Magazinrundschau

Sex ist Komödie

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
07.10.2014. Der New Yorker begleitet die Müllmänner von KairoNepszabadsag fragt, warum die EU einen Mann zum Bildungskommissar ernennen will, der in Ungarn die Medien kastriert hat. In Perfil erzählt Martin Kohan, warum die Vergangenheit nichts Unverrückbares ist. In Slate.fr erklärt Luc Dardenne, warum seine Filme mehr Intuition als Moral haben. Das New York Magazine lässt Drohnen fliegen. Der Mars ist die Grenze, ruft Elon Musk in Aeon.

New Yorker (USA), 13.10.2014

Im neuen New Yorker (Inhaltsverzeichnis trifft Peter Hessler die Müllmänner von Kairo. Sie arbeiten in einer Schattenwirtschaft, aber (anders als vieles andere in Kairo) effektiv. Und sie kennen ihren Kiez besser als jeder andere, Sayyid etwa: "Weil er nicht lesen kann, achtet er auf subtile Hinweise. Er sortiert den Müll mit der Hand, und eines Tages fand er heraus, dass ausländische Frauen häufig leere Pillenverpackungen wegwerfen, auf denen die Wochentage vermerkt sind. Sayyid folgerte, es müsse sich um Aphrodisiaka handeln. Er fragte mich, ob sie dazu da seien, die Frauen täglich zu stimulieren. Ich erklärte ihm, das stimme nicht ganz, auch wenn seine Vermutung nachvollziehbar war, denn Sayyid findet jede Menge Sexdrogen im Müll, chinesischer Herkunft, mit Namen, wie "Virecta". Die Informationen, die Sayyid aus dem Müll aufliest, helfen ihm beim Umgang mit den Anwohnern."

Evan Osnos zeichnet ein Bild des großartigen Juristen Lawrence Lessig auf seinem Kreuzzug zur Reform der amerikanischen Wahlkampffinanzierung. Lessig machte 1989 seinen Abschluss in Harvard, "in den späten 90er Jahren war er bereits einer der einflussreichsten Theoretiker an der Schnittstelle von Recht, Kultur und Internet in Amerika. Lessig war überzeugt davon, dass Filmstudios, Musiklabels und große Softwareproduzenten die Copyrightgesetze in einer Art und Weise benutzten, die Kreativität beschnitt." Eben diese Produzenten haben es außerdem geschafft, das Copyright innerhalb von weniger als vierzig Jahren elf mal vom Kongress verlängern zu lassen. Geld schafft Recht und genau dagegen richtet sich Lessigs Spendenreformkampagne.

Außerdem: Lauren Hilgers berichtet, wie Agenturen Amerikas Gastronomie mit billigen chinesischen Arbeitskräften versorgen. Und Haruki Murakami erzählt eine postmoderne Version der Märchen aus 1001 Nacht.
Archiv: New Yorker

Nepszabadsag (Ungarn), 03.10.2014

Letzte Woche fand die Anhörung des designierten EU-Kommissars für Bildung und Kultur, Tibor Navracsics, vor dem Europäischen Parlament statt. Navracsics hatte hatte in seiner Zeit als Justizminister unter Victor Orban die Kompetenzen der Gerichte und die Freiheit der Medien kräftig beschnitten (mehr hier). Balázs Pócs kritisiert in seinem Kommentar die Tatenlosigkeit der EU gegenüber der ungarischen Politik der vergangenen Jahre: ""Sie werden ihn ausspucken!", orakelten viele vor der Anhörung Navracsics". Er wird "gegrillt" werden. Dann kam die Prüfung, die so lau ausfiel, dass man darüber nachdenken musste, wer hier eigentlich vor den Mitgliedern der Kommission für Bildung und Kultur des Europäischen Parlaments stand... Kämpferische Atmosphäre? Fehlanzeige. Tibor Navracsics musste allerdings über eine Reihe von Taten Rechenschaft ablegen, bei denen die Europäischen Union selbst tatenlos zugesehen hatte."
Archiv: Nepszabadsag

London Review of Books (UK), 06.10.2014

James Meek begibt sich ins südenglische Kent, um dem Ukip-Phänomen Nigel Farage auf die Spur zu kommen. Hier erlebt Meek, wie geschickt Farage das Unbehagen der Menschen an Globalisierung und neoliberaler Agenda gegen das "gesichtslose Brüssel" lenkt. Und noch ein Kunststück muss er anerkennen: "Bisher hat Farage den riskanten Balanceakt gemeistert, zugleich als munterer ländlicher Gutsherr aus der Vor-Blair-Zeit zu erscheinen - ein tröstlich altmodischer Konservativer für alte Konservative vom Schlage eines Denis Thatchers - und als Radikaler, der sich mit dem Establishment anlegt und ordentlich auf den Putz haut. Mangels einer populistischen Linken, die eine neue Welt auf den Trümmern der alten aufzubauen verspricht, kann Ukip die Jungen mit der Idee begeistern, eine alte Welt auf den Trümmern der neuen zu errichten."

