Magazinrundschau - Archiv

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1 Presseschau-Absatz

Magazinrundschau vom 30.07.2019 - 032c

Horror und Philosophie - für Eugene Thacker fast schon ein match made in heaven, wie der Philosoph im Gespräch erklärt: Insbesondere der kosmische Horror, für den der Name H.P. Lovecraft steht, und der die ganze Andersartigkeit des Nichtmenschlichen, die Unerfahrbarkeit des Kosmos und dessen Gleichgültigkeit gegenüber der Menschheit sowie deren Insignifikanz im kosmischen Maßstab umfasst, ist für Thacker von zentralem Interesse: Anders als bei Kants erlösender Vernunft - was man nicht wissen kann, lässt sich eben nicht wissen - steht hier ein allgemeines Erschaudern im Angesicht des Erhabenen. Aber was heißt das für das Anthropozän - jener Epoche der Menschheitsgeschichte also, in der die Menschen die Natur im Guten wie im Schlechten unterworfen haben? Die Theorien dazu, meint Thacker, "ignorieren zwei Arten der Indifferenz, die hier mitarbeiten. Die erste ist jene, dass wir die Welt benennen und messen können wie wir wollen - es bleibt die undurchdringliche Opakheit des Andersartigen da draußen, das entweder reagiert oder nicht. Die zweite Indifferenz ist auf spezifischere Weise zeitgenössisch: Blickt man zurück auf die traditionelle Gothic Novel, so ist darin eine Spannung zwischen Wissenschaft und Religion am Werk und oftmals kocht das runter auf einen Konflikt zwischen dem Rationalen und dem Nicht-Rationalen. Heutzutage ist dem ein Element hinzugefügt, dass man 'kalten Rationalismus' nennen könnte. An jedem Tag, an dem man im Guardian blättert, stößt man auf einen Artikel mit vielen Fakten und Daten über das Ausmaß der Biomasse, die wir verbrauchen, oder über das sechste große Massensterben in der Erdgeschichte oder was auch immer. Wir werden überschwemmt von einer riesigen Menge an Daten des Horrors. Es geht gar nicht mal so sehr um das Scheitern von Wissenschaft - Wissenschaft funktioniert fast schon zu gut. Was uns offenbart wird, ist exakt, wie gleichgültig die Welt sich gegenüber all unseren Versuchen verhält, sie zu meistern, zu kontrollieren oder ein Wissen über sie zu produzieren. Autoren des frühen 20. Jahrhunderts wie Lovecraft und all die anderen Autoren unheimlicher und merkwürdiger Geschichten hatten bereits verstanden, dass der erschreckendere Pfad nicht jener ist, der Anti-Wissenschaft ist. Viel erschreckender ist vielmehr, was die Wissenschaft aufdecken wird."