Reinhard Brandt

Universität zwischen Selbst- und Fremdbestimmung

Kants 'Streit' der Fakultäten'. Mit einem Anhang zu Heideggers 'Rektoratsrede'
Cover: Universität zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
Akademie Verlag, Berlin 2003
ISBN 9783050038599
Kartoniert, 339 Seiten, 49,80 EUR

Klappentext

Der "Streit der Fakultäten" (von 1798) stellt den Antagonismus der drei oberen Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, Medizin) und der unteren Philosophischen Fakultät dar. Die Streitfragen sind Probleme der praktischen, nicht der theoretischen Vernunft; die in ihrer Wahrheitssuche freie Philosophie konfrontiert die oberen Interessen-Fakultäten, die unter der inhaltlichen Direktive der Regierung spätere Beamte ausbilden, erstens mit der autonomen Moral (gegen den äußerlichen Buchglauben der Theologen), zweitens mit der autonomen Republik der Französischen Revolution (gegen die Fremdbestimmung durch die von den Juristen unterstützten Despoten) und drittens mit der Diätetik (gegen die äußerliche pharmakologische und chirurgische Medizin). Heideggers Rektoratsrede bildet den Gegenpol zur liberalen Kultur der Auseinandersetzung bei Kant; sie ist nicht nur Reflex der Machtergreifung der Nationalsozialisten von 1933, sondern verdankt einen wesentlichen Impuls der Spätphilosophie Friedrich Schlegels. Die "Selbstbehauptung der Universität" kündet von der lebendigen Einheit der "völkischen" Universität und stellt deren Selbstbejahung gegen den Verneinungsgeist der üblichen Wissenschaften.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.12.2003

Dreierlei, erklärt Thomas Meyer, habe Reinhard Brandt hier unternommen: Zunächst einen "hochgelehrten, philologisch mustergültigen Kommentar" zu Kants Schrift "Der Streit der Fakultäten", den er dann mit Heideggers "Rektoratsrede" von 1933 kontrastiere, um zugleich ein Licht auf gegenwärtige Entwicklungen an deutschen Universitäten zu werfen. Insgesamt sei so ein "beeindruckendes Dokument engagierter Philosophie", nämlich ein Plädoyer für die "Freiheit der Lehre" entstanden. Entlang von Kants präzise interpretierter Schrift arbeite Brandt den Gedanken der "liberalen Kultur" heraus, dessen Maßstab er dann gezielt an Heideggers Rede anlege, um zu zeigen, wie darin die "nationalsozialistische Volksgemeinschaft" zur wissenschaftlichen Richtlinie wird. Und heute? Heute werde die Lehre Kants - also die "Autonomie der Moral" - vor allem vom Primat des Marktes gefährdet.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.11.2003

Rezensent Uwe Justus Wenzel zeigt sich recht angetan von Reinhard Brandts "gelehrter Studie" über Immanuel Kants 1798 erschienene Schrift über den "Streit der Fakultäten". Kant verteidigt darin die Autonomie der Universität gegen die Einflussnahme von Politik und Kirche. Wenzel hebt hervor, dass sich Brandt vor allem mit Kants Vorstellung beschäftigt, es gebe eine Vernunftidee der Universität "im emphatischen Sinn". Demnach sehe Kant diese Idee nur in der philosophischen Fakultät, die Mathematik, Philosophie sowie die geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Disziplinen umfasste, verwirklicht. Nur sie suche die ungeschmälerte Wahrheit, während die Fakultäten der Theologie, Jurisprudenz und Medizin dem Wohlergehen des Landes verpflichtet und damit interessengeleitet seien.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.11.2003

Reinhard Brandts "Universität zwischen Selbst- und Fremdbestimmung" hat Rezensent Dieter Langewiesche rundum überzeugt. Wie er berichtet, zeigt Brandt, dass Kants Idee einer Universität, die in der Wissenschaft zugleich autonom und nützlich ist, keineswegs überholt ist. Kant habe Brandt zufolge eine Universität vor Augen, die im stets unabgeschlossenen Projekt Aufklärung ihren Ort nur finden könne, "wenn sie die Suche nach Wahrheit und nach nützlichem Wissen innerhalb ihrer Mauern zusammenführt". Es liege nicht im Interesse von Staat und Gesellschaft hier regelnd einzugreifen. Gegen diese Idee der Universität stellt Brandt zwei Gegenpositionen: Martin Heideggers Rektoratsrede von 1933 und die gegenwärtigen Eingriffsversuche seitens Markt und Verwaltung. Brandts kritische Analyse von Heideggers "Rektoratsrede", in der Heidegger von einer völkisch autarken Universität phantasierte, wo die "Verkündung der puren Wahrheit" keinen Widerspruch duldet, findet Langewiesches ungeteilte Zustimmung. Zu seinem Bedauern geht Brandt auf die "heutige Gefährdung" der Universitäten ein wenig zu kurz ein.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.10.2003

Reinhard Brandt macht sich Sorgen um die freie Selbstbestimmung der Universitäten, und zwar völlig zu Recht, findet Wolfgang Frühwald. Kant hatte dieses Prinzip einst formuliert, in seiner Schrift über den "Streit der Fakultäten", die Brandt zufolge "auf die Zukunft Europas (und des freien Denkens) in einer von Wissen und Wissenschaft geprägten Welt" verweise - einer Zukunft, die gegenwärtig durch Materialismus verbaut werde. Mit dieser Erkenntnis erhalte Brandts Arbeit eine über die philosophische Fachdiskussion hinaus gehende Dringlichkeit. Kants Streitsschrift steht in Brandts Buch Heideggers Rektoratsrede vom Mai 1933 gegenüber - ihr "völkisch-irrationalistisches Gegenstück" sei sie. Indem er Heideggers Rede aus dessen Philosophie herleite und als "völlige Assimilation an den völkischen 'Führergrundsatz'" deute, habe Brandt eine "fulminante Polemik gegen Verharmlosung und Umdeutung" geschrieben. Während aber Heidegger die Kant'schen Grundsätze verneinte, drohen sie heute einfach dem Profitstreben zum Opfer zu fallen - die Gefahr, da sind sich Autor und Rezensent einig, ist nicht kleiner geworden.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de