Weiteres: Jenny Diski erzählt, wie sie als aus der Bahn geworfene Jugendliche von Doris Lessing aufgenommen wurde. Nathan Thrall kann Ari Shavits Geschichte Israels "The Promised Land" wenig abgewinnen: Statt einer selbstkritischen Bilanz sieht Thrall hier vor allem eine moralisch Verteidigung des Zionismus.

Perfil (Argentinien), 03.10.2014

Der argentinische Schriftsteller Martín Kohan ist vor kurzem, am letzten 11. September, in Buenos Aires wieder einmal an dem Haus vorbeigekommen, in dem er seine Kindheit verbrachte: "Es steht noch. Aber das unmittelbar angrenzende Haus ist abgerissen worden. Ich weiß, weil ich davon gehört oder gelesen habe, was man fühlt, wenn das Haus verschwindet, in dem man seine Kindheit verbracht hat - man fühlt sich irgendwie schutzlos und verwaist. Das Haus meiner Kindheit steht noch, wie gesagt, aber nach dem Abriss des Nachbarhauses hat der Anblick meines einstigen Wohnhauses, der so sehr zu mir gehört, auf einmal etwas höchst Provisorisches. Es scheint nicht mehr dasselbe, hängt gewissermaßen bloß noch am seidenen Faden. Für gewöhnlich hält man die Vergangenheit für etwas, was man kennt, etwas fest Verwurzeltes, Sicheres. Beunruhigung und Unsicherheit gehen für uns dagegen normalerweise von der Zukunft aus. Ab sofort werde ich mich jedoch an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die Vergangenheit um nichts weniger zerbrechlich ist als die Zukunft, ein ebensolcher Schwebezustand."
Archiv: Perfil
Stichwörter: Buenos Aires, Kohan, Martin, Seide

Slate.fr (Frankreich), 05.10.2014

Nathan Reneaud unterhält sich mit Luc Dardenne, dem älteren des belgischen Filmemacher-Brüderpaars, übers Kino, das Filmemachen und sein Interesse an Philosophie. Das Gespräch wird anhand von Film- und Musikausschnitten oder Zitaten geführt, die Dardenne kommentiert. Mit einem Satz von Emmanuel Levinas konfrontiert, wonach geistiges Leben im Wesentlichen moralisches Leben sei und seine liebste Spielwiese das Ökonomische, erklärt Dardenne: "Dieser Satz inspiriert uns stark für unsere Filme. Man kann nicht sagen, es sei die Ethik, welche die Ästhetik unseres Kinos bestimmt hätte ... Kunst ist in erster Linie Intuition. Man kann erklären, was man macht, warum man die Kamera eher hier als da aufstellt. Im Blick selbst liegt natürlich Moral. Aber man darf nicht vergessen, dass man sucht, dass man sich vorwärts tastet."
Archiv: Slate.fr

New York Magazine (USA), 06.10.2014

Im neuen Heft des Magazins erklärt Benjamin Wallace-Wells, warum Drohnen die neuen Smartphones sein könnten: "Technologisch sind sie anders als alles, was wir bisher kannten. Sie ermöglichen die Eroberung des Raumes, die Ausweitung unseres Kompasses, den allwissenden Blick von ganz oben. Das kann beängstigend sein, aber auch faszinierend. Steuerst du eine Drohne mit einer Kamera dran, ist das Gefühl nicht Distanz, sondern Ausdehnung. Die Drohne verändert die Perspektive, sie vermittelt Macht …Sie kann autoritärer Herrschaft dienen, aber zugleich ein demokratisierendes Mittel sein, das nicht nur den Verfügungsbereich des Staates erweitert, sondern auch den des Einzelnen." Der Mensch mit quasi übermenschlichen Fähigkeiten also. Ob das wirklich so großartig ist, sei dahingestellt. Der Autor berichtet von aufgeschreckten Hochhausbewohnern, die sich von frei flottierenden Drohnen belästigt fühlen.

