Janina Urussowa

Das Neue Moskau

Die Stadt der Sowjets im Film 1917-1941. Dissertation
Cover: Das Neue Moskau
Böhlau Verlag, Köln 2004
ISBN 9783412166014
Gebunden, 450 Seiten, 39,90 EUR

Klappentext

Im Jahr 1939 drehte der sowjetische Regisseur Viktor Morgenstern den Dokumentarfilm "Moskau". Der Film endet mit einer Sportparade vor dem größten Bauwerk der Stalin-Epoche, dem Palast der Sowjets im zukünftigen Moskau. Dass dieser dokumentarische Bericht auf Straßen aufgenommen worden ist, die nur als Kulissen vorhanden waren, schien die Zeitgenossen nicht zu stören. Dieses Beispiel zeigt, wie in Russland nach der Oktoberrevolution die Utopie einer sozialistischen Großstadt - verkörpert im 'Neuen Moskau' - erschaffen wurde. Da die Umgestaltung der realen Stadt aber nur schwer und langsam zu verwirklichen war, kamen Architektur und Film zu Hilfe. Als mediale Inszenierung entstand so eine "terra socialistica": eine Idealstadt der Zukunft. Janina Urussowa erzählt die interessante Geschichte dieser virtuellen Urbanisierung. Sie rekonstruiert die mentalen Muster der sozialistischen/russischen Kultur, die hinter den Kulissenentwürfen zu entdecken sind. Das faszinierende, zum Teil erstmals veröffentlichte Bildmaterial wurde in künstlerischer Weise zur Geltung gebracht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.07.2004

Thomas Meder ist nicht begeistert. Vor allem die formalen Schludrigkeiten von Janina Urussowas "Das Neue Moskau" erregt seinen Unmut. So sei der Name Rene Clair "konstant falsch geschrieben", und die "üppige Bebilderung" des Buches verpuffe, da sich "kein Bild mit Sicherheit zuordnen lässt, weil jegliche Beischrift fehlt". Die "adrette Gestaltung" helfe "der Argumentation des Textes an keiner Stelle auf die Sprünge". Was Meder hingegen konzediert, ist "enormer Fleiß". Mit diesem gehe Urussowa der Frage nach, wieso Moskau in architektonischer Hinsicht nach der Oktoberrevolution so uneinheitlich wirkte. Dazu unterteile die Autorin die architekturgeschichtliche Entwicklung der Stadt in drei Phasen: 1. eine "unnatürliche Verbindung von proklamiertem Sozialismus und realem Kapitalismus", aus dem "Repräsentationsbauten westlichen Stils an den großen Prospekten" hervorgegangen seien; 2. "eine kulturelle Neubesinnung im Zeichen des Konstruktivismus"; 3. das "Phantasma einer mit symbolischer Pracht geschmückten Metropole". Den Großstadtgeist der Moskowiter haben demnach die stalinistischen Funktionäre durch die "Virtualisierung der Stadt im dazu neu entdeckten Medium Film" beflügeln wollen. Allerdings habe sich der Kinozuschauer damit nicht wirklich "dynamisieren" lassen, "so zwangskollektiviert er auch neu erstanden sein mag". Bei Urussowas Untersuchung des Verhältnisses von Film und Architektur setzt Meders inhaltliche Kritik an: "Was sich anhand des reichen Materials an ästhetischen Befunden aufdrängt", werde "nur selten in weiter gehende Hinweise überführt". So schlage auch hier die "Gefahr kulturwissenschaftlicher Arbeiten" voll durch: "Sie verwässern ihren Gegenstand, weil so vieles auf einmal zu ihrem Gegenstand wird."
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