Essay

Niemandsrechte mit Ewigkeitsklausel

Von Daniele Dell'Agli
18.09.2019. Alle reden vom Klimaschutz, doch über die größten Hindernisse für eine effiziente Umweltpolitik - die bestehenden Eigentums- und Freiheitsrechte und ihre Mentalitätspsychologie - wird nirgends diskutiert. Die Materie ist ebenso brisant wie intrikat. Politiker werden neu über die Idee des Gemeineigentums nachdenken müssen - auch gegen den Druck der Lobbyisten. Die Zeit des Taktierens ist vorbei.
Seit 2.500 Jahren sind Menschen, die sich für die Welt, in der sie Leben, interessieren, darüber im Bilde, dass diese sich im Zusammenspiel von vier Elementen erhält: Wasser, Erde, Feuer, Luft. Diese zuerst von Empedokles formulierte Erkenntnis wurde zwar von der modernen Wissenschaft buchstäblich atomisiert, doch nach wie vor wird niemand ernsthaft behaupten, sein irdisches Dasein Beryllium, Tantal oder Antimon zu verdanken. Umso verwunderlicher, dass die über sich selbst informierte und unentwegt - vom Stammtisch bis zur UNO - ihre Interessen verhandelnde Menschheit sich bis zum heutigen Tage nicht darüber verständigen konnte, die unverzichtbaren Bedingungen ihrer Existenz zu schützen und ihnen zu diesem Zweck einen Sonderstatus jenseits aller Eigentums- und Freiheitsrechte zuzuerkennen. Denn das müsste doch nicht nur dem ökologischen, sondern jedem Common sense eine Selbstverständlichkeit sein: Wasser (Gewässer), Luft (Atmosphäre), Erde (Boden) und Feuer (Licht, Energie) stellen absolute, unveräußerliche Werte dar und gehören daher niemandem - oder allen gleichermaßen. Und: in einer endlichen Welt sind sie nicht grenzenlos belastbar. Sie verlangen Schonung, gleichviel ob durch strikten Verzicht oder flexible Anpassung der Lebensformen. Das wären zwar noch nicht die Bedingungen, aber zunächst einmal die Voraussetzungen dafür, dass politische Organisationsformen (von der kommunalen Verwaltung über die NGOS bis zur UN) als Treuhänder des Naturerbes ihre Aufgaben der Daseinssicherung der Gattung wahrnehmen.

Man kann darüber spekulieren, warum die Menschheit offenbar nach wie vor für diese simple, für ihr Überleben quintessenzielle Einsicht nicht reif ist. Die naheliegende Vermutung ist, dass sie von Tempo und Auswirkungen der verschiedenen industriellen Revolutionen in Synergie mit der explosionsartigen Vermehrung der Bevölkerung buchstäblich überwältigt worden ist und daher mentalitätsgeschichtlich - und öko-technologisch, völkerrechtlich, eigentumsrechtlich - der rasanten Entwicklung mindestens ein halbes Jahrhundert hinterherhinkt. Also exakt jene - verlorene, vergeudete - Jahrhunderthälfte, seitdem eine neue interdisziplinäre Wissenschaft den Konflikt zwischen permanentem wirtschaftlichen, technologischen, demografischen  Wachstum und der Endlichkeit der Ressourcen analysiert, ohne für die Dramatik ihrer Befunde eine angemessene öffentliche und politische Resonanz zu erzielen. Nicht einmal ein entsprechendes Ministerium, das die Zuständigkeiten für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Energie, Gesundheit und Verkehr vereint und mit einem unabhängigen Finanzbudget operiert, konnte bislang eingerichtet werden. Und wenn ein brasilianischer Präsident den Startschuss zur Vernichtung des größten Regenwalds der Erde gibt, tritt kein Sicherheitsrat zusammen, um diesen größten Ökozid der Zivilisationsgeschichte als das zu verurteilen, was er ist: eine Kriegserklärung an die gesamte Menschheit, mehr noch: an alle Lebewesen des Planeten.

Mittlerweile gipfeln die alarmierenden Situationsbeschreibungen engagierter Beobachter nicht mehr in Strategien zur Verhinderung der Erderwärmung, sondern spielen resigniert Szenarien durch, wie sich mittelfristig unser Überleben in einer aus den Fugen geratenen Biosphäre organisieren ließe. Der Grundtenor ist - von Alan Weisman ("Countdown - Hat die Erde eine Zukunft?", 2013) und Stephen Emmot ("10 Milliarden", 2014) über Déborah Danowski und Eduardo Viveiros de Castro ("In welcher Welt leben?", 2017) bis zu David Wallace-Wells ("Die unbewohnbare Welt", 2019) Fassungslosigkeit angesichts der unverdrossenen Zerstörungswut kapitalistischen Wirtschaftens, jahrzehntelanger Untätigkeit der Politiker und der sekundierenden Akzeptanz beider durch Bevölkerungen der Nordhemisphäre, die sich die nihilistische Balance von Arbeitsroutinen und Konsumseligkeit, in der sie sich komfortabel eingerichtet haben, partout nicht vermiesen lassen möchten. Wer den Ursachen für diese sich gegenseitig verstärkenden Dynamiken nachspürt, darf sich mit dem Entlastungsargument, der Mensch sei in die - mit Günther Anders gesprochen - prometheische Falle seiner eigenen Machinationen geraten und durch die von ihm selbst entfesselten Gewalten überfordert, nicht begnügen.

