Karin Huser

Eine revolutionäre Ehe in Briefen

Die Sozialrevolutionärin Lidija Petrowna Kotschetkowa und der Anarchist Fritz Brupbacher
Cover: Eine revolutionäre Ehe in Briefen
Chronos Verlag, Zürich 2003
ISBN 9783034006408
Gebunden, 434 Seiten, 38,80 EUR

Klappentext

Mit 44 Abbildungen. Es gibt Menschen, die bereit sind, für eine Idee alles zu geben. Dies trifft auch auf die russische Sozialrevolutionärin Lidija Petrowna Kotschetkowa und den Schweizer Anarchisten Fritz Brupbacher zu, welche die Gesellschaft verändern wollten und deshalb ihre Kräfte kompromisslos in den Dienst der revolutionären Bewegung stellten. Sie gaben sich 1901 in Zürich das Jawort, lebten aber größtenteils getrennt, da beide im eigenen Land politisch tätig sein wollten: Kotschetkowa als Landärztin in den Gouvernements Wladimir und Smolensk und später als Revolutionärin in Saratow an der Wolga im Untergrund des Zarenreiches, Brupbacher als Arbeiterarzt und anarchistisch orientierter Lokalpolitiker in Zürich. Trotz der geografischen Trennung glaubte das Ehepaar an die Beständigkeit der Liebe, bis der Spaltpilz der geografischen Entfernung, der kulturellen Missverständnisse und der unterschiedlichen lebensweltlichen Wahrnehmung sie nach achtzehn Jahren wieder auseinander brachte. Ein in Umfang und Dichte einzigartiges Konvolut von rund sechstausend Briefen, Postkarten und Telegrammen, das sich über die Zeit von 1897 bis 1915 erstreckt, dokumentiert einerseits eine unkonventionelle Ehe. Andererseits wird durch die Auswertung der Briefe Kotschetkowas sowie Quellen der russischen Geheimpolizei nicht nur ihre Lebensgeschichte - soweit möglich - rekonstruiert, sondern auch die Basisarbeit der Partei der Sozialrevolutionäre im Zarenreich von 1905 bis 1909 analysiert. Daraus resultieren neue Erkenntnisse bezüglich der Organisation, der Probleme und der Resonanz revolutionärer Untergrundarbeit in der russischen Provinz.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.01.2004

Die Rezensentin Caroline Schnyder findet das Unterfangen Karin Huser sehr gelungen, ausgehend von der Korrespondenz eines interessanten, aber schrägen Paares auch ein Stück Zeitgeschichte zu erzählen. Sie "überzeugt, weil sie aus den Quellen die Fäden des Persönlichen und des Gesellschaftlichen zunächst entwirrt und in der Darstellung zu einem Bild verknüpft." Dabei konzentriert sie sich stärker auf die russische sozialrevolutionäre Ärztin Lidija Petrowna als auf ihren Ehemann, den Schweizer Anarchisten Fritz Brupbacher. Die Ehe der beiden spielte sich im wesentlichen in Briefen ab, von 1897 bis 1915 gingen zwischen Russland und der Schweiz etwa 6.000 Briefe hin und her. Und obwohl Huser die Zitate aus den Briefen "mit anderen Zeugnissen kontrastiert" und so nicht einfach den "Hauptfiguren das Wort überlässt", sind sie doch das zentrale Element dieses Buch, findet Schnyder: "Die Darstellung folgt der Dramaturgie der Briefe bis in die Stimmungswechsel". Petrowna war von einer starken Unzufriedenheit angetrieben und wurde immer nationalistischer und anti-westlicher. 1916 ließ sich das Paar scheiden, weil sie sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt hatten. Für die Rezensentin kristallisiert sich in diesen Biografien heraus: "die beiden führten wohl weniger eine 'revolutionäre Ehe' als die Ehe von Revolutionären."