Ulla Lenze

Der Empfänger

Roman
Cover: Der Empfänger
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2020
ISBN 9783608964639
Gebunden, 302 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Die Geschichte über das Leben des rheinländischen Auswanderers Josef Klein, der in New York ins Visier der Weltmächte gerät, leuchtet die Spionagetätigkeiten des Naziregimes in den USA aus und erzählt von politischer Verstrickung fernab der Heimat.Vor dem Kriegseintritt der Amerikaner brodelt es in den Straßen New Yorks. Antisemitische und rassistische Gruppierungen eifern um die Sympathie der Massen, deutsche Nationalisten feiern Hitler als den Mann der Stunde. Der deutsche Auswanderer Josef Klein lebt davon relativ unberührt; seine Welt sind die multikulturellen Straßen Harlems und seine große Leidenschaft das Amateurfunken. So lernt er auch Lauren, eine junge Aktivistin, kennen, die eine große Sympathie für den stillen Deutschen hegt. Doch Josefs technische Fähigkeiten im Funkerbereich erregen die Aufmerksamkeit einflussreicher Männer, und noch ehe er das Geschehen richtig deuten kann, ist Josef bereits ein kleines Rädchen im Getriebe des Spionagenetzwerks der deutschen Abwehr. Josefs verhängnisvoller Weg führt ihn später zur Familie seines Bruders nach Neuss, die den Aufstieg und Fall der Nationalsozialisten aus der Innenperspektive erfahren hat, und letztendlich nach Südamerika, wo ihn Jahre später eine Postsendung aus Neuss erreicht. Deren Inhalt: eine Sternreportage über den Einsatz des deutschen Geheimdienstes in Amerika.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.08.2020

Rezensent Martin Halter schätzt Ulla Lenzes literarische Ausflüge um den Globus. Wenn Lenze dem "zufällig" mit den Nazis kollaborierenden Hobbyfunker Josef Klein, laut Halter ein Mann ohne Eigenschaften, 1924 von Neuss nach Amerika, weiter nach Argentinien und wieder zurück folgt, ahnt Halter, welchen Typus die Autorin im Sinn hat: den exemplarischen Mitläufer samt Heimattreue und Ausbruchsfantasien. Lenzes Einfühlung in die Figur findet der Rezensent bemerkenswert. Leider bleibt dieser Klein blass und von "begrenzter historisch-literarischer Reichweite", so Halter.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.07.2020

Rezensent Paul Jandl wird unwohl bei der Aktualität, die sich in Ulla Lenzes Roman einschleicht. Lenze erzählt hier von ihrem Onkel, Josef Klein, der in den 1930er Jahren in Amerika als "kleiner Fisch" unter den deutschen Spionen als Funker tätig ist, aber nicht viel von der Welt versteht, erklärt Jandl. Er lobt, wie Lenze diesen Antihelden mit seinem geheimnisvollen Innenleben in die "großartige Kulisse" des New Yorker Nachtlebens einbette, so dass beide gleichermaßen gefährlich wirken. Die "elastische" Sprache der Autorin mache den Roman zudem als Thriller und als Seelenporträt lesbar. Gespenstisch findet der Rezensent, wie das "Krakeelen" der amerikanischen Hitler-Befürworter an heutige Alt-Right-Bewegungen erinnert. Ein "hoch sensibler" Roman, der die "Zeichen der Vergangenheit in die Gegenwart morst", schließt der beeindruckte Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.04.2020

Rezensentin Katrin Bettina Müller überzeugt Ulla Lenzes Roman sowohl inhaltlich als auch formal. Die Geschichte eines kleinen Nazi-Agenten in den USA, aufgeschrieben als zaghafte Selbsterkundung, scheint Müller ein wenig bekanntes Kapitel des Krieges aufzublättern. Der Held, ein Niemand, ein Mitläufer, ist ihr nicht unsympathisch, wie er dem Jazz frönt und seinem Hobby, dem Amateurfunk. Dass die für Müller historisch interessante Geschichte von Lenze nicht als Agententhriller aufgezogen wird, sondern als Erinnerungsbuch, hat für die Rezensentin seinen besonderen Reiz.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.03.2020

Rezensent Jörg Magenau schätzt an Ulla Lenzes Familiengeschichte über ihren Großonkel, den NS-Spion Josef Klein, dass die Autorin sich mit Urteilen zurückhält und vor allem erzählt. Die vielen historischen Details, die Lenze "präzise" recherchiert und mit Briefen aus dem Familienarchiv abgeglichen hat, sowie die Figur des Klein, laut Magenau Einzelgänger, Abenteurer, Mann ohne Eigenschaften, machen den Roman für Magenau zu einem Buch von allgemeinem Interesse über die Jahre 1924-1953.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2020

Rezensentin Eva Behrendt annonciert ein leises Buch mit Ulla Lenzes neuem Roman über einen deutschen Amateurfunker, der 1939 vom Rheinland nach New York emigriert und dort unwissend von der Wehrmachtabteilung Ausland/Abwehr rekrutiert wird. Die Kritikerin folgt Lenzes Held Joseph von New York über Costa Rica bis ins Nachkriegs-Neuss, liest aber keinen Thriller, sondern einen eindringlichen Roman über Schuld, Moralund Anspannung. Wie die Autorin das Ringen Josephs mit sich selbst skizziert, in "knappen" Sätzen, findet die Rezensentin beeindruckend.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.03.2020

Martin Oehlen sieht in Ulla Lenzes neuem Roman einen Text zur rechten Zeit. Die Geschichte eines Nazi-Mitläufers aus Gleichgültigkeit erzählt Lenze laut Oehlen betont nüchtern, aber so, dass das Verstörende des Lebenslaufes eines Nazi-Spions in den USA rüberkommt. Dass als Vorbild für ihren Protagonsisten der eigene Großonkel dient, ändert für Oehlen nichts an seiner Hochachtung vor dem Text als gelungene, durch Zeiten und Orte springende Fiktion über einen Agenten ohne Überzeugung und Reue.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 22.02.2020

Mit gemischten Gefühlen hat Rezensent Carsten Hueck Ulla Lenzes Roman "Der Empfänger" gelesen, der ihm ein Stück bisher größtenteils unerforschter deutscher Geschichte näher bringt. Anhand von Briefen und der Biografie ihres Großonkels erzählt ihm die Autorin die Geschichte des deutschen Funkers Josef, der in die USA auswandert, bei einer Firma anheuert, die angeblich Zahlencodes nach Deutschland funkt, tatsächlich aber der deutsche Auslandsgeheimdienst ist. In "Schlaglichtern" und gespickt mit "historischen Details" beleuchtet Lenze nicht nur das New York des Jahres 1939, sondern auch die deutsche Nachkriegszeit und das Südamerika der frühen Fünfziger, lobt Hueck. Die Hauptfigur gerät der Autorin aber leider wenig plastisch, wendet der Kritiker ein.