Tor Ulven

Ablösung

Roman
Cover: Ablösung
Droschl Verlag, Graz 2019
ISBN 9783990590348
Gebunden, 144 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Norwegischen von Bernhard Strobel. In seinem einzigen Roman erschafft Tor Ulven fünfzehn Bewusstheiten. Die Figuren befinden sich in unterschiedlichen Lebensphasen, von der Kindheit bis ins Greisenalter. Sie haben den Moment des Innehaltens und Stillstands erreicht und verfolgen eine "private Utopie", sehnen sich nach etwas Unerreichbarem. Die Namenlosen erinnern, träumen oder malen sich in Selbstgesprächen aus, was aus ihrem Leben hätte werden können oder was ihnen für ein glückliches Leben fehlt. Und so sind es die Abwesenheiten, die ihre Gedanken dominieren: eine geliebte Frau, ein vermisster Hund, Geld oder Gesundheit. Die individuellen Schicksale gleichen stillen Variationen von Sehnsüchten und Ängsten, Trauer und Verlust. Ulven gestaltet einen Erzählreigen um die fünfzehn Protagonisten und deren unscheinbare Ablösungen. Die Wechsel von Figur zu Figur sind flackernd, leuchtend oder geschehen im Dunkel. "Alle Übergänge in dem Buch werden dadurch markiert, dass eine Lichtquelle in eine andere übergeht oder erlischt", so beschrieb es der Norweger in einem seiner seltenen Interviews.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 03.01.2020

Für Rezensent Ulrich Rüdenauer ist Tor Ulvens letztes Buch nicht mehr als die Skizze eines Romans. Wer nachvollziehbare Handlungen sucht, klar umrissene Figuren, ist hier falsch, warnt er. Stattdessen bietet Ulven ein sprachliches und gedankliches Abenteuer, das Rüdenauer allerdings bemerkenswert findet. Es geht um Erfahrungen des Leids, der Angst und der Verzweiflung, die der Autor von 15 Figuren (oder sind es nur Bewusstseinszustände einer einzigen Figur?) reflektieren lässt. Dieser "Reigen" der Versehrten verfügt laut Rüdenauer über Rhythmus und Takt, auch wenn der Autor den Gestalten im Buch nichts Eigenes gönnt. Dass alles im Ungefähren eines düsteren Realismus bleibt, muss der Leser aushalten, so Rüdenauer.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.10.2019

Keine Handlung, detailreiche Schilderungen von Geisteszuständen und Erinnerungen, unmerklich wechselnde Ich-Erzähler, endlose Auflistungen - diese Lektüre ist definitiv nicht einfach, warnt Rezensent René Hamann, aber sie lohnt sich trotzdem, verspricht er. Denn was für Tor Ulvens düsteres Buch spreche, seien nicht nur die großartige Sprache und die hohe atmosphärische Dichte. Alles in allem ergebe es eine "Inventur der Wendezeit", und zwar nicht nur ihrer Dinge, sondern auch ihrer Gefühle, findet der faszinierte Kritiker. Nicht umsonst gilt Ulven Karl Ove Knausgard als Vorreiter, so Hamann.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 31.08.2019

Gisela Trahms lässt sich von der Dunkelheit in Tor Ulvens Roman gefangennehmen. Dass die auf eine Wahrheit durchblicken lässt und mit herrlichen Formulierungen daherkommt, macht den Text für Trahms faszinierend. Wie Beckett und Blanchot will der Autor laut Rezensentin die Wirklichkeit genau beschreiben und häuten. Dass er dabei nur aus männlicher, wenngleich vielfach gebrochener Sicht beschreibt, das Sehen, das Verstehen und Vergessen, lässt sie ihm durchgehen. Die Übersetzung von Bernhard Strobel scheint Trahms fabelhaft, da sie nachempfindet, worum es dem Autor geht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.08.2019

Tor Ulven gilt als "Norwegens unangefochtener Meister der literarischen Schwermut" und macht diesem Titel mit seinem einzigen Roman alle Ehre, erklärt Rezensent Wolfgang Hottner. Wobei "Ablösung" auch kein klassischer Roman sei: Die Erzählung von einem geplagten Schlaflosen, der beim Zubettgehen von seinen trüben Gedanken heimgesucht wird, erscheint dem Kritiker wie eine Versprachlichung jener "geisterhaften Widergänger". Die lose miteinander verbundene Abschnitte, Gegenstände und Personen, die in diesem "Gedankenwachskabinett" verschwinden, sobald sie aufgetaucht sind, eine fahrige Sprache mit vielen Halbsätzen und Einschüben klingen laut Hottner wie ein literarischer Aufschrei, der die ganze Welt anklagt. Gerade wegen seiner umfassenden Düsternis und Ulvens "hypersensibler Aufmerksamkeit für Nicht-Menschliches" bescheinigt  der faszinierte Kritiker dem Roman aber eine "bizarre Schönheit".
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