Richard David Precht

Die Kosmonauten

Roman
Cover: Die Kosmonauten
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2003
ISBN 9783462032161
Gebunden, 383 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Dezember 1990: Nach Mauerfall und Vereinigung scheint die Geschichte kurz den Atem anzuhalten. Georg und Rosalie, zwei Mittzwanziger, die sich in Köln trafen, kommen nach Berlin-Mitte, um ihre Liebe und Freiheit zu leben. Während im Weltraum der letzte Kosmonaut der Sowjetunion einsam seine Runden dreht, erkunden die beiden die Stadt wie einen fremden Planeten. In langen Winternächten und an warmen Vorsommertagen lassen sie sich durch die Straßen treiben. Doch die schwerelose Zeit währt nicht lange. Rosalie geht in eine Werbeagentur, Georg wird Hilfstierpfleger im Ostberliner Tierpark. Ihr geheimes Einverständnis wird brüchig. Am 9. November überstürzen sich die Ereignisse...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.12.2003

Stephan Maus erkennt in diesem Berlin-Roman "ein kleines literarisches Wunder": Zwei Menschen lernen sich kennen, lieben und ziehen kurz nach dem Fall der Mauer nach Berlin. In ihrer Liebesgeschichte spiegele sich die jüngste Geschichte Berlins, wie der rezensent uns erzählt. Wie die Stadt selbst, so ist ihre Beziehung anfänglich voller Hoffnung und Improvisation. Und wie in Berlin die Euphorie des Möglichen langsam dem nüchternen Geschäftemachen weicht, so scheitert ihre Liebe und sie gehen getrennte Wege: Er wird ein selbstgenügsamer Tierpfleger, sie macht Karriere in einer Werbeagentur. Der Roman gerate zu einem melancholischen Abgesang, lobt Maus, der außerdem die amüsanten Tierbeschreibungen rühmt, die das Buch humorvoll zu einem Schlüsselroman über das Berliner Künstlergehege werden ließen. Kosmonauten sei ein "sehr schönes Buch", sprachlich originell und mit einem guten Sinn für Humor geschrieben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.05.2003

Im Grunde genommen keine schlechte Idee, meint Georg Diez, wenn man denn schon unbedingt einen Berlin-Roman schreiben muss, diesen in die Zeit vor dem großen Berlin-Hype zu verlegen. Im Grunde genommen, so Diez weiter, hat Richard David Precht auch gar keinen schlechten Berlin-Roman geschrieben, wenn, ja wenn das Wörtchen wenn nicht wäre. Wenn sich der Autor nicht zu viel vorgenommen hätte. Wenn der Roman kürzer, straffer, zielbewusster ausgefallen wäre. Wenn Prechts Sprache weniger selbstgefällig wäre. Erzählt wird die Geschichte von Georg und Rosalie, die sich verlieben und von Köln nach Berlin ziehen, wo sie, was sonst, eine Berliner Boheme-Existenz führen. Der Roman kommt Diez vor wie eine große leere Wohnung, in der jede einzelne Gegenstand großes Gewicht erhält, betastet und zurückgestellt wird, eine "Benennungs- und Befindlichkeitsprosa", die manchmal wie Herbert Grönemeyer klingt ("Sie begriffen ihr Leben hier und jetzt, zählten die Sterne, die ins Meer fielen, und erwarteten die Kinder wie den Regen", zitiert Diez zur Illustration seines Grönemeyer-Feelings) und ab und zu auch ein paar Treffer landet. Vielleicht war ja genau diese Gefühligkeit, dieses Ungefähre und In-der-Schwebe-halten das Ziel des Autors, gibt Diez zu bedenken; doch ändert dieser Einwand für ihn nichts an der Tatsache, dass der Autor seine Geschichte, seine Figuren und letztlich sogar Berlin aus den Augen verloren hat.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.03.2003

Interessant findet Ijoma Mangold diesen Roman allein schon, weil er es versuchsweise mit dem neuen Berlin und der Nationalgeschichte aufnimmt. Ein frisches Liebespaar zieht nach Berlin-Mitte, um dort am Puls der Zeit zu fühlen und die Liebe naturgemäß scheitern zu lassen. Precht, Jahrgang 1964 und wie seine Protagonisten aus Köln stammend, schreibt ein hübsches Deutsch, das aber diesem großen Thema nicht Genüge trägt, meint Mangold. So einfach lasse sich eben eine private Biografie nicht in die Weltgeschichte einfügen, die Beziehungsgeschichte dümpele "wie ein toter Appendix" neben der großen Geschichte. Die beiden Hauptfiguren bleiben schematisch, während Precht die Nebenfiguren recht gut gelingen, bemerkt Mangold. Auch die Position des allwissenden Erzählers hält er für einen Missgriff des Autors: er deute viel zu viel aus, was den Roman eher langatmig werden lasse. Möglicherweise wäre eine Novelle die geeignetere Form für den Stoff gewesen, überlegt Mangold.
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