Auf der anderen Seite warnen Kulturkritiker davor, die Menschen mit apokalyptischen Weltuntergangsvisionen zu verschrecken, die leicht zu einer Trotzreaktion, zu einem Jetzt-erst-recht führen könnten (aber lässt sich in dieser Hinsicht der wahnwitzige SUV-Hype noch überbieten?). Doch abgesehen davon, dass solche Abwägungen oft kaum von den Abwiegelungen der Klimawandelskeptiker zu unterscheiden sind, die sich ihrerseits nur bestätigt fühlen, wenn deprimierende Endzeitrevuen wie die oben zitierten als alarmistisch, hysterisch oder sonstwie übertrieben abgekanzelt werden, dienen solche suggestiven Faktensammlungen einer emotionalen Mobilmachung, die doch das Mindeste ist, was Publizisten als Ausgleich für die enervierende Gleichgültigkeit und mehr noch für die folgenlose Aufgeklärtheit der Zeitgenossen angesichts der offenkundigen Ruinierung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen aufbieten können. Denn es geht nicht nur um das Emissionsmanagement von Treibhausgasen, auf das sich gegenwärtig die Diskussionen kaprizieren. Man muss das Erdsystem "Gaia",1 wie von Bruno Latour vorgeschlagen, als Geflecht unendlich vieler Rückkopplungsschleifen in seiner ganzen Unberechenbarkeit ernst nehmen und hoffen, dass die forcierte Aufmerksamkeit für den Teilaspekt, dessen Entwicklung am schwierigsten zu prognostizieren ist - die Klimasensitivität -, der Eindämmung all der anderen, bestens erforschten Angriffe auf das prekäre Gleichgewicht der Biosphäre zugute kommt: Überfischung, Überdüngung, Abholzung, Flächenfraß, Wasserverknappung, Versteppung, Artensterben, Zerstörung regionaler Ökosysteme; Plastikflut, Müllberge, Luftverpestung, Monokulturen, Massentierhaltung, Massentourismus, kurz: alle Phänomene nach wie vor ungebremsten Wachstums in einer Welt endlicher Ressourcen, allen voran die politisch immer noch weitgehend tabuisierte Überbevölkerung. Die nüchternste Synopse findet man bei Stephen Emmott. Die Geschichten dazu bei Alan Weisman.

*

Die Erde: Jahrtausende lang war sie einfach da, jederzeit und überall verfügbar, der Mensch konnte sich darauf verlassen, dass sie das  selbstverständlich Gegebene blieb, unermeßlich und unerschöpflich auch dank ihrer Regenerationsfähigkeit, ganz gleich mit welch ausbeuterischen, zerstörerischen oder rücksichtslosen Mitteln er sich von ihrer Übermacht zu emanzipieren versuchte. Was unter dem kühlen szientifischen Terminus Anthropozän aktuell diskutiert wird, meint vor allem den Verlust dieser Selbstverständlichkeit, auch wenn Wissenschaftler mit diesem Terminus gern -
in einem letzten Aufbäumen gattungsgeschichtlicher Selbstherrlichkeit -
die geophysikalische Machtübernahme von homo sapiens verkünden. Zu beklagen ist vielmehr der buchstäbliche Verlust des materialen, biophysikalischen Substrats jeder Existenz. Womit der Kulturalismus und seine scheinbaren Antipoden, Biotechnologie und Transhumanismus teils epistemologisch, teils laborexperimentell bloß gespielt haben: die Infragestellung, Suspension und angebliche Optimierung natürlicher Gesetzmäßigkeiten, erscheint jetzt als Eigendynamik des lebenden Gesamtsystems: im Auftauen des Permafrosts hat das Schwinden und Wegbrechen des Fundaments unserer Existenz sein anthropozänisches Emblem gefunden. 

