutsch-völkischen Geheimbunds "Organisation Consul" zum Opfer. Der Mord schockierte die Welt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.05.2006

Vor lauter Fakten und Systematik hat Christian Schölzel ein wenig das eigentlich Biografische aus dem Auge verloren, meint Rezensent Ulrich Teusch. Aber was einerseits zu Lasten der Lesbarkeit gehe, sei auf der anderen Seite ein Gewinn an fundierter Quellenauswertung. Schölzel könne beispielsweise neues Licht auf Rathenaus Tätigkeit als AEG-Präsident oder auch als Leiter der Kriegsrohstoff-Abteilung im Ersten Weltkrieg werfen. Gleichwohl, so der Rezensent, blieben "viele Fragen offen". Auch die notorische Frage nach Rathenaus vermeintlicher Homosexualität, die Schölzel als unbeweisbar kurzerhand beiseite lässt. "Eigentümliche Befangenheit" nennt das der Rezensent und hadert auch sonst mit dem "übergroßen Respekt" des Biografen. Auch spare die wissenschaftliche Orientierung des Autors die doch wichtigen Fragen aus, was die historische Größe eines Rathenau ausmache und welche Bedeutung er für unsere heutige Zeit haben könne.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.04.2006

Fachlich fundiert, jedoch leider nicht gut geschrieben, heißt es bei Rezensent Christoph Jahr. Der immense Stoff sei mehr oder weniger aneinandergereiht, dies allerdings "wohldurchdacht" und unter Berücksichtigung der gesamten Forschungsliteratur. Als Besonderheit habe der Autor erstmals den Privatnachlass Rathenaus einsehen können, der lange als verloren galt. Grundlegend in Rathenaus Leben, so der Rezensent, sei sein Judentum gewesen, mit dem er 1897 in der Schrift "Höre Israel" gebrochen habe, ohne jedoch zum Christentum zu konvertieren. Gleichwohl sei er das Stigma des Juden in einer zunehmend rassistischer und antisemitischer werdenden Zeit nicht losgeworden und wurde 1922 "als Protagonist der als "Judenrepublik" verteufelten Demokratie" ermordet. Schölzels Rathenau-Biografie, resümiert der Rezensent, sei dank ihrer soliden Quellenarbeit zwar verdienstvoll, das gehe allerdings auf Kosten der "Leselust", weshalb eine "definitive Biografie" laut Jahr noch aussteht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.03.2006

Christian Schölzels umfangreiche Rathenau-Biografie hat Rezensent Eberhard Kolb durchaus beeindruckt, auch wenn er einige Kritikpunkte anzubringen weiß. Er hebt hervor, dass Schölzels Biografie die erste ist, die sich auf den in den 90er Jahren zugänglichen Materialien aus dem Rathenaus Privatnachlass stützen kann. Darüber hinaus sei der Autor in über achtzig weiteren Archiven fündig geworden. Zudem bescheinigt ihm Kolb, alle Schriften Rathenaus sowie die Sekundärliteratur genauestens zu kennen. Mit einem Wort: die Arbeit zeichnet sich für Kolb durch "tiefgründige Gelehrsamkeit" aus. Die angehäufte Materialfülle zieht seines Erachtens allerdings die Gefahr des "Ertrinkens" nach sich, der Schölzel nicht immer entronnen ist. Als Verdienst schreibt Kolb dem Werk zu, alle Aspekte in Leben und Wirken Rathenaus "sachkundig und erschöpfend" und in "etwa gleichgewichtig" zu behandeln: seine Tätigkeit als Industrieller und Bankier, seine Leistungen bei der Sicherung der deutschen Rohstoffversorgung im Weltkrieg, sein soziales Umfeld, seine Beschäftigung mit seiner jüdischen Identität, seine geschichts- und gesellschaftsphilosophische Publizistik und nicht zuletzt sein politisches Engagement in der Republik als Wiederaufbau- und Außenminister. Kritik übt Kolb am "spröden Stil" des Werks, der "die Lektüre nicht zu einem Spaziergang macht", sowie am Anmerkungsapparat, der seines Erachtens "stark überfrachtet" ist und zum Teil Fehler aufweist.
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