Außerdem porträtiert Gabriel Sherman den CNN-Chef Jeff Zucker als Spezialisten für Achterbahnfahrten.
Stichwörter: CNN, Drohnen, Smartphones

Magyar Narancs (Ungarn), 11.09.2014

Die Vereinigte Israelitische Glaubensgemeinschaft Ungarns (EMIH) ist seit ihrer Gründung 2004 (mehr hier) die institutionalisierte Form der chassidisch-orthodoxen Chabad-Bewegung in Ungarn. Nach dem in 2012 verabschiedeten Kirchengesetz, genießt sie - gleichberechtigt mit MAZSIHISZ, dem ungarischen Zentralrat der jüdischen Organisationen - Kirchenstatus. EMIH kooperiert in vielen Bereichen mit der ungarischen Regierung, die Regierung bezieht sich auf EMIH, wenn sie von "hervorragenden Beziehungen zu jüdischen Organisationen" spricht. Der Kunsthistoriker und Ästhet Péter György skizziert eine kurze Geschichte der Juden in Ungarn in den vergangenen zwei Jahrhunderten und kritisiert EMIH und ihren Rabbiner Slomó Köves für ihre ausdrücklich apolitische Haltung: "Der Neonationalismus verspricht einen im Interesse der Gemeinschaft handelnden starken Staat. Er braucht keine Individuen, sondern gefügige und nützliche Staatsbürger. Diese Ideologie sucht gerade einen Partner. Die durch Slomó Köves geführte EMIH propagiert auch prompt ein nach innen gerichtetes Gemeindeleben, in dem die Beschäftigung mit dem Holocaust und dem Zustand der ungarischen Demokratie nicht Sache der Juden ist. Als wären die Juden auf dem Mond und nicht Teil der ungarischen Gesellschaft. (...) Diese Organisation hat mit der säkularen jüdischen Subkultur nichts zu tun, sie negiert die Geschichte der jüdischen Aufklärung und damit auch die ungarische Geschichte des 19. Jahrhunderts."
Archiv: Magyar Narancs
Stichwörter: Subkultur

New Republic (USA), 06.10.2014

Isaac Chotiner freut sich über den warmen Empfang, den Hilary Mantel und ihr Mann Gerald McEwen ihm in ihrem Haus bei London bereiten. Mantel spricht mit ihm über ihren neuen Ezählband, Maggie Thatcher und Saudi-Arabien, wo sie in den 80ern mit ihrem Mann, einem Geologen, lebte. "Was für eine wundervolle Gelegenheit! Wieviele Menschen haben heute die Chance, nicht nur in einer absoluten Monarchie, sondern in einer Theokratie zu leben. ... Ich habe die Tendenzen gesehen, die zum Krieg gegen den Westen führten, sie waren in jeder Konversation sichtbar ... Sie kommen aus ziemlich primitiven Impulsen. Woher kommt Antisemitismus? Die abscheulichen Cartoons in der arabischen Presse, die Holocaust-Leugnung. Man hat Karten und Israel ist nicht darauf. Das ist institutionell, es ist offiziell. Die Informationen, die die Leute über den Westen hatten, waren so unglaublich verzerrt. Natürlich ist es ein Schock, auch wenn man theoretisch darüber Bescheid weiß."

Außerdem: John Gray empfiehlt dringend - und alle Atheisten beschimpfend - das neue Buch der Religionswissenschaftlerin Karen Armstrongs, "Fields of Blood", die darin allen Religionskritikern, die Religion für die Ursache der schlimmsten Gewalt halten, die Vielzahl säkularer Verbrechen entgegenhält. David Thompson erklärt, warum er Mathieu Amalrics Film "The Blue Room" viel besser findet als David Finchers gefeiertes "Gone Girl": ""The Blue Room" ist an die unerkennbare Erregung zu leben angeheftet, während "Gone Girl" Körper als Stücke für die Fleischplatte betrachtet. Amalric liebt Sex und lässt seine Geschichte atmen, Fincher hat keine Geduld mit seiner und saugt ihr alle Substanz aus."
Archiv: New Republic

