Roland Barthes

Proust

Aufsätze und Notizen
Cover: Proust
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518430743
Gebunden, 343 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Bernard Comment. Aus dem Französichen von Horst Brühmann und Bernd Schwibs. Spricht Barthes von Proust, spricht er meistens von sich selbst. Barthes hat nicht das eine, große Proust-Werk geschrieben, aber sich immer wieder mit seinem Alter Ego auseinandergesetzt. Dieser Band versammelt die wichtigsten Texte von Roland Barthes über Marcel Proust: Zeitschriftenbeiträge, Vorlesungen und Vorlesungsnotizen und eine Auswahl aus Barthes' fast 3000 hinterlassenen Karteikarten zu Proust. Barthes legt Spuren, öffnet Ausblicke, macht, in der Trauer über den Tod seiner Mutter, Pläne, eine ihrem Andenken gewidmete Recherche, seine eigene "Vita nova", zu schreiben - was womöglich nur sein früher Tod im März 1980 verhindert hat. Hier erstmals zugänglich gemacht ist ebenfalls die Transkription einer Radiosendung von France Culture aus den 70er Jahren, Spaziergänge mit Roland Barthes auf den Spuren von Marcel Proust in Paris."Ich begreife, daß das Werk von Proust, zumindest für mich, das Referenzwerk ist, die allgemeine Mathesis, das Mandala der gesamten literarischen Kosmogonie, wie es die Briefe der Mme de Sévigné für die Großmutter des Erzählers, die Ritterromane für Don Quijote waren." (Roland Barthes)Das Dokument einer bedeutenden literarischen Wahlverwandtschaft, ebenso erhellend für das Werk Prousts wie für das von Roland Barthes.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.01.2023

Mit viel Mitgefühlt liest der hier rezensierende Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil von der Besessenheit  Roland Barthes' mit Proust. Über dreitausend Karteikarten - von denen zweihundert in Band abgedruckt sind - hat der französische Philosoph zu Proust angelegt, Vorlesungen gehalten, lange Radiofeatures gemacht, Aufsätze und Notizen geschrieben. Immer ging es Barthes dabei um das Schreiben, den Akt der Inspiration, erfahren wir. "Proust-Hypnose" nennt Ortheil das, die erst aufgebrochen wurde, als Barthes Mutter starb und ihre Fotografien Barthes auf die Spur der Bedeutung der Fotografie für Proust brachte. Am Ende führte ihn die Beschäftigung mit Proust dazu, selbst einen Roman schreiben zu wollen, erzählt Ortheil. Doch Barthes starb bei einem Unfall, bevor es dazu kam. Ortheil ist dankbar, dass ihm Herausgeber Bernard Comment Barthes Leidenschaft für Proust und das kreative Schaffen, den literarischen Prozess, mit diesem "wunderbaren Buch" erschlossen hat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.01.2023

Die meisten der hier publizierten Texte kennt Rezensent Lothar Müller schon, dennoch vertieft er sich mit Freude und Bewunderung in die Aufsätze, Vorlesungen, Radio-Features und Karteikarten, die von Roland Barthes' "vorbildlich unfrommer Lektüre" zeugten. Für Barthes ist Marcel Prousts "Recherche" kein Buch über die Erinnerung, sondern eines über das Schreiben, erklärt Müller. Und auch wenn Barthes in diesen Texten für einen Semiotiker eine erstaunliche Obsession für das Biografische entwickelt, ahnt Müller doch, dass Proust für Barthes nicht ein Gegenstand der Geschichte ist, sondern ein Gegenüber. Wenn Barthes über Proust nachdenkt, denkt er natürlich immer auch über sich selbst und seinerseits über das Schreiben nach, so der Kritiker, der gern der Brücke folgt, Barthes von sich selbst zu Proust schlägt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.11.2022

Rezensent Ruthard Stäblein freut sich über die zum hundertsten Todestag Prousts erschienene deutsche Ausgabe von Roland Barthes' Textsammlung zu diesem Autor. In ganz verschiedenen Textformen - Artikel, Radiointerviews und Notizen für Vorlesungen am Collège de France, denen der Rezensent zum Teil selbst beiwohnte - werde hier Barthes' Faszination für Proust nachvollziehbar, für seine Erzählweise und sein "Pathos", das, da stimmt der Kritiker Barthes zu, zu Unrecht nur noch verdammt werde. Vor allem mache der Band auch deutlich, wie sehr der Semiotiker Barthes sich mit dem Schriftsteller identifizierte: Wie Proust nach dem Tod seiner Mutter 1905 einen neuen Lebensabschnitt begann, so wollte auch Barthes nach dem Tod seiner Mutter neu anfangen, erklärt Stäblein. Ein schöner Band, der in das "Herz des Proust-Dramas" von Barthes führe, so der Kritiker, der sich gerne an seinen ehemaligen Dozenten erinnert.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 05.11.2022

Pünktlich zu Prousts 100. Todestag liest Rezensentin Marianna Lieder Roland Barthes' Einlassungen zu Proust mit Vergnügen. Sogar Barthes' Zettelkasten findet Lieder auszugsweise im Band dokumentiert, daneben ein Radiofeature und unveröffentlichte Texte, die laut Rezensentin nicht zuletzt Barthes' unsentimentales Verhältnis zur "Recherche" belegen, aber auch dessen analytische Schärfe in Sachen Proust. Wenn Barthes' mitunter dennoch zur "autobiografischen Überidentifikation" mit dem späten Proust neigt, scheint Lieder das verzeihlich zu finden.