Christoph Menke

Die Gegenwart der Tragödie

Versuch über Urteil und Spiel
Cover: Die Gegenwart der Tragödie
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783518292495
Taschenbuch, 277 Seiten, 11,00 EUR

Klappentext

Die Gegenwart der Tragödie spannt sich zwischen zwei Polen: zwischen der Tragik des Handelns und deren Darstellung im Spiel. Die Handlungserfahrung der Tragödie ist die Erfahrung tragischer Ironie - die Erfahrung der Tragik der Ironie, eines ebenso schicksalhaften wie selbstgemachten Umschlags ins Unheil. Deren exemplarische Gestalt ist die Tragödie des Urteilens in "König Ödipus": Urteilen, freies, richterliches Urteilen schlägt in die Gewalt des Fluchs um. Die Tragik des Handelns führt die Tragödie aus dem Handeln und daher auch aus der Tragik, die sie zeigt, heraus. Zu spielen ist aber selbst eine Form des Handelns und unterliegt dessen tragischer Ironie. Das ist die Gestalt einer Tragödie des Spiels - die moderne Gestalt der Tragödie. Ihre exemplarischen Figuren heißen Hamlet und Hamm.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.07.2005

Nietzsche und Hegel haben sich geirrt. Das ist die Botschaft der Buches "Die Gegenwart der Tragödie" des Potsdamer Philosophen Christoph Menke. Anders als es die Meisterdenker wollten, ist die Tragödie in der Moderne mitnichten gestorben. In seinem Werk führt Menke diesen Gedanken aus, berichtet Rezensent Ludger Heidbrink, der sich, von der Vergabe des nur wenig schmucken Epithetons "lehrreich" für die Schrift abgesehen, auf eine Diskussion der These des Werks beschränkt. Allerdings ist diese Diskussion engagiert genug, um das Engagement des Rezensenten als Lob gelten zu lassen. Also: In der klassischen Form der Tragödie - Musterbeispiel: "König Ödipus - ergab der tragische Effekt sich durch den Aufeinanderprall von "Schönheit des Spiels" und "Erfahrung des Tragischen". Im "modernen Modell" hingegen zieht die Tragik sich in die "Komik des theatralen Spiels zurück", die keinen Zweifel daran lässt, dass der Held sein Ziel niemals zu erreichen vermag. Der postmoderne Mensch, der mit Beckett gelernt hat, sich mit der Notwendigkeit seines Scheiterns abzufinden, wird in die Tragik zurückgestoßen durch den Verdacht, "dass diese Normalität womöglich der Ausnahmezustand ist, der sein gesamtes Dasein in Frage stellt".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.07.2005

Thomas Assheuer ist beeindruckt: eine "wegweisende, äußerst kluge, aber nicht leicht zu lesende Studie" hat Christoph Menke hier vorgelegt. Es gehe Menke darum, der Tragödie ihren Platz in der Moderne zuzuweisen und so das Selbstverständnis des modernen Theaters, das den tragischen Konflikt nicht mehr kennen will, zu erschüttern. Menkes erster Held, an dem er seine These festmacht, ist Sophokles' Ödipus, referiert Assheuer. Nach Menke ist Ödipus insofern ein moderner Held, als er ein Rechtsbewusstsein besitzt: "Es gibt die verantwortliche Tat des identifizierbaren Täters", beschreibt es Assheuer. Für Menke sei genau dies die Quelle neuer Tragik. Denn das Mittel, das den archaischen Bann durchbrechen sollte, birgt einen neuen Fluch und damit eine neue Tragödie. So geht es weiter: Shakespeares "Hamlet" verstrickt sich in eine "Tragödie der Reflexion", Becketts Clov aus "Endspiel" scheitert bei dem Versuch, sich durch die Strategien des ästhetischen Spiels zu befreien. Und in Heiner Müllers "Philoktekt" löst die reflexive Haltung der beiden Helden Odysseus und Philoktekt die Tragödie aus. Es gibt offenbar keinen Weg, das Politische zum Spiel zu wenden und der Tragödie so auszuweichen. Das geht Assheuer dann allerdings doch etwas zu weit: Menkes "Tragödientheorie wird sogar in Komödien stets den Keim künftigen Unglücks entdecken".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.07.2005

Josef Früchtl setzt sich anerkennend und kritisch zugleich mit den streitbaren Thesen von Christoph Menke auseinander, die seiner Ansicht nach mit zwei modernen Traditionen der Beurteilung des Tragischen und der Tragödie brechen: Die eine erklärt das Tragische für überholt, da der Gegensatz zwischen überindividueller Macht und Individuum aufgehoben ist - dem setzt Menke entgegen, dass die "Verrechtlichung der Lebensverhältnisse" keinesfalls die Tragik auflöse, da diese in jedem Urteil - in seiner Struktur der Willkür - hervorgebracht werde. Die andere Tradition behauptet, dass die Tragödie die Tragik gleich selber abgeschafft und durch "romantische Komödie" und Brechtsches Lehrstück ersetzt hat - dieser Ansicht wiederum stellt Menke die "Metatragödie" von Beckett, Müller und Strauß entgegen. Früchtl meint: Der Autor argumentiert "einfallsreich" und "elegant", aber auch allzu "konstruiert" - schließlich ist "nicht jedes Urteil... gewaltsam".
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