Peter Hayes

Die Degussa im Dritten Reich

Von der Zusammenarbeit zur Mittäterschaft
Cover: Die Degussa im Dritten Reich
C.H. Beck Verlag, München 2004
ISBN 9783406522048
Gebunden, 486 Seiten, 34,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Anne Emmert, Ursel Schäfer und Heike Schlatterer. Die AG Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt vormals Roessler - besser bekannt unter dem Namen Degussa - wird wie kaum ein anderes Wirtschaftsunternehmen mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Als Lieferant des tödlichen Giftes "Zyklon B", das zur Ermordung von Millionen Menschen in den Gaskammern der Nationalsozialisten verwendet wurde, ist Degussa zum Inbegriff der Verwicklung der deutschen Wirtschaft in die Greueltaten des nationalsozialistischen Regimes geworden. Auch ein Großteil des von den Nazis geraubten Edelmetalls ging durch die Schmelzöfen der Degussa. Darüber hinaus war die Degussa ein wichtiger Hersteller von Rüstungsgütern für die Wehrmacht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.12.2004

"Überzeugend" findet Werner Abelshauser diese Geschichte der Degussa im "Dritten Reich", die Peter Hayes hier vorgelegt hat. Seines Erachtens lässt Hayes Arbeit zwei recht unterschiedliche Lesarten zu, die er beide für "legitim und wohlbegründet" hält. Die meisten Leser werden nach Ansicht Abelshausers ihre Erwartung bestätigt sehen und in dem Frankfurter Chemieunternehmen die "Hexenküche nationalsozialistischer Aggression und Mordlust" erkennen. Eine genauere Lektüre des Buches, die auch der Rezensent für sich in Anspruch nimmt, zeige indes, dass keiner der Kernvorwürfe gegen die historische Degussa - Verantwortung für den Holocaust mit Zyklon B, Bereicherung aus Zwangsarbeit und Raubgold - wirklich zu erhärten sei. Abelshauser widmet sich zunächst der ersten Lesart, wobei er zu dem Schluss kommt, dass sich der unternehmerischer Opportunismus der Degussa auszahlte und dass sie schon deswegen ihren Teil der Verantwortung für die Verbrechen übernehmen musste, die das NS-Regime mit ihrer Hilfe begehen konnte. In seiner Ausführungen zur zweiten Lesart hebt Abelshauser dann hervor, dass die Degussa im materiellen Sinne kaum von Raubgold, Zwangsarbeit und Holocaust profitierte. So zeige Hayes etwa, dass die Lieferung von Zyklon B nach Auschwitz Sache der Testa und der Degesch war, während er es für unwahrscheinlich erachte, dass die Degussa und die übrigen Teilhaber von dem Missbrauch des "Entwesungsmittels" gewusst haben. Abelshauser attestiert Hayes jedenfalls, die Rolle, die Degussa im System der NS-Verbrechen gespielt hat, zu präzisieren, ohne je Zweifel am Unrecht selbst und der Mitverantwortung der Degussa aufkommen zu lassen. Das Resümee des Rezensenten: "Hayes' politische Unternehmensgeschichte der Degussa ist ein wichtiger Schritt zu einer durch Sachlichkeit überzeugenden Analyse der Rolle der Wirtschaft in der NS-Zeit."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.12.2004

Die Mittäterschaft der Industrie in der NS-Zeit mag viele Ursachen haben, doch mit Profitgier und ideologischem Fanatismus allein kann man sie wohl nicht erklären. Am Beispiel der Firmengeschichte des heutigen Chemieriesen Degussa zeigt der amerikanische Historiker Peter Hayes, wie gerade das Bestreben, sich vom Politischen zu distanzieren und lediglich die "Firma am Laufen zu halten" katastrophale Folgen haben kann. Sehr beeindruckend findet Malte Oberschelp, wie es Haynes gelungen ist, den massiven Einsatz von Zwangsarbeitern nach 1944, die Verarbeitung von gestohlenem Gold jüdischen Besitzes und die Produktion des Nervengases Zyklon B durch Degussa nicht einfach nur moralisch zu verurteilen, sondern sie als das Ergebnis eines "störrisch-kooperativen Beharrens auf Eigenständigkeit" und einer zweckorientierten Loyalität gegenüber dem Nazi-Regime darzustellen. Der ganze Abgrund der Degussa Mittäterschaft offenbart sich in der dummen "Gleichgültigkeit", mit der die Firma sich der Befriedigung vorhandener Bedürfnisse widmete, völlig egal, ob es sich dabei um das Waschmittel Persil oder das Todesgas Zyklon B handelte, resümiert Oberschelp.