Efeu - Die Kulturrundschau

Nur das Licht erhellt unser Leben

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
09.01.2015. Architektur konstruiert die Gesellschaft, verkündet der spanische Architekt Andrés Jaque in der NZZ. Die Jungle World vergießt Freudentränen über das langersehnte neue Album der queer-feministischen Band Sleater-Kinney. Der Standard betrachtet die unschuldigen Farben in den Gemälden von Etel Adnan. Michel Houellebecq sagt sämtliche Werbeveranstaltungen für seinen Roman "Soumission" ab, meldet buchreport.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.01.2015 finden Sie hier

Architektur


(Andrés Jaques "Never Never Land"-Haus auf Ibiza. Foto: Angel Martinez)

Der 43-jährige Spanier Andrés Jaque zählt zu den innovativsten Architekten der Welt, doch gegen das Label des Stararchitekten verwahrt er sich: "Es geht nicht mehr um Architekten, sondern um Architektur", beschreibt er im Gespräch mit Brigitte Kramer in der NZZ die aktuelle Tendenz und definiert sein Architekturverständnis: "Architektur beeinflusst unser Verhältnis zu Zeit, Natur, Geld und Arbeit. Sie formt die Beziehungen zwischen den Geschlechtern sowie unser Privatleben. Architektur konstruiert die Gesellschaft. Wir wollen sozial inklusive Lebensformen fördern und die wirtschaftliche und landschaftliche Vielfalt eines Ortes stärken. Wir wollen - fast wie Aktivisten - alle Bereiche unseres Alltags verbinden und so eine Welt schaffen, in der die Menschen sich wieder wohl fühlen können. Das verdienen sie."

Für den Tagesspiegel liest Bernhard Schulz einen Band des preußischen Meisterarchitekten Karl Friedrich Schinkel, in dem sich der "arbeitsreiche und mit tausenderlei Gutachten gefüllte Alltag des Architekten (...) eindrucksvoll" wiederspiegele.
Archiv: Architektur

Musik

Tränen des Glücks steigen Sonja Eismann (Jungle World) stellvertretend für alle Indie-Fans der 90er Jahre in die Augen: Die queer-feministische Band Sleater-Kinney veröffentlicht mit "No Cities to Love" ihr erstes Album nach zehn Jahren Pause. Und sie schließen nahtlos an die alte Güte an, meint Eismann: "Die Chemie - oder sollte man es ganz kitschig Magie nennen? - ist Knall auf Fall wieder da: Die besteht im Kern nach wie vor aus den sich umeinander windenden Gitarren von Carrie Brownstein und Corin Tucker, aus den call-and-response-Spielchen ihrer beiden so charakteristischen und dabei so unterschiedlichen Stimmen, wenn Corin etwa wie eine Besessene heult und Carrie mit ihrem abgehackten, tomboyishen Staccato-Gesang dazwischen geht, und natürlich aus dem fast unheimlich präzisen und dabei doch ungeheuer kraftvollen Schlagzeug von Janet Weiss, das alles zusammenhält." Auf Soundcloud gibt es eine Vorab-Hörprobe:


Außerdem gaben Kraftwerk das zweite ihrer acht Katalog-Konzerte in Berlin. Diesmal stand "Radio-Aktivität" samt Greatest-Hits-Medley auf dem Programm. Carmen Böker (Berliner Zeitung) fühlte sich dabei behaglich "in die kuschlige Retromoderne à la "Raumpatrouille Orion" eingebettet." Im Tagesspiegel berichtet Lorenz Maroldt von dem Multimedia-3D-Abend, als sei er ein Drogentrip gewesen: Er durchlebte einen "Rausch von Bildern, Tönen, Zahlen, Licht, Klang, Rhythmen, Geräuschen und Farben, der sich weit entfernt von dem, was 1975 "Scheibe" genannt worden war und sich auch erhebt über den mp3-Remix von 2009. Pure Energie." Für die Welt hat sich Michael Pilz mit Kraftwerk-Gründer Ralf Hütter getroffen. Außerdem hat der Tagesspiegel aus diesem Anlass einen bereits 2012 veröffentlichen Essay von Diedrich Diederichsen über Kraftwerk, Pop und Musealisierung wieder online gestellt. Hier ein Ausschnitt aus Berlin:



Jonas Engelmann (taz) ist ganz verliebt in den von Klezmer und Ska grundierten Post-Punk der New Yorker Band The World/Inferno Friendship Society, die ihrerseits ganz in den Glam der Bohème der Weimarer Republik verliebt ist. Deren neues Album "ist Ausblick, Innehalten und Manifest in einem: ein Plädoyer fürs Weitermachen selbst unter widrigsten Bedingungen und ein Appell, das Autonome Jugendzentrum und den Anarchismus, die radikale Geste und die Revolte stets dem behaglichen Leben in der Hochkultur vorzuziehen." Hier gibt es Hörproben.

