Clemens J. Setz

Monde vor der Landung

Roman
Cover: Monde vor der Landung
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431092
Gebunden, 528 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Worms, Anfang der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Peter Bender, ehemals Fliegerleutnant des Deutschen Heeres, macht sich als Gründer einer neuen Religionsgemeinschaft und mit der Proklamation der sogenannten Hohlwelt-Theorie einen Namen: Die Menschheit, so diese Theorie, lebe nicht auf, sondern in einer Kugel, außerhalb derselben existiere nichts. Benders Gemeinde bleibt überschaubar, dennoch wird er wegen der Verbreitung aufwieglerischer und gotteslästerlicher Flugschriften zu einer mehrmonatigen Kerkerhaft verurteilt. Als sich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten herumspricht, dass seine Frau Jüdin ist, wenden sich selbst seine engsten Gefolgsleute von ihm ab. Die Benders verarmen, die Repressionen gegen seine Frau werden bald unerträglich, bis die Familie 1942 verhaftet und deportiert wird. Nur der Sohn überlebt das Konzentrationslager.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.03.2023

Clemens J. Setz schenkt uns einen "monumentalen" Roman mit deutlichem Bezug zur Gegenwart, aber ohne den "diskurstheoretischen Überbau" des jüngsten Zeh-Romans, freut sich Rezensent Florian Eichel. Setz hat gründlich recherchiert, (sogar eine Rechercheagentur beauftragt, die gleiche wie Juli Zeh und Simon Urban, erfahren wir), seinen Roman mit Faksimiles der originalen Dokumente angereichert, um die Geschichte von Peter Bender zu erzählen, der seine Kameraden im Ersten Weltkrieg noch mit Anekdoten aus dem Weltall belustigte, sich bald aber in der Verschwörungstheorie der Hohlwelttheorie verirrte. Selbst den Holocaustdeportationen begegnet Bender zunächst noch mit "Humor" - bis er, als geisteskrank geltend, ebenso wie seine jüdische Frau Charlotte ins KZ deportiert und dort umgebracht wird. Dass Setz seinen Helden bei aller Lächerlichkeit durchaus würdevoll zeichnet, rechnet ihm Eichel hoch an. Vor allem aber verdankt er dem Roman die Erkenntnis, dass nicht zwingend von den "Irrenden" eine Gefahr ausgeht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 28.02.2023

Eine ausführliche Besprechung widmet Rezensentin Wiebke Porombka dem neuen Roman des Büchner-Preisträgers Clemens Setz, der sie zum Schwärmen bringt: Literatur als Möglichkeit, die Welt mit anderen Augen zu sehen, kennt und bewundert sie bei dem Autor auch bei seinen anderen, wenngleich noch mit etwas mehr Sprachvirtuosität ausgestatteten Bücher. In "Monde vor der Landung" zeigt sich für sie mit der Geschichte um Peter Bender, der historisch existiert und die Hohlwelttheorie propagiert hat, wieder eine Begeisterung für Abseitiges: So werden Radiowellen als Beweis dafür herangezogen, dass sich das menschliche Leben im Inneren der Erdkugel abspielt, der Protagonist erlebt ein Kriegstrauma und geht seiner jüdischen Ehefrau notorisch fremd, beide sterben 1944 letztlich in verschiedenen Konzentrationslagern. Auch wenn die Kritikerin nicht genau absehen kann, was bei Setz dem Quellenstudium und was der Fantasie entspringt, lässt sie sich von ihm gerne in abwegige Welten mitnehmen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.02.2023

Geradezu wahnhaft scheint dem Rezensenten Andreas Platthaus der neue Roman von Clemens J. Setz: Es geht um Peter Bender, einen Anhänger der Hohlwelttheorie, die besagt, dass die Menschen eigentlich innerhalb der Erdkugel leben und es gar keinen Himmel, sondern nur die Illusion dessen gibt. Diesen Peter Bender hat es wirklich gegeben, weiß der Kritiker, er hat seine Überzeugungen 1944 im KZ mit dem Leben bezahlt. Setz orientiert sich bei seinen gelungenen fantastischen Schilderungen eng an den Quellen, lobt er, ihm fehlt aber eine ironische Brechung, die Distanz zum Protagonisten schaffen würde. So bleibt "Monde vor der Landung" für Platthaus zu sehr dem "staunenden Zeigegestus" verhaftet.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.02.2023


Rezensent Tobias Rüther ist Clemens J. Setz sehr dankbar, auch in seinem neuen Roman daran zu erinnern, dass es die Literatur gibt, damit auch "Spinner und Kaputniks" eine Stimme haben. Inwieweit das Eingeständnis von Setz, selbst an Außerirdische zu glauben, in der wahren Geschichte des Peter Bender eine Rolle spielt, lässt Rüther offen. Stattdessen lobt er die Neugierde des Autors, die er als "Zärtlichkeit" gegenüber seinem Protagonisten und "freundlicher Kälte" gegenüber herrschenden gesellschaftlichen Normen beschreibt. Dass intendiert ist, den Roman als Parabel auf die Querdenker der Pandemie zu lesen, schließt Rüther aus, weil Setz bereits vor zwölf Jahren angefangen habe, die Theorie einer hohlen Welt und das Schicksal Benders und seiner Familie zu recherchieren. Wie "im Rausch" hat Rüther die fünfhundert Seiten gelesen, fühlte sich zuweilen ein bisschen "benebelt", letztlich aber sehr berührt über die mit Witz literarisierte Vorlage, denn Setz ist für den Rezensenten ein "großer Humanist". 