Die selbstverständliche Inanspruchnahme der natürlichen Reichtümer durch menschliche Erdbewohner wurde evolutionsgeschichtlich erst mit der biblischen Begründung ihres anthropozentrischen Sonderstatus zum Problem. Zwar findet sich im Alten Testament auch das Motiv vom treuhänderisch überlassenen Land, das Gottes Eigentum  bleibt und vom Menschen lediglich gepachtet wird; doch wird dieser Gedanke bis in unsere Tage in sein Gegenteil verkehrt durch die unmerkliche Akzentverschiebung, die aus der Natur in jeder Sonntagspredigt ein "Geschenk Gottes" macht und den Menschen ergo zu ihrem Eigentümer. Ungleich wirkungsmächtiger wurde allerdings der dominium terrae-Auftrag der Genesis, aus dem der zur Krone der Schöpfung geadelte homo praedator seitdem ganz selbstverständlich die Lizenz ableitet, alles Nichtmenschliche - von den Meeressäugern bis zu den Fossilien - sich befehlsgemäß untertan zu machen, und das heißt: nach Gutdünken zu töten, auszubeuten, zu verbrauchen, zu vermüllen und zu verseuchen. Nach Gutdünken bedeutet hier: mit der unumschränkten Verfügungsgewalt des Eigentümers, der sein Verhalten nicht eigens, etwa im Sinne notwendiger Selbsterhaltung, rechtfertigen zu müssen braucht. 

Die bis heute gültige Version dieses Verständnisses von Eigentum, auf die sich vor allem Liberale und Marktwirtschaftsverfechter aller Couleur berufen, stammt von John Locke. Und sie trägt unverkennbar die Spuren einer Zeit - dem ausgehenden 17. Jahrhundert -, da die Angehörigen einer Weltbevölkerung von 700 Millionen Menschen, von denen fast alle fast nichts voneinander wussten, unbegrenzten Spielraum für ihre gerade erst aufkeimenden Freiheiten zur Verfügung hatten. Desgleichen ist auch die ideengeschichtliche Begründung des Individualismus aus dem Eigentum (ausgehend vom exklusiven Eigentum am eigenen Körper bei Hobbes) nicht vom Himmel gefallen und für alle Ewigkeit festgeschrieben worden, auch wenn schon im römischen Recht die Eigentümlichkeiten einer Person, seine Eigen-schaften als Matrix für den Eigentumsgedanken gedient haben dürften, weshalb in den romanischen Sprachen sowie im Englischen beides vom selben Wort ausgedrückt wird: proprieté, proprietà, property.

Ich bin meine Eigenschaften, das bedeutet: ich habe, was ich bin. Das Recht, darüber zu verfügen, kann mir niemand nehmen (vorausgesetzt, ich bin freier Bürger und kein Sklave). Daraus wurde in der Umkehrung bei Locke der Grundsatz der liberalistischen Leistungsgesellschaft: ich bin, was ich habe. Sonst bin ich nichts. Je mehr ich durch meiner Hände Arbeit an Besitz akkumuliere, desto souveräner, desto mächtiger, desto freier bin ich. Das von Gott allen Menschen zur Nutzung überlassene Land verwandle ich mit meiner Hände Arbeit in mein Eigentum. Und damit kann ich machen, was ich will. Was nicht gesetzlich verboten ist, ist mindestens legitim. Dass "liberal", wörtlich "freiheitlich", in den vergangenen Jahrzehnten zum Synonym für die asoziale Entfesselung giergetriebener Egoismen werden konnte, ist mithin schon bei Locke begründet. Ebenso die kompromisslose eigentumsrechtliche Verteidigung dieses mit der leibseelischen Einheit der Person verschweißten Allerheiligsten: wer mein Eigentum beschädigt oder entwendet, greift meine persönliche Integrität an, verletzt oder entwendet ein Teil von mir.

Mit dem Begriff Expropriation (Enteignung) bezeichnete daher Marx den Skandal, dass Lohnabhängige von eben dieser Dynamik der Selbstermächtigung durch Arbeit abgekoppelt werden, indem sie nicht an der durch sie geschaffenen Mehrwertproduktion des Unternehmens beteiligt werden, vielmehr mit Almosen abgespeist werden, die gerade zur Reproduktion ihrer Arbeitskraft reichen. Heute wird von Enteignung gesprochen, wenn der Staat, wie vom Grundgesetz vorgesehen, im Dienste des Allgemeinwohls Grundstücke und Häuser gegen Entschädigung requiriert: so mussten schon viele Bauern ihre Höfe wegen neuer Bahnstrecken oder Autobahnabschnitte aufgeben, im Zuge des Braunkohletagebau wurden ganze Dörfer zwangsweise umgesiedelt. Die bei solcher "Enteignung" mitschwingende existenzielle Dramatik ist hier durchaus nachvollziehbar, denn die vorgesehenen Entschädigungen können nicht über den immateriellen Verlust an biografischer Bindungen  hinwegtrösten. Irreführend und demagogisch hingegen ist die massenmedial geschürte Hysterie um den Enteignungsbegriff, wenn es darum geht, Immobilienfonds, die Häuser und Wohnungen zu Spekulationsobjekten degradieren, zur Rückgabe ihrer Beute zu veranlassen, zumal ihren Anlegern auch damit wieder ein Riesenprofit auf Kosten des Steuerzahlers winkt. Darüberhinaus müsste sich der gesunde Menschenverstand - wenn es ihn noch gäbe - darüber wundern, warum die Ausplünderung und Vergiftung der natürlichen Reichtümer im Dienste kapitalistischer Profitmaximierung nicht unter der Rubrik "Enteignung" diskutiert wird, nachdem ihre katastrophalen Folgen zweihundert Jahre lang "externalisiert", das heißt auf die gesamte Menschheit abzüglich der Aktionäre, abgewälzt wurden. Ein Fall, tausend Fälle für eine neue Kammer am internationalen Gerichtshof in Den Haag. Sehen wir uns die Gesetzestexte genauer an.

