Golo Maurer

Heimreisen

Goethe, Italien und die Suche der Deutschen nach sich selbst
Cover: Heimreisen
Rowohlt Verlag, Hamburg 2021
ISBN 9783498001483
Gebunden, 544 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Goethes "Italienische Reise" ist ein Schlüsselwerk der Weimarer Klassik - Flucht aus der Midlife-Crisis, Aufbruch in die Welt, Bildungsreise in die Antike, Selbstverortung des großen deutschen Dichters. Sie ist aber auch der Beginn einer bürgerlichen Tradition: Goethes Bericht nährte eine Rom- und Italienbegeisterung unter deutschen und europäischen Intellektuellen, die bis heute anhält. Golo Maurer zeigt, wie ebenjene Selbsterfahrung Goethes in Italien für die Generationen nach ihm zum Vorbild wurde. Karl Friedrich Schinkel reiste im frühen, Richard Wagner im späten 19. Jahrhundert nach Italien, die Brüder Mann, Walter Benjamin, Sigmund Freud, der sich einen "Italienpilger" nannte - Goethe hatte ihnen die Messlatte gesetzt: "Dem denkenden und fühlenden Menschen geht ein neues Leben, ein neuer Sinn auf, wenn er diesen Ort betritt." Maurer macht in seinem Buch deutlich: Goethes Italienreise war der erste deutsche Selbstfindungstrip - und als solcher für die Nachgeborenen ästhetischer Topos wie autobiografische Herausforderung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.03.2022

Rezensent Thomas Steinfeld hat nichts einzuwenden gegen die Italieneuphorie des Kunstgeschichtlers Golo Maurer. Wie Maurer Goethes Italiensehnsucht ausdeutet, findet er allerdings nicht einwandfrei. Maurers "Neuerzählung" der "Italienischen Reise" als Selbstheilung und Verwandlung des Geheimrats im Süden krankt laut Steinfeld an allzu "kühnen Vorstellungen", etwa wenn der Autor von Goethes "Midlife Crisis" spricht und dem Dichter ein "verfehltes Leben" attestiert. Wenn Maurer gegen Ende des Buches mit Italien verbundene Lebensläufe von Curtius bis Brinkmann präsentiert und sie quasi unter Goethe-Tourismus subsumiert, hat Steinfeld so seine Zweifel.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.12.2021

Ein "kenntnisreiches und auf Detailwissen basierendes Buch" hat Golo Maurer hier über die Italienreise Goethes, samt Vor- und Nachgeschichte, verfasst, lobt Rezensent Michael Opitz. Er lernt, dass Goethe erst der dritte Reiseversuch gelang, warum er überhaupt nach Italien reisen wollte und was das kostete. Seine Zeitgenossen konnten Goethes Italienbegeisterung offenbar nicht so recht teilen, heute ist das sicher anders. Exzellente Lektüre bis zur nächsten eigenen Italienreise, meint Opitz.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.10.2021

Rezensent Alexander Cammann lässt auf seinen Spaziergang mit Golo Maurer durch Rom eine hymnische Besprechung von dessen neuem Buch "Heimreise" folgen. Es führt den Kritiker abermals durch Italien, den Stationen von Goethes "Italienischer Reise" folgend, die die Italiensehnsucht der Deutschen bis heute prägt, wie der Autor schreibt. Cammann schwelgt in den zwei "glänzend" erzählten Teilen des Buches: Zunächst begegnet er an Goethes Seite dem Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, reist mit Goethe und dem Zeichner Heinrich Christoph Kniep nach Sizilien oder verweilt mit Goethe zeichnend vor den antiken Stätten Roms. Dann begleitet er Gelehrte, Literaten und Normalbürger, die die Italienische Reise im Gepäck das Land erkundeten und erinnert sich an jene, die sich gleich ganz niederließen, Ingeborg Bachmann etwa. Über die mit Ironie gewürzte Erzählkunst des Kunsthistorikers Maurer kann Cammann ebenfalls nur staunen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.09.2021

Rezensent Clemens Klünemann schätzt Golo Maurers Revision der Goethe'schen Italienbegeisterung, die für die Deutschen identitätsbildend wurde. Unterhaltsam und mit immer neuen Entdeckungen arbeite Maurer heraus, wie sich unter der Italienschwärmerei, die eigentlich im Gegensatz zum "nationalistischen Schwulst" unter Bismarck stand, so Klünemann, eben doch auch Tendenzen zu "deutscher Überheblichkeit" und manchmal sogar ein Liebäugeln mit dem Faschismus verbirgt. Über diese Abgründe, die Maurer lobenswerterweise aufzeige, trage aber sein "leichtflüssiger", manchmal lakonischer Stil hinweg, lobt Klünemann - für den Kritiker eine vergnügliche Lektüre.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.09.2021

Rezensent Clemens Klünemann schaut mit Golo Maurer auf die Folgen von Goethes Italienreise für die Mentalität der Nachgeborenen. Über die Italiensehnsucht der Deutschen, verstanden als Flucht und Ausdruck einer Unerlöstheit, berichtet ihm der Autor mit Humor und Sachkenntnis, etwa anhand eines Vergleichs von Goethes Tagebüchern und der späteren Druckfassung der "Italienreise" oder anhand von Herders ungleich abgründigerer Italienerfahrung. Maurer führt den Rezensenten sogar noch weiter - bis zu den kolonialen Denkweisen bildungsbürgerlicher Goethefollower und bis zum "Flirt mit dem Faschismus". Dass der Autor seine Darstellung trotz allem nicht teleologisch zuspitzt und dem Leser seine eigene, gern auch erquickliche Italiensehnsucht- und erfahrung zugesteht, findet Klünemann sympathisch.