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.02.2023

Auch mit seinem neuen Roman ist Clemens J. Setz seiner Zeit voraus, schwärmt Rezensentin Judith von Sternburg. Die wahre Begebenheit, auf die sich der Büchner-Preisträger stütze, sei dabei einerseits ein Glücksfall, andererseits sei es äußerst erhellend, was Setz in seiner literarischen Bearbeitung für das Verständnis deutscher Geschichte geschaffen habe, schreibt von Sternburg. Es geht um den 1893 geborenen Peter Bender, dessen verquere Weltanschauung darin mündete zu glauben, er könne Immanuel Kant widerlegen und die Erde sei ein innen von Menschen bewohnter Hohlkörper. Das Grandiose an dem Roman ist aber, schreibt die begeisterte Rezensentin, wie zärtlich sich Setz mit diesem Hohlkopf auseinandersetze und es geschafft habe, diese Zärtlichkeit auf die Leser zu übertragen. Bei aller Durchgeknalltheit und Egozentrik sei Bender für Setz kein Böser, sondern ein Mensch. Genau diese Botschaft macht den Roman für die Rezensentin - wider allen Groll auf die Querdenker unserer Tage - so prophetisch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.02.2023

Nele Pollatschek ringt spürbar mit dem neuen Buch von Clemens J. Setz, dem man so vieles durchgehen lässt, weil er einfach so ein "sauguter" Autor ist, wie die Kritikerin schreibt. Und ja, auch das neue Buch ist "genial", vereint es doch alle bekannten Setz-Zutaten: Eigenartigkeit, "Exzentrik und existenzielle Einsamkeit, Sex und Ziegen" - zudem ist es spannend und vergnüglich geschrieben, und doch kein Midcult, versichert die Kritikerin. So liest Pollatschek zunächst gebannt die Geschichte um Peter Bender, den real existierenden Verfechter der Hohlwelt-Theorie und bangt mit Bender und seiner jüdischen Frau Charlotte bis zum Schluss ums Überleben. Und genau dort macht Pollatschek das Problem des Buches aus, das vom Verlag als Roman und eben nicht als "literarisierte Recherche" verkauft wird: Dass Bender in Mauthausen, Charlotte in Auschwitz ermordet wurde, erfährt die Rezensentin erst auf den letzten Seiten. Zuvor liest sie von Hohlwelt, Sex, Geld und Geniekult, dabei spickt Setz seinen Text immer wieder mit dokumentarischen Zeugnissen, um die Authentizität der Ereignisse zu belegen. Die Spannung lässt es sich dabei von den "Nazis schenken", ärgert sich die Kritikerin, die sich nach der Lektüre, von Setz zu diesem unanständigen Genuss verführt, erstmal "gründlich waschen" will. Technisch ist das sicher brillant, richtig ist es nicht, schließt Pollatschek.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.02.2023

Carsten Otte ist hellauf begeistert von Clemens Setz' neuem Roman "Monde vor der Landung": Die Geschichte widmet sich Peter Bender, der real existiert hat, der nach traumatischen Kriegserfahrungen im Ersten Weltkrieg seine Krankenschwester heiratet und immer obskurere Ideen besonders zur Planetenkonstellation verfolgt, bis er letztlich im KZ ermordet wird. Dem Kritiker gefällt, wie der Autor diese verschwörungstheoretische Ebene mit dem Eheleben verknüpft, das nicht immer ganz rund läuft, und mit Fragen, die uns auch heute noch beschäftigen, wie zum Beispiel danach, wann bei verrückten Ideen Gefahr droht, wann sie zur schädlichen Ideologie werden. Eine großartige Schreib- und Erzählleistung, findet Otte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.02.2023

Hochgradig aktuell ist der neue Roman von Clemens J. Setz, in dem es um den real existierenden Anhänger einer hundert Jahre alten Verschwörungstheorie geht, findet Rezensent Paul Jandl. Mit der "Theorie der hohlen Welt", versuchte der bei Worms geborene Peter Bender damals seine Zeitgenossen davon zu überzeugen, dass alles ganz anders ist als sie denken, genau wie es auch die heutigen Querdenker im Sinn haben. Mehr oder weniger chronologisch wird dessen Lebensgeschichte erzählt, dabei verurteilt Setz nicht, sondern geht beobachtend und deskriptiv vor, lobt der Kritiker. Die Hauptfigur lässt Setz zwischen wahnsinnigen Ideen, heftigem Eigensinn und "trottelhafter Sehnsucht"changieren, schreibt Jandl: Bender werde bei Setz zum "poetischen Natureignis". Einen bedeutenden Unterschied gibt es jedoch zwischen Bender und den heutigen Schwurblern, hebt der Rezensent hervor: Während die antisemitischen Verschwörungstheorien der Nazis sich heute noch in den absurden Erzählungen vom deep state widerspiegeln, stellten sie für Bender keine annehmbare Alternative zur Wirklichkeit dar. Weil er die kritisierte, wurde er ins KZ Mauthausen deportiert und 1944 dort ermordet, informiert uns Jandl.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 04.02.2023

Von der Virtuosität von Clemens Setz' neuesten Roman ist Richard Kämmerlings restlos überzeugt: Die Geschichte dreht sich um den historisch realen Peter Bender, 1944 in Mauthausen ermordet, der die Hohlwelttheorie vertrat. Diese, so der Rezensent, ist überzeugt, dass sich das wahre irdische Leben innerhalb des Planeten abspielt, eine verrückte Wahrnehmung, die sich mit dem poetisch individuellen Verfahren des Autors wunderbar deckt. Imaginativ sei diese Geschichte, die sich über den ersten Weltkrieg bis zur Nazizeit erstreckt und auch Bezüge zur Gegenwart unternehme. Traurig und hoffnungsspendend zugleich, resümiert Kämmerling.