Auch die Menschenrechtserklärung von 1948 hebt mit dem biblischen Sonderstatus an, wenn auch unauffällig und in säkular modernisierter Diktion:
"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren."
In Art. 1 der Erklärung der Menschenrechte erscheint der Mensch - was immer das sein soll, wird als bekannt vorausgesetzt - naturrechtlich sakralisiert als das Wesen, das angeborene Rechte hat, die ihn für unantastbar erklären. Dass er aber dieser Definition nach seine Rechte nur genießen kann auf einer Erde, die ihm Luft und Wasser, Licht und Nahrung in ausreichender Qualität und Quantität gewährt, ist in keinem der dreißig Artikel bedacht worden. Dass dem Menschen seine schiere Subsistenz  durch Privat- und Kollektiveigentum an basalen Lebensgrundlagen verwehrt oder durch die Emissionen von Privat- und Kollektiveigentümern vergiftet werden könnte, ist den Verfassern der Charta nicht in den Sinn gekommen. So kommt die Naturalisierung der Menschenrechte der gründlichen  Entrechtung der Natur gleich, eben jener Instanz, die doch zur Begründung der Gleichheit und Freiheit aller Menschen bemüht wurde. Die Menschenrechtscharta darf daher als das bedeutendste Dokument moderner Naturvergessenheit gelten, einer Verdrängung sowohl der Verbundenheit des Menschen mit allen anderen Lebewesen als auch seiner Abhängigkeit von den metabolischen Prozessen der Ökosphäre.

Die fatalen Konsequenzen dieser Rechtslücke, die ein seit Jahrhunderten eingespieltes Denkverbot symptomatisiert, darf man dabei nicht nur im Fehlen entsprechender völkerrechtlicher Bestimmungen sehen, das zum Beispiel dazu geführt hat, dass auf den  jährlichen Klimakonferenzen der UN mit Ausnahme des Kyoto-Protokolls noch nie ein Abkommen beschlossen wurde, der die Unterzeichnerstaaten verbindlich zu seiner Umsetzung verpflichtet hätte. Verpasst wurde darüber hinaus die Chance, einen Bewusstseinswandel einzuleiten, der die stets von Lobbys belagerten und vor juristischen Komplikationen kuschenden Politiker ermutigt hätte, über ihren legalistischen Schatten zu springen. Diese haben bis heute nicht einmal den Versuch unternommen, das im Völkerrecht verankerte  Prinzip staatlicher Souveränität für konzertierte Aktionen zum Klimaschutz außer Kraft zu setzen. Dramatischer Höhepunkt dieses weltpolitischen Versagens heute: eine brasilianische Regierung schickt sich an, das Überleben der gesamten Menschheit zu bedrohen, und außer merkantilistischen Sanktionswarnungen stehen der Staatengemeinschaft keine Optionen zur Verfügung, dem Vorhaben Einhalt zu gebieten. Dass es für eine UN-Intervention keine Rechtsgrundlage gibt, erscheint umso absurder, wenn man bedenkt, dass das Souveränitätsprinzip auf den Westfälischen Frieden von 1648 (!) zurückgeht. Überflüssig zu erwähnen, dass die Willensbekundungen, keine Produkte mehr von Ländern zu importieren, die zu ihrem Anbau Regenwälder abholzen, zwanzig Jahre zu spät kommen.

Dass die Natur, überhaupt nichtmenschliches Leben keinen Verfassungsrang beansprucht, hat Juristen nie wirklich umgetrieben. Sie argumentieren in diesem Zusammenhang, dass unser Rechtssystem seit der Antike auf der Kodifizierung subjektiver Rechte beruht und die Natur innerhalb dieser Konstruktion nicht als Subjekt denkbar ist. Wie soll sie - und vor welchem unabhängigen Gericht - ihre Ansprüche geltend machen? Sie vergessen dabei gern, dass es diese Reduktion auf die Verrechtlichung des Eigenwillens nur gibt, weil das subjektive Recht um das Eigentumsrecht zentriert ist, von dem selbst die anderen Grundrechte (Freiheit, Integrität der Person) abgeleitet werden. Sie vergessen des weiteren, worauf der amerikanische Umweltrechtler Christopher Stone schon 1974 in seinem Buch "Haben Bäume Rechte?" hingewiesen hatte, dass es in unserem Rechtssystem viele Rechtspersonen gibt, die nur de jure Rechtssubjekte sind, de facto aber - als Kleinkinder, Demente, Kranke - nicht für sich selbst sprechen können und, wie im übrigen auch Institutionen, Behörden, Gesellschaften, ja selbst Staaten auf  Betreuer, Vertreter, Kuratoren, Treuhänder etc. angewiesen sind. Ich komme darauf zurück.

