Ernst Klee

Deutsche Medizin im Dritten Reich

Karrieren vor und nach 1945
Cover: Deutsche Medizin im Dritten Reich
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783100393104
Gebunden, 416 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

In seinem neuen Buch beschreibt Ernst Klee unbekannte Medizin-Verbrechen in der NS-Zeit, wie sie zustande kamen und nach 1945 vertuscht wurden. Im Zentrum stehen Mediziner, die zum größten Teil nach 1945 ihre Karrieren unbehindert hatten fortsetzen können. Es geht um die Geschichte der Rassenhygiene bis hin zu ihren letzten praktischen Konsequenzen in den Mordanstalten Hadamar, Auschwitz, Treblinka etc. In diesem "Lehrbuch" der NS-Vernichtungsmedizin mit Kapiteln über Psychiatrie, Hirnforschung, Röntgenverfolgung, Blutgruppenforschung usw. berichtet Ernst Klee von bisher unbekannten Medizinverbrechen und -verbrechern, einschließlich deren Nachkriegskarrieren. Er dokumentiert den Stand der genetischen Forschung im NS-Staat bis zu Mengeles Experimenten in Auschwitz. Nach 1945 ging die Geschichte weiter.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.05.2002

Udo Benzenhöfer tut es nicht gerne, aber er sieht sich genötigt, dieses "unzweifelhaft lobenswerte" Buch über die Verbrechen der deutschen Medizin im Dritten Reich und deren Vertuschung nach dem Krieg zu kritisieren. Zunächst stört ihn, dass der Studie ein "systematischer Aufbau" fehlt und so heterogene Themen wie "Rassenhygiene", "NS-Medizin" und der Werdegang von Ärzten nach dem Krieg einfach nebeneinander gestellt werden. Zudem werde trotz "zahlreicher neuer Detailinformationen", die der Rezensent durchaus würdigt, zu viel lediglich "angedeutet", moniert Benzenhöfer. Dass dann auch noch "Ungenauigkeiten und Fehler" zu finden sind, bedauert der Rezensent nachdrücklich, und das um so mehr, als er findet, ein Buch über die Medizin im Dritten Reich gehöre in jede "zeitgeschichtliche Bibliothek".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.10.2001

Diese Recherche über "Medizinverbrechen des Dritten Reichs" beschäftigt sich mit der "gesamten Sphäre der Biowissenschaften", schreibt Angelika Ebbinghaus. Der Autor zeige, wie sich "Rassenhygiene, Sozialdarwinismus und Genetik miteinander verbanden" und die "erbbedingte Ungleichheit der Menschen" festgeschrieben wurde. Daraus leitete die NS-Ideologie später ihre Auffassung von "Minderwertigen und Artfremden" ab. Klees Fazit beschreibt die Rezensentin so: "Nicht der Nazismus machte sich die Biowissenschaften untertan, sondern die Biowissenschaftler haben sich die NS-Diktatur dienstbar gemacht." Hauptsächlich widme sich Klee den verantwortlichen Forschern wie Julius Hallervorden und Eugen Fischer. Diese hätten sich die "Forschungsaufträge der Wehrmacht" zunutze gemacht, um ihr eigenes wissenschaftliches Interesse zu verfolgen. Nach Kriegsende hätten die Gelehrten ihren "großen Zeiten" nachgetrauert und ansonsten "beharrlich geschwiegen". Ebbinghaus ist außerordentlich beeindruckt von dieser Studie und lobt den Autor dafür, dass er "einen weiteren großen Karteikasten mit immens wichtigen Fakten über mörderische Täter und Institutionen aufbereitet" hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.10.2001

In seiner Rezension spart Michael H. Kater weder an Lob noch an Kritik. In dem Buch, in dem es um die Verwicklungen zwischen NS-Medizin und der Medizin von BRD und DDR gehe, zeige der Autor "aufs Eindrucksvollste", wo diese Übergänge zu finden seien. Die Fülle der Beispiele und die Erkenntnisse, die Ernst Klee bietet, findet Kater durchaus beeindruckend. Doch leidet das Buch seiner Ansicht nach darunter, dass es auf ein möglichst großes Publikum zugeschnitten sei. Der Stil sei teilweise "sensationalistisch", die Hintergründe von Weimarer Republik und Drittem Reich und die Wissenschaftsgeschichte nur mangelhaft interpretiert, und zudem habe der Autor einen großen Teil der wichtigen Fachliteratur vernachlässigt, bemängelt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2001

Ziemlich beeindruckt zeigt sich Rudolf Walther von diesem Buch über Karrieren deutscher Medizinern zur Nazizeit. Klee untersuche, wie eine Zusammenarbeit mit den Nazis beziehungsweise eine Verweigerung derselben sich auf die Nachkriegskarriere der betreffenden Medizinern auswirkte. Dabei kommt Walther "schon nach wenigen Seiten" zu der Erkenntnis, "dass alles noch schlimmer und abgründiger war, als man bisher wusste". Klee schildert nicht nur Einzelbiografien, wie zum Beispiel der des späteren Bundesverdienstkreuzträgers Heinrich Kraut oder des Vererbungswissenschaftlers Max Ufer, dessen Karriere sich nie wieder von seiner Weigerung, mit den Nazis zusammenzuarbeiten, erholte. Walther gefällt vor allem, dass sich Klee auch "mit der Geschichte jener Strukturen und Institutionen" beschäftigt, "in denen sich diese unglaublichen Geschichten abgespielt haben". Besonders von der deutschen Psychiatrie erfährt man in diesem Buch schlimme Details, und auch die Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist in Walthers Augen haarsträubend.