Jonathan Fischer (SZ) porträtiert den Musiker Johannes Schleiermacher. Besprochen werden neue Alben von Olli Schulz (Freitag) und dem tunesischen Oud-Virtuosen Anouar Brahem (NZZ) sowie neue Klavieraufnahmen von Herbert Schuch (SZ).
Archiv: Musik

Film



Ist Oliver Megaton, dessen "Taken 3" mit Liam Neeson gerade ins Kino kommt, tatsächlich so ein mieser Actionregisseur, wie viele (etwa Thomas Groh in seiner Perlentaucher-Kritik zu "Taken 2") behaupten? Lukas Foerster kommt dem arg gescholtenen Mann im Perlentaucher zur Hilfe: In einem Actionfilm gehe es nämlich gar nicht so sehr um "handwerklich korrekte Durchführung. Sondern es geht darum, welche Energien die Action freisetzt. Und was die Action um sich herum ermöglicht. Es geht auch um einen Modus der Wahrnehmung: Ein guter Actionfilm hilft dabei, die Welt als eine Ansammlung von Attraktionen zu begreifen. Und wenn die Autoverfolgungsjagd in diesem Fall nichts taugt, kann man sich umso mehr an jenen Szenen früh im Film erfreuen, in denen Liam Neeson nicht mit seiner Familie beziehungsweise mit kriminellen Schießbudenfiguren interagiert, sondern mit einem gigantischen Plüschpanda."

In der taz freut sich Barbara Schweizerhof auf eine alkoholselige Golden-Globes-Verleihung am kommenden Sonntag. Der Tages-Anzeiger meldet, dass der aus Hitchcocks "Die Vögel" bekannte Schauspieler Rod Taylor gestorben ist. Besprochen werden Frederick Wisemans "National Gallery" (Perlentaucher), Paolo Virzis "Die süße Gier" (Tagesspiegel, Filmosophie, Welt), Max Linz" "Ich will mich nicht künstlich aufregen" (Spex, mehr), Costa-Gavras" "Le Capital" (Tagesspiegel) und die Indiekomödie "St. Vincent" mit Bill Murray (SZ).
Archiv: Film

Literatur

Nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo hat Michel Houellebecq sämtliche Werbeveranstaltungen für seinen am selben Tag erschienenen Roman "Soumission" abgesagt, meldet buchreport.

Besprochen werden unter anderem Jürgen Ploogs Roman "Nächte in Amnesien" (NZZ) und Louis Begleys Krimi "Zeig Dich, Mörder" (FAZ, mehr).
Archiv: Literatur

Kunst

Die 1925 in Beirut geborene Künstlerin Etel Adnan lässt sich nicht festlegen: als Tochter einer griechisch-orthodoxen Mutter und eines syrischen Muslimen umfasst ihr Werk Lyrik, Malerei, Experimentalfilme und Tapisserien. Im Salzburger Museum der Moderne ist ihr zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit changierendes bildnerisches Werk nun zu entdecken, freut sich Gerhard Dorfi im Standard: "Farben generell sind für Adnan unschuldige Materialien, meist direkt aus der Tube mit einer Spachtel aufgetragen, ein Sinnbild für die Liebe zur Welt und zum Leben. Die Natur ist so nicht nur Rückzugsort, sondern die Antithese zur grausamen Realität der Kriege. Wichtig ist ihr nicht das Sujet, denn nur das Licht erhellt unser Leben. Daraus kann man Hoffnung schöpfen - und das darf man auch politisch deuten." (Bild: Ohne Titel, 1972-1975)

Weiteres: Im Tages-Anzeiger berichtet Daniele Muscionico von der Photo 15, der Schau für Schweizer Fotografie in Zürich, die in diesem Jahr zum zehnten Mal stattfindet, und stellt fest: "Die Photo 15 hat ihre Street Credibility und den Garagen-Charme gegen die Chuzpe der Großwerber eingetauscht."
Archiv: Kunst

Design

Peter Richter (SZ) besucht die Ausstellung über die Geschichte des Werkzeugs im New Yorker Cooper Hewitt Museum.
Archiv: Design
Stichwörter: Werkzeug