Die Menschenrechtscharta vor Augen formulierten die Urheber des deutschen Grundgesetzes ein Jahr später ihr Bekenntnis zu den "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten" (Art. 1,2), doch auch bei ihnen findet  man keinen Hinweis darauf, dass die "unantastbare Würde" des Menschen (Art. 1,1) in der  Natur gründet, die sie selber sind, also des Nichtmenschlichen, Anderen und Fremden in ihnen, das nicht von ihrer juristischen Personalität getrennt gedacht werden darf. Da entbehrt es nicht einer höheren Ironie, dass in der Juristensprache die leibseelische Identität der Rechtssubjekte als "natürliche Person" apostrophiert wird (natural person, persona fisica, personne physique). Als "juristische Personen" gelten demgegenüber Stiftungen, Vereine, Organisationen, kurz alle Kollektivsubjekte, denen das Gesetz und durch das Gesetz die Politik "Rechtsfähigkeit" zuerkennt. Hauptsache "Person", dann automatisch "Subjekt" mit Eigentumsrechten und ergo rechtsfähig. Ein Anglerverein ist rechtsfähig, die Elbe nicht.

Man kann den Verfassern von Grundgesetz und Menschenrechtscharta zugute halten, dass sie weder mit der industriellen Verwüstung des Planeten - jedenfalls nicht in dem später sichtbar gewordenen Ausmaß - noch mit dessen Populationsdynamik rechnen konnten. 1947 lebten 2,5 Milliarden Menschen auf der Erde, in Europa hatten die meisten mit den Härten der Nachkriegszeit zu kämpfen, gezwungen, auch aus dem letzten greifbaren Baum Brennholz zu schlagen. Offenbar mussten die Menschen erst durch Marktwirtschaft und Sozialstaat von der unmittelbaren Not des täglichen Überlebens entlastet werden, um sich eine Generation später Sorgen über die elementaren Bedingungen ihrer Existenz zu machen. Heute erkennen sie: Menschenwürde ist ohne allgemeinen, egalitären und streng reglementierten Zugang zum Unentbehrlichen schlichtweg nicht mehr denkbar. Aber es könnte zu spät sein.

Doch immerhin koppelt Artikel 14 des GG die Gewährleistung des Eigentums in § 2 an die Verpflichtung, "sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Das klingt, als hätten nicht abgebrühte Juristen, sondern weise, aus historischer Erfahrung enttäuschte Philanthropen die Feder geführt, die sich allerdings nie hätten vorstellen können, dass ihre unmissverständliche Mahnung in den folgenden siebzig Jahren - soviel zur besinnungsträgen Feier - so durchgängig, so unverfroren, so ostentativ überhört werden würde. Denn legte man Art. 14,2 extensiv aus, könnte man den Großteil der renditegestützten Reichtumsvermehrung, angefangen mit den Spekulationen auf Grund und Boden, Immobilien, Lebensmittel und elementare Ressourcen schlicht verbieten, auf internationaler Ebene dahin wirken, Kapitalsammelstellen wie Blackmore und Blackstone zu zerschlagen und die sinnlos angehäuften Billionen, von denen die Eigentümer nicht wissen, was sie damit machen sollen, außer sie weiter auf Kosten der Allgemeinheit zu vermehren, gemeinwohlorientierten Zwecken zuführen.

Selbst John Locke hatte im fünften Kapitel seiner "Zweiten Abhandlung über die Regierung", dem Brevier liberaler Eigentumsanbeter, ein klares Bewusstsein davon, dass jeder Eigentumstitel das Gemeingut schmälert, das zuvor allen Menschen zugänglich war und er definiert deshalb klar eine Obergrenze: "Niemand kann ein Recht auf etwas haben, was einmal mit seiner Arbeit verbunden ist. Zumindest nicht, wo genug und ebenso gutes den anderen gemeinsam verbleibt." (§ 27). Als Maß eines Besitzes habe zu gelten, "was der Mensch sich aneignen konnte, ohne irgend jemandem einen Schaden zuzufügen." (§ 36) Die folgenden Paragraphen allerdings, in denen die Natur zum wertlosen Substrat menschlicher Arbeit degradiert wird, lieferten widerspruchsfrei allen Apologeten des kapitalistischen Raubbaus die Handlungsvollmacht.

