Ivan Nagel

Gemälde und Drama

Giotto, Masaccio, Leonardo
Cover: Gemälde und Drama
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783518421260
Gebunden, 350 Seiten, 48,80 EUR

Klappentext

Über Jahrhunderte, von 1300 bis 1800, war die Leitgattung der europäischen Malerei das Historiengemälde. Götter, Helden, Menschen aus heidnischer, jüdischer, christlicher Sage wurden ins Bild geholt. Ivan Nagel zeigt den Aufstieg des neuen Historienbildes von 1300 bis 1500. In einem weit verbreiteten Vorurteil sah man Giottos, Masaccios und Leonardos Werke als "erzählende Bilder". Ivan Nagel zeigt indessen, daß sie ihr präsentisches Aufleuchten einer Handlung nicht mit dem Epos oder dem Roman teilen, sondern mit dem Drama, das sie, lange vor dem Theater, erneuern. Der Autor zeigt, wie Giotto und Dante gemeinsam die Kunst als sichtbares Sprechen, "visibile parlare", als Dialog der Gesten, Mienen und Blicke entdecken; wie Giotto seinen lebenslangen Helden Franz von Assisi erst als aufrührerischen Lebensreformer, dann als kanonisierten Wundertäter, schließlich als modernen Menschen autonomer Entschlüsse in diesen Bilddialogen spiegelt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.03.2010

Zeigt sich Axel Christoph Gampp zunächst freudig überrascht von Ivan Nagels Buch über die frühe Renaissance-Malerei, wird seine Begeisterung doch zunehmend getrübt. Der Rezensent findet es bemerkenswert, wie kompetent und kenntnisreich sich der Theaterwissenschaftler und -intendant mit kunstgeschichtlichen Themen auseinandersetzt, und die "persönliche" Reflexionsebene, mit der Nagel sein Buch unterlegt, machen für den Rezensenten dessen Originalität und Reiz aus. Es geht dem Autor dabei um die Entstehung des Historienbildes aus dem Drama in der Renaissance, erklärt der Rezensent. Folgt man dem Autor, dann setzt Giotto auf seinen Fresken den heiligen Franziskus in Szene, während sich Masaccio selbst als Künstler inszeniert und Leonardo bei seinem "Letzten Abendmahl" das "menschliche Drama schlechthin" ins Bild setzt, hält Gampp fest. Allerdings will ihm Nagels Darstellung zunehmend selbst als theaterhafte Inszenierung scheinen, und er erfährt dabei mehr von den "Dramatis Personae", als ihm lieb ist, wenn der Autor über die Homosexualität von Brunelleschi oder Donatello und deren künstlerischen Ausdruck spekuliert. Die Schmähung der Kunstgeschichte als "tumb und veraltet" findet er dabei umso ungerechtfertigter, als sich Nagel ganz offensichtlich nicht mit der Forschung der letzten zehn Jahre auseinandergesetzt hat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.01.2010

Kritisch geht Rezensent Till Briegleb mit Ivan Nagels Buch "Gemälde und Drama" ins Gericht. Dabei hat er an der Hauptthese des großen Theatermanns und emeritierten Professors für Geschichte und Ästhetik, die Werke von Giotto, Masaccio und Leonardo seien mit der dramatischen Kunst, dem Theater verwandt und nicht mit kunsthistorischen Begriffen wie "Bilderzählung", "Narration" oder "Historie" angemessen zu erfassen, gar nichts auszusetzen. Was ihn stört, ist vielmehr die "herablassende Sprache" des Autors sowie seine Tendenz zu einseitigen Wertungen. Der Eifer und die Aggressivität, mit der Nagel Künstler brandmarkt, die nicht seinen Vorstellungen von künstlerischer Unabhängigkeit gegenüber der Macht entsprechen, hat bei Briegleb immer wieder Befremden und Unbehagen ausgelöst. Er hätte sich mehr Gelassenheit in der Beschreibung der komplexen und ambivalenten Beziehungen zwischen Auftraggeber und Künstler gewünscht. Die meisten Thesen in diesem Buch scheinen ihm "halb krude und halb interessant", krude, weil sie nur plausibel sind, indem sie andere wichtige Aspekte ausblenden, interessant, weil sie - zumindest den Rezensenten - permanent zum Widerspruch reizen. Ein Standardwerk, wie manche meinen, ist das Buch nach Ansicht von Briegleb aber mit Sicherheit nicht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.11.2009

Sehr eindrücklich hat sich Arno Widmann von Ivan Nagels Buch vor Augen führen lassen, dass Historienmalerei eine dramatische Kunst und somit mit dem Theater eng verwandt ist. Der Autor, der, wie Widmann noch einmal ins Gedächtnis ruft, zu den einflussreichsten Nachkriegsdramaturgen und -Intendanten der Bundesrepublik zählte, untersucht und interpretiert die Historienmalerei von Giotto bis Leonardo da Vinci und kann dabei überzeugend zeigen, dass das Geschichtenerzählen in Bildern ganz wie das Drama eine Zuspitzung erfährt, die vom Betrachter eine Identifizierung mit dem Geschehen fordert. Und wer wissen will, wie diese Bilder ihre Betrachter erreichen, der sollte unbedingt Nagels Buch lesen, betont der Rezensent.