Leon Blum

Beschwörung der Schatten

Die Affäre Dreyfus
Cover: Beschwörung der Schatten
Berenberg Verlag, Berlin 2005
ISBN 9783937834078
Gebunden, 136 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen und mit einer Einleitung von Joachim Kalka. Als der künftige französische Ministerpräsident, der jüdische Sozialist Leon Blum, 1935 seine Erinnerungen an die Dreyfusaffäre von 1898 niederschrieb, ahnte er, dass er über das Wetterleuchten einer Katastrophe schrieb, die Europa noch bevorstand. Dieses kleine Buch, spannend wie ein Thriller, enthält eine der seltenen intellektuellen Heldengeschichten. Die "Dreyfusards", ein Häufchen von Journalisten, Gelehrten und Politikern, waren nicht darauf gefasst, mit ihrer Kampagne zur Rehabilitierung des als deutscher Spion verurteilten Hauptmanns Dreyfus auf den geballten Widerstand von Militaristen, rechten Populisten und Antisemiten zu stoßen. Die Affäre führte Frankreich an den Rand eines Bürgerkriegs. Aus der Mitte des Orkans stammen diese Erinnerungen eines großartigen Zeitzeugen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.01.2006

Das Buch über die Dreyfus-Affäre von Leon Blum, der sie als junger Richter miterlebt hat, will in der Hauptsache nicht den hinlänglich bekannten politischen Skandal rekapitulieren, sondern ist ein "Erinnerungsbuch", das vor allem ein "Stimmungsbild" der damaligen Zeit festhält, stellt Rudolf Walther fest. Die Aufzeichnungen entstanden als Artikelserie anlässlich des Todes von Alfred Dreyfus 1935 und liegen nun "erstmals" auf Deutsch vor, erklärt der Rezensent. Und so sind es in den Augen der Rezensentin auch die "prägnanten Porträts" der beteiligten Personen, die das Buch zur fesselnden Lektüre machen. Besonders gefällt Walther die Darstellung von Alfred Dreyfus. Ein "Leseereignis der besonderen Art", resümiert er angetan.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.12.2005

Ein "wunderbares Buch" erblickt Horst Günther in Leon Blums (1872-1950) erstmals 1935 erschienenen, nun auf deutsch vorliegenden Erinnerungen an die Affäre Dreyfus, die zu einer innenpolitischen Krise in Frankreich und zu einer Polarisierung des Landes führte. Blum schreibe aus der persönlichen Erinnerung, wie damals die französische Nation geteilt wurde, wie es nur die Religionskriege getan hatten. Günther lässt den Fall Dreyfus ausführlich Revue passieren, schildert den antisemitischen Hintergrund der Affäre und hebt die Leistung der Verteidiger von Dreyfus hervor. Sein Resümee: Blums Erinnerungen gehören in eine "europäische Bibliothek des Erinnerns".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.12.2005

Wirklich "bemerkenswert" findet der Rezensent Daniel Haufler, was Leon Blum 1935 über die Dreyfus-Affäre schrieb, die er selbst miterlebt hatte und bei der er sich für die Rehabilitierung Dreyfus' engagierte. Hingerissen beschreibt der Rezensent, wie "elegant" und "eloquent" der Mitbegründer der sozialistischen Partei Frankreichs seine Beobachtungen und seine politischen Ansichten formuliert. Warum Blum die Affäre, wie sie damals schlicht genannt wurde, unbedingt ins Gedächtnis seiner Zeitgenossen rufen will, darauf findet der Rezensent eine Antwort im Text: "Die jungen Leute heute, selbst die Erwachsenen, sind wie Dreyfus selbst bei der Rückkehr von der Teufelsinsel - sie kennen die Affäre nicht, und vor allem begreifen sie sie nicht." Wie sich ein intellektueller Widerstand zusammenschloss, der sich schließlich gegen Nationalismus und Antisemitismus durchsetzen konnte, dem gilt Blums besondere Aufmerksamkeit, und so werden seine Aufzeichnungen zu einer Art Lehrstück, zur Inspiration für die Zeitgenossen. "Nach wie vor brisant" findet der Rezensent folgende Analyse der Dreyfus-Affäre: "Wenn ein demokratisches Land so tief gesunken ist, dass es ein Verfahren derart manipuliert - dann es kann nur eine starke Zivilgesellschaft retten." Lobende Worte gehen auch an Joachim Kalkas "hervorragende" Übersetzung und seine zum Leseverständnis "unverzichtbaren Anmerkungen".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.12.2005

Hans-Martin Lohmann bedankt sich zunächst einmal bei Joachim Kalka, dass er Leon Blums 1935 verfasste, "luzide" Geschichte der Dreyfus-Affäre "dem Vergessen entrissen" hat, wie er mit einem Hauch Melodramatik schreibt. Was die Schilderung für Lohmann zu einem "höchst lesenswerten zeitgeschichtlichen Dokument" macht, ist vor allem die persönliche Perspektive des späteren Ministerpräsidenten Blum, für den der Skandal um den jüdischen Hauptmann die intellektuelle und politische Initialzündung bedeutete. Die persönliche Anteilnahme verleihe der Erzählung "Schwung", der Sprache "Leben und Farbigkeit". Und nicht zuletzt sorgen die tatsächlichen aber auch jetzt noch "unglaublichen Intrigen und Verschwörungen" des französischen Generalstabs für zusätzlichen "Unterhaltungswert".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.10.2005

Leon Blum erinnert sich an die Affäre Dreyfus: "Beschwörung der Schatten". Alfred Dreyfus war ein Artilleriehauptmann, dem man Ende des 19. Jahrhunderts - zu Unrecht, wie sich erst nach seiner Verurteilung zeigte - Spionage für Deutschland vorwarf. Dass Dreyfus Jude war, spielte in dem ganzen Vorgang auch eine unselige Rolle. 1935, rund 40 Jahre nach der Affäre, schreibt Blum seine Erinnerungen nieder. Er selbst hatte eine maßgebliche Rolle bei der Revision des Urteils gespielt. Blum spürt, sich erinnernd, antisemitischen Ressentiments und Strömungen in der Gesellschaft nach und zeichnet die Parteien, die sich um die Dreyfus-Affäre formiert hatten. Zugleich ist er, wie Rezensent Jörg Später schreibt, "wesentlichen Elementen in der europäischen Politik des 20. Jahrhunderts auf der Spur: Verschwörung und Wahn". Worüber der Rezensent sich wundert, ist, dass das Buch vom Verlag und vom Übersetzer, der auch eine Einleitung verfasst hat, nicht in einen größeren, dringlicheren Kontext gestellt wird, im Sinne eines "Nie wieder". Man lässt den Text für sich sprechen, vertraut "auf die Kraft der Worte und der subjektiven Gefühle", dem Rezensenten ist das nur recht.
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