Ulrich Herbert

Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert

Cover: Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert
C.H. Beck Verlag, München 2014
ISBN 9783406660511
Broschiert, 1451 Seiten, 39,95 EUR

Klappentext

Die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert sieht Ulrich Herbert durch zwei Perspektiven bestimmt, die zueinander in Widerspruch stehen. Zum einen die großen Kriege und Katastrophen, die das deutsche 20. Jahrhundert in zwei Teile spalten - vor und nach 1945. Deutschland ist das Land, in dem die radikalen Ideologien von links und rechts erdacht wurden, und das einzige, in dem sie jeweils staatliche Form annahmen. Das prägt die erste wie die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Zum anderen der Aufstieg der modernen Industriegesellschaft, der über die verschiedenen politischen Systeme hinweg zu jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die soziale und politische Ordnung führt. Kriege und Terror, Utopie und Politik, Kapitalismus und Sozialstaat, Sozialismus und demokratische Gesellschaft, Geschlechter und Generationen, Kultur und Lebensstile, europäische Integration und Globalisierung: Wie diese widersprüchlichen Ereignisse und Entwicklungen strukturiert und aufeinander bezogen sind, davon handelt dieses Buch.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.08.2014

Edgar Wolfrum nähert sich dem "gewaltigen", hier vom Historiker Ulrich Herbert gebzähmten Stoff mit Ehrfurcht. Die beiden vom Autor geschlagenen Argumentationsbögen "Hochmoderne" und der "exklusive Deutsche" übezeugen ihn durch ihre Flexibilität, die es ermöglicht, deutsche Geschichte zu erzählen. Herberts mitunter konventionelle, laut Rezensent meist jedoch anregende und intensive Erzählweise sieht Wolfrum aufgelockert durch überraschende historische Verknüpfungen, etwa, wenn der Autor transnationale Vergleiche zieht. Bedrückt lassen den Rezensenten die vom Autor kenntnisreich verfassten Passagen über die Gewalt im Nationalsozialismus zurück, staunend steht er vor Herberts allumfassender Schilderung des Aufstiegs nach '45. Dass Deutschland heute so überfordert sei wie zu Beginn des Jahrhunderts, wie der Autor fasst, möchte Wolfrum allerdings nicht unterschreiben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.05.2014

Carsten Kretschmann findet deutsche Geschichte spannend und vielseitig. Wenn Ulrich Herbert zu einer Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert anhebt, spitzt er die Ohren. Enttäuscht wird er nicht. Herbert schafft es, dem Rezensenten einen Weg zu weisen durch die Faktenmenge, die Ambivalenzen der Geschichte. 1945 als Zäsur, wie von Herbert veranschlagt, scheint Kretschmann nachvollziehbar, die Arithmetik der Macht 1933 kann ihm der Autor genauestens darlegen, und mit dem NS-Regime kennt sich Herbert ohnehin unzweifelhaft aus, wie der Rezensent versichert. Genau hier sieht Kretschmann Höhepunkte der Darstellung, in der Herausarbeitung der Dynamik der Gewalt, die in den Holocaust führt. Ein klar strukturiertes, anregendes, aber auch mitunter vergröberndes, konventionelles, da nationalstaatlich (und kaum europäisch) orientiertes Buch, resümiert der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.05.2014

Vom weltweit angesehenen Fachmann für nationalsozialistische Gewaltherrschaft bekommt Patrick Bahners, was er erwartet: Klassische Nationalgeschichte, empirisch geerdet. Die zwei von Ulrich Herbert auf 1450 Seiten errichteten Argumentationsbögen (politische Entwicklung in Deutschland mit 1945 als Zäsur sowie Wandel der Industriegesellschaft) stützen einander laut Bahners, der über die entschlackte Kompaktheit der Darstellung politischer Entscheidungen im Band genauso staunen kann wie über Herberts Querverweiskompetenz. Wie der Autor dem Leser Hitlers Regierungszeit auseinandersetzt und die Ermordung der Juden als letzte Konsequenz aus einer Kette gewollter Sachzwänge erklärt, hat Bahners außerdem tief beeindruckt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.05.2014

Matthias Arning denkt über die Zeitspanne nach, die Ulrich Herbert für seine Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert bearbeitet: 1914 bis 1990. Für den Autor historiografisch plausibel, etwa da er in einem deutschen und einem europäischen Argumentationsbogen 1945 als Riss überbrücken möchte. Für Arning wird damit ein über die Verbrechen der Nazis hinausgehendes Vergangenheitsverständnis möglich. Spannend, wie er findet, weil der Autor so deutsche Geschichte als Teil europäischer Geschichte in den Blick nehmen, also neue Perspektiven und Felder eröffnen kann, laut Arning eine Spezialität des Autors. Das ist originell und macht gelassen, findet der Rezensent, weil es die Zerklüftungen der (deutschen) Geschichte sichtbar macht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.05.2014

Dem Buch verdankt Tim B. Müller jede Menge Anregungen zum Nachdenken über die großen Fragen der deutschen, aber auch der internationalen Geschichte. Ulrich Herberts Leistung sieht der Rezensent vor allem in der genauen Erörterung der Wende vom nationalsozialistischen zum bundesrepublikanischen Deutschland. Die große Kunst der Geschichtsschreibung beherrscht Herbert laut Rezensent spielend, auch wenn er beim Kaiserreich und beim Ersten Weltkrieg nicht eben brilliert, sondern mit Schlagworten hantiert, wie der Rezensent feststellt. Dafür besticht für ihn der Höhepunkt der Darstellung, das Kapitel "Völkermord und Volksgemeinschaft", mit einer der Forschung entgegengesetzten Darstellung der Dynamik und der Normalität der Gewalt, die in den antijüdischen Terror mündete. Aus dieser Perspektive, auch das ein Verdienst Herberts, erscheint dem Rezensenten die deutsche Geschichte nach '45 als purer Glücksfall, nicht als politische Läuterung.
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