Guardian (UK), 03.10.2014

Nach dem Tod des Romans prophezeit Will Self jetzt gleich das Ende der literarischen Kultur, er kann sich allerdings nicht entscheiden, ob er Jeff Bezos oder Sergej Brin die Schuld daran geben soll. Doch das Schicksal wird die Schriftkultur auf jeden Fall mit einem Knall ereilen: "Das traurige Wehklagen der literarischen Welt lautet, dass es uns leid tun wird, wenn sie verschwunden ist - und mit ihr all die Buchläden, Literaturkritiken, Büchereien und Verlage, die ihr Bestreben unterstützen - doch es war ihr eigener Fehler, das Geschäft so unelastisch zu begreifen. Einer gewissen Expertise, will ich damit sagen, wurde ein bestimmter Wert für seine Abnehmer zugesprochen, der zugleich konstant und zu einer festen Rate monetarisierbar war. Das Netz hat diesen unelastischen Irrtum gepackt und so weit gedehnt, bis er zurückschnappte in die myopen Gesichter der Literati."

Außerdem: Emma Brockes porträtiert Gilian Flynn, Autorin des von David Finchers verfilmten Horrorehe-Schockers "Gone Girl".
Archiv: Guardian

New York Review of Books (USA), 23.10.2014

In London leben oder in New York? Zadie Smith braucht beide Städte: "Wenn ich in England bin, wie jeden Sommer, sehe ich die Grenzen meines Lebens. Das Hirn, das eine Haarbürste in den Kühlschrank legt, das Bein, in dem Schmerzen von der Hüfte bis zu den Zehen strahlen, die reizenden Kinder, die meine ganze Zeit fressen, die ungelesenen und ungeschriebenen Bücher." New York ist dann immer wieder ein Schock: alles Energie und Aggressivität. "Man würde hier nicht leben, wenn der Wahn einer Realität, die sich um die eigenen Wünsche herum bildet, nicht ein starker Teil der eigenen Persönlichkeit wäre. "Eine Realität, die sich um die eigenen Wünsche herum bildet" - es liegt etwas soziopathisches in diesem Ehrgeiz. Es beschreibt auch angemessen, was Literatur schreiben ist. Und in einer Stadt zu leben, in der jeder denselben Tunnelblick und obsessiven Focus hat wie ein Schriftsteller, bedeutet, die eigenen Verhaltensstörungen in der Herde zu verstecken. Objektiv gesehen bin ich in Manhattan genauso begrenzt wie in England. Ich gehe jeden Tag zehn Blocks weit, bin in den gewöhnlichen Alltag verstrickt, reduziert über das zu schreiben, was vor meiner Nase ist. Aber Tatsache bleibt, dass ich hier schreibe. Die Arbeit wird gemacht."
Stichwörter: London, New York, Smith, Zadie

Merkur (Deutschland), 01.10.2014

Sehr geärgert hat sich Jan von Brevern über Michael Frieds allenthalben gefeierte Schrift "Warum Fotografie als Kunst so bedeutend ist wie nie zuvor", die sich darauf beschränke, die bekanntesten und teuersten Fotografen zu behandeln: "So erfahren wir bei der Lektüre, dass Thomas Ruffs Arbeiten "bahnbrechend" sind, dass Bernd und Hilla Bechers künstlerische Leistung "einzigartig" ist und dass es sich bei seinem Freund Jeff Wall um einen "perfekten Photographen" handelt. Man könnte das lustig finden, weil es so wohlfeil ist. Eigentlich aber ist es skandalös, weil die Kunstgeschichte hier auf schamlose Weise den Kunstmarkt bedient." Ganz klar, lernt Brevern: "Ein Kunstwerk ist teuer, hängt in berühmten Museen und wird in Kunstzeitschriften ausführlich gewürdigt? Dann muss es sich wohl um große Kunst handeln."

Weiteres: Anton Taubner würdigt das Nummerieren als Kulturtechnik. Herfried Münkler schreibt über Urteilskraft. Und aus der London Review of Books übernimmt der Merkur T.J. Clarks schönen Essay über Veroneses "Allegorien der Liebe": "Veronese ist Realist. Er weiß, dass beim Sex letztlich der Mann die Macht hat. Aber sie auch auszüben, ist ein riskantes Unterfangen. Sex ist Komödie."
Archiv: Merkur

