Thilo Sarrazin

Europa braucht den Euro nicht

Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat
Cover: Europa braucht den Euro nicht
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2012
ISBN 9783421045621
Gebunden, 464 Seiten, 22,99 EUR

Klappentext

Mit der drohenden Staatspleite einzelner Länder hat der Traum von der Europäischen Währungsunion seinen Glanz eingebüßt und seine Risiken offenbart. Angela Merkels Diktum "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa" versucht die Währungsfrage in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Das tut auch Thilo Sarrazin in seinem neuen Buch, aber auf andere Weise und mit anderen Ergebnissen. Er zeichnet die verheerenden Resultate politischen Wunschdenkens nach und stellt die Debatte vom Kopf auf die Füße.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.05.2012

Den Aufruf zum Boykott des Autors, wie ihn einige Politiker forciert haben, möchte Philip Plickert nicht unterzeichnen. Thilo Sarrazins Kritik der Europäischen Währungsunion hält er für durchaus vernünftig und faktenbasiert, den Autor nennt er einen zwar eigenwilligen, aber erfahrenen Finanzpolitiker, der zu fundierten volkswirtschaftlichen Analysen fähig ist. Streitbar, aber nicht unhaltbar, lautet Plickerts Urteil. Peer Steinbrücks Kritik dreht er einfach um, und kritisiert mit Sarrazin die rosarote Brille der Euro-Väter. Zu gefallen scheint dem Rezensenten auch die Zurückhaltung des Autors bei Spekulationen über die Zukunft der Eurozone und sein Lösungsvorschlag einer strikten "No-Bailout-Politik". Ein kulturpessimistisches Urteil über die "Sonnenländer" sieht der Rezensent höchstens "durchschimmern". Ein Anti-Europäer, so Plickert, sei Sarrazin nicht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.2012

Unhistorisches Denken, "perspektivlose" Haltung und politische Ahnungslosigkeit - das sind die Hauptvorwürfe, die der hier rezensierende Peer Steinbrück, ehemaliger Finanzminister der Bundesrepublik, in einer ganzseitigen Kritik gegen Thilo Sarrazin erhebt. Zwar räumt Steinbrück ein, dass Sarrazin, SPD-Mitglied wie Steinbrück, ohne Frage über "ökonomischen Sachverstand" verfügt. Doch löse er den Euro aus allen historischen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen heraus und betrachte ihn lediglich unter finanzpolitischen Aspekten. Der Rezensent beschreibt dann ausführlich den historischen Kontext, in dem die europäische Gemeinschaftswährung entstanden ist, und die europäischen Werte, die weit mehr seien, als "ein Binnenmarkt, eine Währungsunion und ein Zentralbanksystem". Mit Sarrazins Heraufbeschwören eines europäischen Bundesstaates sieht der Rezensent ein Gespenst aufgerufen, das kein ernst zu nehmender Kopf für möglich oder wünschenswert halte, wie er klarstellt. Weiter weist Steinbrück auf die Tatsache hin, dass der Autor als Fazit seiner Argumente eigentlich gar nichts zu bieten hat und in den kargen Schlussseiten nicht einmal ernsthaft für die Abschaffung des Euro plädiert, wie es der Titel seines Buches nahe legt. Bei aller hanseatischen Zurückhaltung fallen im Laufe der Kritik fallen dann doch Adjektive wie "bizarr" und "abstrus", "grober ökonomischer Unfug" und "naiv". Am Ende mahnt Steinbrück, dass "verantwortungsbewusste Politik" keine Defizite beschwören, sondern sich "aufs Gelingen" zu richten habe, und das habe Sarrazin versäumt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.05.2012

Thilo Sarrazin ist ein Zahlen- und Faktenhuber, sein Buch über lange Strecken zum Einschlafen, befindet der Ökonom Henrik Enderlein zunächst, und lässt sich dann doch auf einer dreiviertel Zeit-Seite darauf ein, denn Sarrazin ist nun mal Sarrazin. Und das heißt: Man kann Zahlenhuber und trotzdem Populist sein. Sarrazins Zahlenhuberei ist für Enderlein im Grunde nur Fassade, die auf ein von vornherein feststehendes Ergebnis hinsteuern soll, zu dem Sarrazin am Ende nicht mal ganz zu stehen scheint - nämlich zu der schon im Titel formulierten Behauptung: "Europa braucht den Euro nicht." Enderlein findet, dass Sarrazin auf dem Weg dahin mit all seinen Zahlen ziemlich manipulativ agiert. Zum Beispiel setze er voraus, dass Ökonomie ein Nullsummenspiel sei, in dem das eine Land verliert, wenn das andere gewinnt. Er verschweige die eigentliche Grundannahme, die dem Euro zugrunde liegt: nämlich, dass Handel mehr Wohlstand für alle bringt. Diese Annahme könne man ja bezweifeln, so Enderlein, aber eine Kritik am Euro müssen man schon an dem Versprechen messen, auf dem er basiert!

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.05.2012

Keinen Cent für dieses Buch, fordert Rezensent Robert von Heusinger, und damit sind die Leser aufgefordert, Thilo Sarrazins neue Publikation keinesfalls zu kaufen. Sie müssten sonst nämlich feststellen, dass der Autor lügt und täuscht und ausblendet und das alles in einem "hässlichen nationalistischen Ton", warnt der Rezensent vor diesem "widerlichen" Buch. Alles wie gehabt also? Laut Heusinger ja. Wieder, meint er, wird der Leser sich hypnotisiert finden von Sarrazins Kenntnis der Materie, von seiner Detailtreue, dem überwiegend sachlichen Ton, dem putzigen Hang zum Anekdotischen. Und wieder, so Heusinger weiter, wird er dem Autor auf den Leim gehen und sich unversehens in der populistischen Hölle eines Eurogegners wiederfinden, dem kein Mittel zu billig ist, Deutschland und Nordeuropa zu überhöhen, den Süden herabzusetzen und die Euro-Rettung zu verteufeln. Mit seinen Thesen, da ist sich der Rezensent sicher, liegt Sarrazin "voll im bundesdeutschen Mainstream".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.05.2012

Ein Skandalbuch, wie vielleicht mancher gehofft hat, ist Thilo Sarrazins jüngstes Werk laut Rezensent Micha Brumlik nicht. Vielmehr sieht er darin eine differenzierte, wirtschaftshistorische Analyse der Euroeinführung, die der Autor, durchaus wohlbegründet, für einen Fehler hält, wie der Rezensent konstatiert. Seine Ablehnung der europäischen Einheitswährung ist auch für "Laien" verständlich dargelegt, lobt Brumlik, der in diesem Buch überhaupt "treffende ökonomische Analysen" gefunden hat. Dann aber sieht der Rezensent Sarrazins Thesen schon wieder in einen für dieses Mal zumindest "mildes" aber immer noch völlig verstiegenes Urteil über die "nationalen Unterschiede der Völker", die ein vorausplanendes, geordnetes Wirtschaften unmöglich machten, abdriften. Von den ethnischen Ressentiments abgesehen attestiert der Rezensent dem Autor aber, mit seinem Buch auf lange Sicht die "solideste Begründung" für eine "euroskeptische bis rechtspopulistische, ja nationalistische Agenda" vorgelegt zu haben, und er plädiert deshalb eindringlich dafür, sich wirklich gründlich mit seinen Argumenten auseinanderzusetzen.