Was das deutsche Grundgesetz unter "Gemeinwohl" versteht, wird in dem nicht zufällig weder in Rechtsverfahren noch in den öffentlichen Diskussionen präsenten Art. 20a, der erst 1994 nach jahrelangen Diskussionen ins GG aufgenommen wurde, näher erläutert:

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

"Im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung", das soll heißen: unter Berücksichtigung von Art. 14,1 und gegebenenfalls Prüfung von 14,2, wobei die an dieser Stelle fehlende nähere Bestimmung von "Gemeinwohl" es bislang opportunistischer Willkür und der Cleverness von Lobbyisten überlassen hat, die Gemeinwohlorientierung in ihr Gegenteil zu verkehren. Das Interesse der Allgemeinheit etwa an der Ansiedlung eines Industriekomplexes konnte so unabhängig von jeder polit- und sozialökologischen Prüfung des Projekts - braucht der Endabnehmer die Wegwerfartikel, die da produziert werden sollen? Und braucht er sie dringender als Wald, Wiesen und Flüsse, die dabei zugrunde gehen? - einzig mit der Schaffung von Arbeitsplätzen legitimiert werden. Man müsste nur "Gemeinwohl" vorrangig im Sinne von Art. 20a definieren - dazu genügte ein kleiner Zusatz zu Art. 14,2 -: die Chancen auf eine generationengerechte Bewirtschaftung unserer natürlichen Lebensgrundlagen würden mit ihrer Einklagbarkeit sprunghaft steigen. Zumindest potentiell, denn die Schutzklausel krankt darüber hinaus daran, dass sie "den Umwelt- und Tierschutz durch die öffentliche Gewalt, also 'von oben' gewährleistet. Die Umwelt und die Tiere sind bloße Schutzobjekte", ein "subjekiv-rechtlicher Status" wird ihnen ebenso wenig zugestanden wie den "künftigen Generationen", Bürger können "aus dieser Staatszielbestimmung kein subjektives Recht auf Umweltschutz ableiten." So das Fazit des Rechtswissenschaftlers Jens Kersten. An derselben "Akteursarmut" im Umwelt- und Tierschutz würden im übrigen auch die entsprechenden Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union leiden (Art. 37 ChGrEU).2

Trotzdem nimmt das neueste Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen (Juni 2019) Art. 20a als "Legitimationsgrundlage" in Anspruch, um -
zusammen mit Art.2 GG, in dem der "Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit" garantiert wird -, eine Reihe normativer Innovationen zur Konkretisierung des Staatsziels Umweltschutz vorzuschlagen. Darunter, wie der Verfassungsrechtler und Ratsmitglied Christian Calliess in einem Zeit-Interview erläutert, die Einführung eines "ökologischen Existenzminimums" als Grundrecht, eines Vetorechts des Bundesumweltministeriums bei Zweifel an der Umweltverträglichkeit neuer Gesetze sowie ein "Initiativrecht für die Gesetzgebung in besonders umweltrelevanten Politikbereichen".3 Nimmt man noch die Einrichtung eines "Rates für Generationengerechtigkeit" dazu, so wird klar, dass diese Reformen ohne grundgesetzliche Absicherung nicht wirksam, das heißt gerichtsfest gegen die zu erwartenden Klagen privater Interessenten zu implementieren sein werden. Dabei können diese Empfehlungen, wenn sie am 25. September der Öffentlichkeit vorgestellt werden,4 durchaus mit der Akzeptanz einer Mehrheit der Bevölkerung rechnen, die schon lange an der ökologischen Problemlösungskompetenz des Staates zweifelt; doch wieviel davon die Politik bereit ist aufzugreifen, bleibt abzuwarten.

Skepsis ist aus verschiedenen Gründen geboten. Was zumindest jüngeren Zeitgenossen nicht präsent sein dürfte ist, dass dieser Katalog an Änderungsvorschlägen der Öffentlichkeit schon einmal vorgelegen hat: 1991 im Kuratoriumsentwurf für eine neue gesamtdeutsche Verfassung (von Grünen, SPD und Linken betrieben, von Konservativen und Liberalen vereitelt) und 1994 im Parlament als Ergänzung von Art. 20, wovon dank wiederum liberal-konservativer Mehrheiten in Art. 20a nur der denkbar dürftigste Kompromiss festgehalten werden konnte.5 Selbst die rotgrüne Regierung unter Schröder hat sich außerstande gesehen, dieses unbefriedigende Ergebnis zu revidieren. Zum anderen veröffentlichte der Sachverständigenrat für Wirtschaftsfragen einen Monat später (Juli 2019) sein Gegengutachten "Aufbruch in eine neue Klimapolitik", in dem es trotz des wohlgemuten Titels auf 150 Seiten nur um die Frage der marktwirtschaftlichen Lenkung von CO2-Preisen bzw. um die marktwirtschaftlichen Auswirkungen einer CO2-Steuer geht. Business as usual also, die Wirtschaftsvertreter erklären die Vorlage der Umweltexperten implizit zur Makulatur und wir wissen, wer sich in der Vergangenheit immer durchgesetzt hat.

