Wolfgang Benz

Was ist Antisemitismus?

Cover: Was ist Antisemitismus?
C.H. Beck Verlag, München 2004
ISBN 9783406522123
Gebunden, 256 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Gibt es einen neuen Antisemitismus in Deutschland und Europa? Wieviel Israelkritik ist hierzulande erlaubt? Agitiert die islamistische Propaganda mit rassistischen Feindbildern gegen Juden, wie es früher die Nationalsozialisten taten? Und vor allem: Was genau ist Antisemitismus überhaupt? In der Beantwortung dieser Fragen geht Wolfgang Benz ganz und gar nicht akademisch vor, sondern analysiert konkrete Vorfälle wie etwa die Affäre Hohmann, den Streit um Jürgen Möllemann oder auch die zahlreichen Briefe, die in den letzten Jahren beim Zentralrat der Juden in Deutschland eingegangen sind. Im Vordergrund steht nicht der plumpe und offenkundige Antisemitismus, wie er etwa in Friedhofsschändungen oder Hetzparolen zum Ausdruck kommt, sondern vielmehr jene häufig anzutreffende Haltung, die jede Judenfeindschaft empört von sich weist und dabei zugleich geprägt ist von antisemitischen Stereotypen, Klischees und Geschichtsklitterungen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.05.2005

Martin Forberg bespricht mehrere Bücher zum Thema Antisemitismus in Europa und in islamischen Ländern. Den Band von Wolfgang Benz, der antisemitischen Strömungen in Deutschland untersucht, lobt der Rezensent für den Nachweis der Dauerhaftigkeit "antijüdischer Muster". Benz zeige, dass zum Beispiel die christlich geprägte Vorstellung von einer jüdischen "Weltverschwörung" bereits in der frühen Neuzeit auftrat, also lange bevor sich Antisemitismus als "moderne" Variante im 19. Jahrhundert als "rassistischer Antisemitismus" verbreitete. Benz' Untersuchung der Zuschriften an den Zentralrat der Juden in Deutschland von heute macht für Forberg zudem deutlich, dass Antisemitismus als "stilles Einverständnis" einer "Mehrheit über die Minderheit" immer noch vorhanden ist.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2005

Auch oder vielleicht gerade in Deutschland kursierten seit einigen Jahren antisemitische Klischees mit einer neuen Unbekümmertheit, meint Rezensent Christoph Jahr. Deshalb findet er dieses Buch begrüßenswert, das der Frage nachgeht, was Antisemitismus eigentlich ist. Der Autor Wolfgang Benz, Direktor des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung, unterscheide vier Formen der Judenfeindschaft: christlichen Antijudaismus, anthropologisch-biologistischen Rassenantisemitismus, "sekundären" Antisemitismus und einen linken, Israel-kritischen Antizionismus, wobei diese sich oft mischenden Formen latent, manifest oder gewalttätig auftreten können. Benz' Darlegung der Funktionsweise antisemitischer Argumentation lobt Jahr als "engagiert und anschaulich". Der Autor analysiert Briefe an den Zentralrat der Juden in Deutschland sowie Reden von Politikern, Künstlern und Intellektuellen, um die zugrundeliegenden antisemitischen Muster und Stereotypien aufzudecken. "Angenehm" findet Jahr, dass Benz dabei auf "professorale Belehrungsversuche" verzichtet. Eine gewisse Ratlosigkeit bleibt beim Rezensenten allerdings zurück, hätte er doch gern erfahren, welche praktischen Konsequenzen aus den gewonnenen Einsichten zu ziehen wären.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.02.2005

Überzeugend findet Rezensent Micha Brumlik diese "anschaulich geschriebene" Studie über den Antisemitismus des renommierten Historikers und Leiters des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung Wolfgang Benz. Er würdigt die "profunde Kennerschaft" des Autors sowie seinen "unaufgeregten, gelassenen Ton". Benz nähere sich der Thematik über die Analyse von bundesrepublikanischen Alltagsphänomenen, Briefen an den Zentralrat der Juden in Deutschland etwa oder Äußerungen nicht nur von Provinzpolitikern, um daraus Jahrhunderte alte Ressentiments, Vorurteile und Deutungsmuster herauszupräparieren. In zwei historischen Kapitel zum christlichen Antijudaismus und zum Rassismus verdeutliche Benz dann Hintergrund und Herkunft dieser menschenfeindlichen Haltung. Wichtig scheint Brumlik Benz' Kernaussage, der Antisemitismus erfülle in all seinen Formen auch eine politische Funktion, nämlich zwischen der Mitte der Gesellschaft und ihrem rechten Rand, mehr noch dem Rechtsextremismus zu vermitteln. Bei allem Lob macht Brumlik auch auf Spuren einer "gewissen Hast" aufmerksam. So wolle der Autor im Eingangskapitel vier Grundphänomene analytisch unterscheiden: erstens den christlichen Antijudaismus, zweitens den biologistischen Rassenantisemitismus, drittens den aktuellen Antisemitismus nach dem Holocaust und viertens den. . .? Hier werde Leser trotz wiederholtem Vor- und Zurückblättern nicht fündig. Das Thema Ende nehme Benz erst am Ende des Buches auf, wenn es um die Hass- und Vernichtungsphantasien des radikalen Islamismus im Blick die Juden geht. Nichtsdestoweniger kann Brumlik das Buch allen, die sich mit diesem Thema befassen, nur empfehlen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.10.2004

Sehr interessiert zeigt sich der Rezensent Hans Mommsen von der Bilanz, die Wolfgang Benz, langjähriger Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung, über die institutseigene Vorurteilsforschung vorlegt. Aus mehreren Quellen und Untersuchungen zeichne Benz ein "geschlossenes und zugleich vielseitiges Syndrom der Judenfeindschaft, das von unreflektierten antisemitischen Anspielungen bis zu unverhüllten Vernichtungsforderungen reicht". Die Quellen sind laut Mommsen: die Analyse von Zuschriften, die von 2000 bis 2003 beim Zentralrat der Juden eingingen; eine Darstellung der historischen Ursprünge des Judenbildes; Umfragen über Ausbreitung und Virulenz der Antisemitismus in Deutschland und Europa; und nicht zuletzt die Aufbereitung der Fälle Möllemann und Hohmann. Daraus ergibt sich für Mommsen "ein eher deprimierendes Bild". In der Tat zeige Benz, dass der Antisemitismus als "Prototyp des sozialen und politischen Ressentiments" ein "schwer veränderbares Kontinuum" sei, "das jederzeit aktiviert werden kann". Zu diesem unheilsschwangeren Schluss bemerkt der Rezensent allerdings, dass von tradierten Vorurteilen zu "aktiver Judengegnerschaft" ein Paradigmensprung stattfindet - eine Tatsache, die erlaube, vom düsteren Bild, das Benz zeichnet, "einige Abstriche" zu machen.