Snapshots Blog - von Sascha Josuweit

Der Kluge Hans und die rechnenden Pferde von Elberfeld

Von Sascha Josuweit
08.09.2014. Aleatorisch Bildmaterial, Netznews und Gossip verarbeitend erkundet unser Autor die Möglichkeiten eines Parallelfeuilletons
Lässt sich einem Pferd das Denken beibringen? Gegen seinen Willen? Angesichts der Rechenexperimente, die der Schulmeister Wilhelm von Osten um 1910 in einem Berliner Hinterhof anstellte, würden Tierschützer heute auf die Akazien gehen. Der Kluge Hans, ursprünglich ein gewöhnlicher Droschkengaul, löste die arithmetischen Aufgaben, die ihm sein Lehrer stellte, durch Hufeklopfen oder Kopfnicken, gegen Benotung in Naturalien. Eine auf den Plan gerufene 13-köpfige Wissenschaftlerkommission fand heraus, was von Osten nicht wahrhaben wollte: Der Klepper war doof wie ein Sack Hafer. Er war allerdings in der Lage, die Körpersprache seines Gegenübers im Hinblick auf seine Reaktion und die richtige "Antwort" recht genau einzuschätzen. Die unbewusste Beeinflussung von Versuchstieren ging als "Kluger-Hans-Effekt" in die Wissenschaftsgeschichte ein. Die Spuren des Klugen Hans jedoch führen von Berlin in das Labor des Tierpsychologen Karl Krall im bergischen Elberfeld und verlieren sich auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs. Da ging es ihm wie vielen anderen auch – alles Denken hatte ihm nichts genützt.

Abb.: In Wahrheit war Hans doof wie Hafer. Herr von Osten wollte davon nichts wissen.Abb.: In Wahrheit war Hans doof wie Hafer. Herr von Osten wollte davon nichts wissen.