Lothar Gall

Walther Rathenau

Porträt einer Epoche
Cover: Walther Rathenau
C.H. Beck Verlag, München 2009
ISBN 9783406576287
Gebunden, 298 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Zwischen der Suche nach dem radikal Neuen, einer neuen Kunst, einer neuen Literatur, einer neuen Gesellschaft, einer neuen Politik, und der Furcht vor dem Verlust aller Traditionen und überkommenen Gewissheiten, treibt die Epoche vor dem Ersten Weltkrieg der "Urkatastrophe" des Jahrhunderts zu. Keine andere zeitgenössische Gestalt verkörpert die allgegenwärtigen Widersprüche dieser Zeit so markant wie Walther Rathenau - der Krösus und Unternehmer, Mäzen und Philosoph, Kunstkritiker und Politiker, Insider und Außenseiter in einer Person war. Wie eine Sonde nimmt Lothar Gall die Figur Rathenaus und führt uns anhand seiner Biographie in die Innenwelt der Zeit um 1900, ihre Spannungen und Konflikte, aber auch ihre ungeheure produktive Unruhe. Das Resultat ist eine eindrucksvolle Neubewertung des wilhelminischen Fin de siecle und ein nuanciertes Portrait Rathenaus als Phänotyp seiner Epoche.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.05.2009

Rezensent Matthias Lohre kann sich nicht wirklich für Lothar Galls Buch über Walther Rathenau erwärmen. Für ihn ist Rathenau eine der schillerndsten, widersprüchlichsten und spannendsten Persönlichkeiten im Deutschland nach 1900 - ein überaus lohnender Gegenstand für eine Biografie. Zu seiner Enttäuschung hat Gall daraus nicht viel gemacht. Der Rezensent hält dem Historiker vor, viele wichtige Aspekte der Biografie Rathenaus einfach zu ignorieren, etwa seine vermutliche Homosexualität, die Verachtung für den technikversessenen Vater, die Verehrung der musischen Mutter usw. Das Interesse des Autors sieht Lohre vor allem bei den gesellschaftlichen Umwälzungen um 1900, ein Ansatz, der ihm durchaus klug erscheint, würde Gall denn die angespannte Atmosphäre im späten Kaiserreich und der Weimarer Republik am Leben Rathenaus anschaulich machen. Das aber tut der Autor zum Bedauern des Rezensenten nicht, der sich erst einmal durch 150 Seiten "voller Wiederholungen und holpriger Schachtelsätze" quälen musste, "um zu den ersten kargen Worten über Rathenaus Charakter zu gelangen".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.05.2009

Cord Aschbrenner ist schwer beeindruckt, auf wie knappem Raum es dem emeritierten Frankfurter Historiker Lothar Gall gelingt, Walther Rathenau als "Symbolfigur" der Umbruchsepoche vor dem Ersten Weltkrieg darzustellen. Der Autor schildert Rathenau als vielseitig begabten, allen neuen kulturellen Strömungen aufgeschlossenen Mann, der gleichwohl "überall ein Außenseiter" blieb, wie der Rezensent feststellt. Er sieht die Epoche überaus klug und plastisch gezeichnet, wobei er besonders das Verlangen nach Erneuerung in dieser bewegten Zeit erfasst sieht. Deshalb findet Aschbrenner auch nicht weiter schlimm, dass der "Mensch Rathenau" in diesem Buch nicht wirklich greifbar wird.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2009

Reichlich Gewinn hat Rezensent Volker Ullrich aus der Walther-Rathenau-Biografie des Frankfurter Historikers gezogen. Dies ist, schreibt Ullrich, keine herkömmliche Biografie, sondern ein Epochenporträt, das mit dem Unternehmer, Politiker und Literaten Rathenau den Phänotyp des Zeitalters um 1900 samt seiner "ungeheuren Unruhe" und seinen "ungelösten Spannungen" präsentiert. So verorte Lothar Gall Rathenau im Unternehmer- und Intellektuellengefüge jener Jahre ebenso wie er die politischen, gesellschaftlichen und intellektuellen Tendenzen des wilhelminischen Deutschlands als Labor der Moderne darstelle. Auch habe Gall sich intensiv mit Rathenaus wichtigsten Werken befasst, in denen er den späteren deutschen Außenminister als scharfsinnigen Beobachter seiner Zeit mit ihren Gefahren und Möglichkeiten kennenlernte. Man spürt am Ende leichtes Bedauern des Rezensenten, dass Lothar Gall nicht näher auf die Umstände des Mordes an Rathenau und seine Drahtzieher eingegangen ist, da die Abschnitte über die Weimarer Republik eher den Epilog des Buches bildeten. Doch was das Buch zu bieten hat, findet er insgesamt faszinierend genug.