Martin Mulsow

Überreichweiten

Perspektiven einer globalen Ideengeschichte
Cover: Überreichweiten
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518587935
Gebunden, 718 Seiten, 42,00 EUR

Klappentext

Ein Hamburger Arzt macht sich auf die Suche nach türkischen Kampfdrogen; drei Ostindienfahrer mixen in einer Apotheke auf Java ein "unerhörtes" Elixier; der Philosoph Leibniz sucht nach frühesten chinesischen Schriftzeichen; Spanier im peruanischen Potosí müssen sehen, wie in den Minen der Teufel angebetet wird; ein jesuitischer Missionar stößt in Isfahan auf einen östlichen Hermetismus; ein heterodoxer Abenteurer übergibt dem marokkanischen Botschafter ein geheimes Manuskript und ein Vaterunser-Sammler verzweifelt an den Vokabeln der afrikanischen Khoikhoi.Was zeichnet diese vormodernen Pioniere der Globalisierung des 17. und 18. Jahrhunderts aus? Wie gelingt oder misslingt ihnen die Bezugnahme auf die fremden und fernen Gegenstände, mit denen sie sich beschäftigen? Wie sind die Ideen, die bei ihnen anlanden, durch Raum und Zeit gereist? In seinem neuen Buch deutet Martin Mulsow die Frühe Neuzeit als eine Zeit der Überreichweiten, als eine Epoche, in der Quellen und Nachrichten aus nah und fern sich überlagerten, ohne dass man mit dieser Verdoppelung zurechtkam oder sie manchmal auch nur bemerkte. Es war ein Zeitalter der riskanten Referenz, das Mulsow mitreißend und gelehrt vor unseren Augen entstehen lässt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.04.2023

Rezensent Oliver Weber liest mit diesem Buch des Historikers Martin Mulsow eine sinnvolle Antwort auf die Frage, wie eine "globale Ideengeschichte" aussehen könnte, die sich von der eurozentristischen Perspektive löst. Es geht dem Autor nicht darum, aufs Neue die Irrtümer der europäischen Deutung der Weltgeschichte herauszustellen, so der Kritiker, sondern das "produktive Moment" von Fehlinterpretationen und kulturellen Missverständnissen, die bei der Zirkulation von Wissen entstehen, aufzuzeigen. Dafür hat Mulsow in seinem Buch spannende Fallstudien versammelt, schreibt Weber, die aus unterschiedlichen Perspektiven historische Schlüsselmomente schildern, in denen die Wissenkonzepte verschiedener Kulturen aufeinandertrafen. Trotz seiner "Gelehrsamkeit" ist die Lektüre nie zu theoretisch oder trocken, so der Kritiker, was sich Mulsows spezieller Erzähltechnik, einem Mix aus "Detektivroman und durchbrochener Romanze", verdankt. Der Rezensent kann sich nun besser vorstellen, wie eine Weltgeschichte der Ideen eines Tages geschrieben werden könnte.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.01.2023

Rezensent Eike Gebhardt liest Martin Mulsows Ideengeschichte wie einen Krimi oder einen Abenteuerroman. Allerdings ist das Buch, das sich den verschlungenen Wegen des Ideentransfers während der Frühaufklärung widmet, prallvoll mit Wissen, meint Gebhardt. Wissen etwa über die fantastische Figur des Hermes Trismegistos und die vielen Übersetzungserrors im Reich religiöser Weltbilder. Davon erzählt der Autor laut Rezensent nüchtern, genau und in klug abwägender Perspektivierung. Vom Kampf der Kulturen mag Gebhardt spätestens nach dieser Lektüre nicht mehr reden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.2022

Rezensent Jürgen Osterhammel ergötzt sich an Martin Mulsows laut Rezensent ein wenig im Stil Hans Blumenbergs verfasster weit ausgreifender Erkundung der europäischen Gelehrtengeschichte. Mulsows Expertise auf diesem Gebiet steht für Osterhammel außer Zweifel. Und so lauscht er hingebungsvoll, wenn der Autor über globale Ideenmobilität ante litteram berichtet oder in Fallstudien den Verzweigungen des Hermetismus nachgeht. Die durch Theorie und Begriffe wie Kontext, Rahmen, Lieferkette gebändigte Materialfülle macht das Buch für Osterhammel zum anregenden Schatzkästchen.
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