Nicholas Stargardt

Der deutsche Krieg

1939 - 1945
Cover: Der deutsche Krieg
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015
ISBN 9783100751409
Gebunden, 848 Seiten, 26,99 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff. Sommer 1939, Mobilmachung im nationalsozialistischen Deutschland. Die Menschen ahnen nicht, dass ein brutaler, zerstörerischer Krieg folgen würde. Erstmals erzählt der renommierte Oxford-Historiker Nicholas Stargardt aus der Nahsicht, wie die Deutschen - Soldaten, Lehrer, Krankenschwestern, Nationalsozialisten, Christen und Juden - diese Zeit erlebten. Gestützt auf zahllose Tagebücher und Briefe fängt er die Atmosphäre jener Jahre ein und findet neue Antworten auf die Frage, wofür die Deutschen eigentlich diesen Krieg zu führen meinten: Sie glaubten, dass Deutschland sich gegen seine Feinde verteidigen musste, und sie glaubten an die nationale Sache, nahezu unabhängig von sozialer Stellung sowie religiöser oder politischer Überzeugung. Der Wunsch, ihr Land und ihre Familien zu retten, ließ sie selbst, als die Gewissheit wuchs, an einem Völkermord teilzuhaben, weiterkämpfen, mit ungebrochener Brutalität und wider alle Vernunft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.02.2016

Rezensent Rainer F. Schmidt hält den Ansatz des Australiers Nicholas Stargardt für frei von grundsätzlichen Überlegungen zur Methodik der Erforschung des Zweiten Weltkriegs. Die drei Werkzeuge, die der Autor stattdessen verwendet, um seine Gesellschaftsgeschichte zu schreiben, Chronologie, zeitgenössische Perspektive sowie deren Einordnung in den "Kriegskosmos", scheinen Schmidt bei aller durch die authentischen Dokumente errreichten Lebendigkeit der Darstellung nichts Aufregendes zutage zu fördern. Dass der Autor seine Betrachtung mit Kriegsbeginn einsetzen lässt und den Referenzrahmen so außer Acht lässt, kann Schmidt ebenso wenig verstehen wie den Umstand, dass Stargardt eher beschreibt denn erklärt. Aus dem bloßen Nebeneinander von Mikro- und Makrokosmos ergibt sich für den Rezensenten aber kein großer Zugewinn und schon gar keine Geschichte der deutschen Kriegsgesellschaft.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.01.2016

Rezensent Cord Aschenbrenner ist überrascht und aufgewühlt. Dass der australische Historiker Nicholas Stargardt mit seinem Buch zu einem eher bekannten Thema noch Neues zutage fördern würde, hätte der Rezensent nicht gedacht. Und doch: Was die Deutschen an das nationalsozialistische Terrorregime band, sie bewegte und - selbst als das Ende sich ankündigte - durchhalten ließ, kann ihm der Autor anhand von Briefen und Tagebüchern von Journalisten, Lehrern, Offizieren und Hausfrauen aus den Jahren 1939 bis 1945 sowie durch ihre Kontextualisierung erklären. Dass neben den bekannten Stimmen von Victor Klemperer und Wilm Hosenfeld vor allem Unbekannte zu Wort kommen, scheint Aschenbrenner ein Gewinn. Und wenn der Rezensent mit Stargardt erkennt, dass es nicht Scham noch Mitleid war, was die Menschen bewegte, sondern die Angst, für den Mord an den Juden büßen zu müssen, sieht er den moralischen Niedergang der Deutschen deutlich vor sich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.12.2015

Für den Publizisten Micha Brumlik, einst Leiter des Fritz Bauer Instituts, liegt die große Stärke von Nicholas Stargardts Buch darin, nicht den gewohnten militärhistorischen Blick auf den Zweiten Weltkrieg zu werfen, sondern anhand von Alltagsquellen wie Tagebüchern und Briefwechseln die Haltung der Deutschen zum Krieg zu untersuchen. Der australische Historiker Stargardt schließe eine Forschungslücke, so Brumlik, indem er das vermeintliche Nichtwissen um die Judenvernichtung als kollektive Lüge der Bevölkerung nachweise, mit dem Ziel einer systematischen Verdrängung. Zudem zeige der Autor mit seinem Buch, "dass Bundesrepublik und DDR nicht nur in ihren ersten Jahrzehnten auf Lebenslügen beruhten, sondern noch lange antisemitisch eingestellt waren", schreibt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.11.2015

Thomas Schmid wünscht sich ein Buch wie dieses über die Deutschen und ihr Denken auch für die Nachkriegszeit. Wenn der australische Historiker Nicholas Stargardt Briefe und Tagebücher analysiert, um das Bewusstsein der Deutschen zwischen 1939 und 1945 und ihren Kriegswillen zu verstehen, geht auch dem Rezensenten ein Licht auf. Der Alltag, die Evakuierungen und Bombardierungen, das Soldatenleben und wie all das damals von den Menschen aufgefasst wurde, erfährt Schmid. Ein kollektiver Schatz, meint er, der die Lügen und die Umwertungen der Werte offenbart, die in die Barbarei führten. Wie das Böse allenthalben gerechtfertigt wurde, lässt den Rezensenten erschaudern. Ein höchst wichtiges Buch, findet er.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.10.2015

Ein herausragendes Buch sieht Klaus Hillenbrand in Nicholas Stargardts Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Dass der Autor vierzehn Protagonisten in Tagebüchern und Briefwechseln stellvertretend für die Unterstützer von Krieg und Völkermord erzählen lässt, hält er für erkenntnisfördernd. Warum die Deutschen hinter dem Krieg standen, kann Stargardt erklären, indem er zusätzlich Thesen aufstellt über die Bedeutung des NS-Terrors gegen die eigene Bevölkerung und das Märchen von den Barbaren aus dem Osten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.09.2015

Norbert Frei staunt nicht schlecht: Dass auch außerhalb des Gedenkzyklus ein bedeutendes historisches Buch erscheint, ist mittlerweile selten geworden. Denn auch inhaltlich hat Nicholas Stargardts Blick auf den "deutschen Krieg" den hier rezensierenden Historiker beeindruckt. Faszinierend, erhellend und "von lebensnaher Anschaulichkeit" findet Frei, wie Stargardt Tagebücher, Aufzeichnungen und Briefe unterschiedlichster Autoren (Heinrich Böll, Victor Klemperer, Wilm Hosenfeld und Konrad Jarausch) zusammenfügt, um zu zeigen, wie die Deutschen auf den Krieg und den Holocaust reagiert haben. Was Stargardt findet, ist nicht neu, der Großteil des Materials ist bereits erschienen, und Frei kennt die Mischung aus "ideologischer Verblendung, Selbstmitleid und autoaggressiven Schuldgefühlen" - doch in solcher Eindringlichkeit hat er es noch nicht gelesen. Er attestiert dem Autor ein "geradezu erregendes Gespür für Ambivalenzen". Deswegen zögert er auch, dem Autor die allein auf die Deutschen konzentrierte Darstellung als Manko anzukreiden.
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