Aeon (UK), 30.09.2014

Space is the place: Für Elon Musk, den vielleicht umtriebigsten und definitiv erfolgreichsten Unternehmer alt-amerikanisch visionären Schlags, kann es gar keinen Zweifel geben, dass die Menschheit den Mars besiedeln muss - nicht nur, um technologische Impulse zu setzen, sondern auch um das Überleben der Menschheit spätestens für den Fall zu sichern, wenn die Sonne die Erde verschlucken wird. Und mit seiner Firma SpaceX möchte er dieses Projekt eines Tages auch tatsächlich angeschoben haben, wie man in Ross Andersens umfangreichem Porträt erfährt. Musk setzt auf die Entwicklung der Technologie und auf die Finanzkraft der Leute, die ihren Lebensabend auf dem Nachbarplaneten verbringen wollen: ""SpaceX ist gerade mal 12 Jahre alt", erzählt er mir. "Von heute bis 2040 wird sich die Lebensdauer der Existenz verdreifacht haben. Wenn sich die Technologie linear statt logarithmisch weiterentwickelt, sollten wir bis dahin eine ansehnliche Basis mit tausenden oder zehntausenden von Leuten haben." Musk erzählt mir, dass diese erste Gruppe von Siedlern für ihre Reise selbst werden bezahlen müssen. "Wir benötigen eine Schnittmenge in der Gruppe der Leute, die dorthin wollen, und der Gruppe von Leuten, die es sich leisten können, dorthin zu reisen. ... Doch das wird kein Urlaubsausflug werden. Es wird bedeuten, dass man all sein Geld sparen und all seinen Besitz verkaufen muss, genauso, wie es einst die Leute taten, die in die jungen amerikanischen Kolonien übersiedelten."
Archiv: Aeon
Stichwörter: Mars, Musk, Elon, Raumfahrt, Weltall, Spacex

Walrus Magazine (Kanada), 07.10.2014

Zu Lebzeiten hatte der vor den Nazis nach Kanada geflohene Kunsthändler Max Stern (1904-1987) keine rechtliche Handhabe, seine in Deutschland zwangsversteigerten Kunstwerke zurückzuerlangen. Erst als der Kunsthistoriker Clarence Epstein damit betraut wurde, Sterns Erbe zu verwalten, setzte in der Kunstwelt ein Umdenken in der Beurteilung von Zwangsverkäufen ein, schildert Sara Angel: "Fragen nach kulturellem Eigentum und Kunsterwerb sind im Begriff, gründlich neu verhandelt zu werden. Wenn Institutionen wie das Stadtmuseum Düsseldorf den Prozess überarbeiten, wie sie Kunstobjekte beschreiben und katalogisieren, dann wird die gesamte Vorstellung, was ein Museum ausmacht, einer grundsätzlichen Prüfung unterzogen. Mit jeder Rückgabe an die Erben von Max Stern sinkt die öffentliche Toleranz für die Verschleierung von Provenienzen durch die Kunstwelt. "Wir hoffen", sagt Epstein, "dass es eines Tages ethisch unhaltbar sein wird, ein Museum zu besuchen, an dessen Wänden gestohlene Kunst hängt.""
Archiv: Walrus Magazine

New York Times (USA), 04.10.2014

Für das New York Times Magazine besucht Nathaniel Rich die Küste von Louisiana (und bringt schrecklich schöne Fotos dazu). Über 4000 Quadratmeter Wetlands verschwinden hier stündlich im Meer. Schuld sind die Öl- und Gasfirmen, die sich durch die in 7000 Jahren enstandene Landschaft graben und ihre Verträge, die sie zur Renaturierung verpflichten, brechen: "Seit 1920 hat man unter der Oberfläche über 50.000 Bohrbrunnen gegraben, Luftlöcher, die den Untergang des Marschlandes beschleunigen. Darüber hinaus wurden 10.000 Meilen Pipeline verlegt und Kanäle für die Schiffe ausgebaggert. Stück für Stück frisst sich das Meerwasser durch die Marsch, die Kanäle dehnen sich aus. Nach eigenen Angaben hat die Industrie 36 Prozent des Marschlands in Südost-Louisiana auf dem Gewissen … Etwa 97 Prozent aller hier tätigen Firmen haben ihre Lizenzen missbraucht." Rich liefert in seiner Reportage auch ein Porträt des Buchautors und Historikers John M. Berry, der vor gut einem Jahr zusammen mit der Southeast Louisiana Flood Protection Authority einen historischen Prozess gegen Exxon Mobil, BP, Shell, Chevron und über 90 weitere Öl- und Gasunternehmen angestrengt hat. Bislang noch ohne Erfolg.
Archiv: New York Times
Stichwörter: Louisiana, Exxon Mobil