Dabei sind Letztere selbst vor den letzten Konsequenzen ihrer Ausführungen zurückgeschreckt: in den kenntnisreich wie detailliert auf 270 Seiten begründeten Forderungen zur rechtlichen Stärkung einer anderen, wirklich "neuen" Umweltpolitik sucht man vergebens nach einem juristischen Hebel, der wie geschaffen scheint,  unsere ökologischen Ressourcen für die kommenden Generationen zu sichern, gemeint ist Art. 15 des Grundgesetzes:

Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

Das ist zwar kein Grundrecht sensu stricto, sondern eine "Interventionsermächtigung" wie Verfassungsrechtler sagen, die aber mit dem Verweis auf "Gemeineigentum" und "andere Formen der Gemeinwirtschaft" viele Alternativen zur Privatwirtschaft eröffnet, zum Beispiel Genossenschaft- Treuhand- oder Stiftungsmodelle. Bezeichnenderweise sind diese von der Politik fast nie ins Auge gefasst wurden. Warum eigentlich nicht? Historiker argumentieren, dass die im GG verankerte Asymmetrie zwischen starken Individual- und schwachen Staatsrechten als Reaktion auf das Trauma des Nationalsozialismus die Politik zu größter Zurückhaltung vor Übergriffen auf die Selbstbestimmung des Individuums ermahnen soll; darüber hinaus wirkt das Beispiel der DDR bis heute abschreckend auf  jede noch so marginale  Vergesellschaftungsabsicht. Doch tatsächlich ist die Zementierung der sogenannten Abwehrrechte gegen staatliche Willkür (die in der Eigentumsgarantie praktisch aller demokratischen Rechtsstaaten gipfelt) ein Erbe des viel älteren liberalen Verfassungsdenkens, das in den vergangenen drei Jahrhunderten die gesellschaftszersetzenden Folgen der oben skizzierten Fusion von Individuum und Eigentum entweder unterschätzt oder billigend in Kauf genommen hat. Das Ergebnis ist jene diskrete Komplizenschaft von Staat und Privateigentum, wie man sie täglich am Klientelismus der politischen Parteien verfolgen kann oder wie sie an den asymmetrischen Hürden sichtbar wird, die jeweils bei Privatisierungen von Gemeingütern und bei Vergesellschaftungen von Privateigentum zu nehmen sind.

Während Letztere trotz grundgesetzlicher Lizensierung, die einem Gestaltungsauftrag an die Politik gleichkommt, die absolute Ausnahme geblieben sind, wurden in den vergangenen Jahrzehnten Schulen, Krankenhäuser, Seniorenheime, Wasserwerke, Elektrizitätswerke, Autobahnen, Wohnungsbaugesellschaften, Grünlandflächen, Wälder, Post, Bahn, Lufthansa und Telekom meist zum Schleuderpreis verkauft.6 Die Mainstream-Öffentlichkeit hat praktisch kritiklos dieser sukzessiven Privatisierung essenzieller Gemeingüter assistiert, ohne je die entscheidende Frage zu stellen, die wahrlich eine Parlamentsdebatte wert wäre: ob der Staat das überhaupt darf? Denn genau besehen sind öffentliche Einrichtungen Eigentum des Steuerzahlers, nicht des Staates, Bundeslandes oder der Kommune, die im Zuge ihrer eigenmächtigen Privatisierungen de facto jeden einzelnen Bürger um seinen Anteil an diesen von ihm bezahlten Gütern enteignet haben. Und genau besehen hätten öffentliche Güter, die im Auftrag des Grundgesetzes die Bevölkerung mit lebenswichtigen Ressourcen und Diensten versorgen, niemals der privaten Profitmaximierung überlassen werden dürfen. Ein Aufschrei der Empörung, eine Welle des Protestes hätte wenn nicht durchs Land, so doch durch die Medien gehen müssen. Fehlanzeige. Dieselbe neoliberal gleichgeschaltete Öffentlichkeit scheut sich andererseits nicht, schon beim zaghaften Vorstoß Kevin Kühnerts, die Spekulation auf Wohnraum infrage zu stellen, reflexartig DDR-Gespenster zu bemühen, nachdem sie zuvor eine Bankenrettung abgeklatscht hatte, die allein in Deutschland zur Umverteilung, also Enteignung von mindestens 236 Milliarden des Steuerzahlers geführt hat.

Was das alles mit dem Klimawandel und den Optionen zu seiner Ausbremsung zu tun hat? Nun, wenn man die kritischen Kommentare zu den sich rasant vermehrenden  Projekten und - zivilgesellschaftlichen, staatlichen, internationalen - Initiativen zum Schutz unserer Biosphäre Revue passieren lässt, dann fällt auf, dass sie sich fast durchgängig über die am besten bewachten Tabus der meinungsführenden Eliten ereifern, die Eigentums- und Freiheitsrechte, bei denen selbst unterbezahlte Provinzjournalisten zu Pressesprechern der Superreichen mutieren. Der Verdacht ist unabweisbar, dass die Schlacht um die Rettung des Planeten und zuvor schon um die Sicherung unserer Lebensqualität - an welcher der zahllosen Fronten sich der Konflikt auch entzündet - genau auf diesem Feld ausgetragen werden muss. Und so verständlich das Kleinreden dieser heikelsten Hürden im Kampf um die Rückgewinnung einer mit unseren Lebensformen kompatiblen Erde auch bei engagierten Akteuren anmutet: die Zeit des Taktierens ist vorbei.

Jugendliche, die seit Greta Thunbergs erstem Schulstreik vor über einem Jahr in vielen Städten Europas protestieren, beklagen unermüdlich eine Mutlosigkeit der Politiker, die nur noch von ihrer Fantasielosigkeit übertroffen wird. Sie ertragen es nicht mehr, dass eine zögerliche und bislang wirkungslose Klimapolitik weiterhin an infinitesimal kleinen Stellschrauben nachjustiert wird, sie verlangen den großen Entwurf. Und sie wollen sich mit dem wohlstandskompensierten Quietismus ihrer Eltern nicht mehr abfinden. Doch wenn die Naivitätsschelte der abgeklärten Erwachsenen in einem Punkt zutrifft, dann dass sie dem Irrglauben anhängen, die von ihnen zur Pflicht gerufenen Mandatsträger wüssten, wo die Schalter für eine ebenso konzertierte wie effiziente Umsteuerung der Klimapolitik umzulegen wären und hätten gar, im Falle dass ja, auch die nötige Willensstärke und Befugnis dazu. Denn selbst wenn sie dem Druck der Lobbyisten standhielten, wären sie dem Geflecht aus Hoheits-, Umwelt- und Völkerrechten global ebenso ohnmächtig ausgeliefert wie ihnen angesichts sakrosankter Herrschaftsrechte daheim die Hände gebunden wären. 

Dabei hätte es am großen Narrativ wahrlich nicht gefehlt. Die Vision eines die Menschheit vereinenden Großprojekts, das nebenbei für ein friedliches Innehalten aller Kriegsparteien sorgen würde, war in der Vergangenheit stets mit der Konfrontation mit außerirdischen Lebensformen assoziiert, die ganz unabhängig von ihren Absichten allen Erdbewohnern endlich das Gefühl ihrer Zusammengehörigkeit verleihen würden. Inzwischen hält niemand mehr die Ankunft einer solchen Erlösungsinstanz auch nur für denkmöglich, schlimmer noch, selbst die um holistische Visionen nie verlegene Science-Fiction spielte mit "Arrival" (Denis Villeneuve, 2016) das Scheitern einer solchen Versöhnungsmission durch. Dafür treten die Konturen eines inklusiven Menschheitsprojekts ohne defensiven Außenbezug immer deutlicher hervor: die Rettung der Biosphäre und damit der Lebensgrundlagen kommender Generationen vor den desaströsen Folgen der Erderwärmung. Doch die Umsetzung einer solchen Utopie wirft Fragen auf, für die es keine operativ brauchbaren oder - angesichts eklatanter politischer  Defizite der meisten Nationen - auch nur wünschenswerte Antworten gibt, zum Beispiel: Wer soll das Subjekt dieses Kurswechsels sein? Wie müssten die rechtlichen, intra-, supra- und internationalen Strukturen verändert werden? Wie könnte eine von der UNO gesteuerte, alle Staaten verbindlich koordinierende Rettungsstrategie finanziert werden? Antizipatorische Phantasie gebietet, sich auf lange Sicht von solchen integralen Ansätzen zu verabschieden und stattdessen nach realisierbaren Partiallösungen Ausschau zu halten.

(Fortsetzung folgt)

Daniele Dell'Agli

1 Bruno Latour, "Kampf um Gaia". Berlin 2017. Die Anfänge 1984 bei James Lovelock, "Gaia". Lange als esoterisch belächelt, heute ein wissenschaftlich anerkanntes Schlüsselwerk für das Verständnis unseres Erdsystems.
2 Jens Kersten, "Das Anthropozän-Konzept". Baden-Baden 2014, S. 81.
3. Christian Calliess, "Ein Veto für die Erde". Zeit-Interview vom 26.06.2019: https://www.zeit.de/2019/27/christian-calliess-umweltministerium-veto-klimaschutzhttps://www.umweltrat.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2016_2020/2019_06_Veranstaltung_Legitimation_vvon_Umweltpolitik.html Das Gutachten kann man hier runterladen: https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/02_Sondergutachten/2016_2020/2019_06_SG_Legitimation_von_Umweltpolitik.html?nn=9732658; das Gegengutachten direkt von Google.
5. Die langwierigen, sehr kontrovers geführten Diskussionen hat Tine Stein in ihrer äußerst instruktiven Arbeit nachgezeichnet: "Demokratie und Verfassung an den Grenzen des Wachstums: zur ökologischen Kritik und Reform des demokratischen Verfassungsstaates." Opladen 1998.
6.  Spannender als ein Krimi liest sich das Standardwerk zu dem Thema: Tim Engartner, "Staat im Ausverkauf", Frankfurt 2016.