Jonathan Safran Foer

Hier bin ich

Roman
Cover: Hier bin ich
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2016
ISBN 9783462048773
Gebunden, 688 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Henning Ahrens. Julia und Jacob Bloch, die mit ihren drei heranwachsenden Söhnen in Washington, D.C. wohnen, haben ein Problem. Genauer gesagt, sie haben viele Probleme: Jacobs hochbetagter Großvater soll ins Altersheim, will aber nicht, ihr ältester Sohn droht von der Schule zu fliegen, dabei wollen sie in ein paar Wochen seine Bar Mizwa feiern. Geplant ist ein großes Familienfest, zu dem auch die Verwandtschaft aus Israel anreist, was die angespannte Stimmung im Hause Bloch weiter anheizt. Und dann macht Julia eine Entdeckung, die alles infrage stellt, ihre Ehe, ihre gemeinsamen Werte, die Zukunft der Familie … Während sich die häusliche Krise zuspitzt, dräut am Horizont ein globales Desaster: Ein katastrophales Erdbeben im Nahen Osten führt zu einem gewaltigen internationalen politischen Konflikt, der auch die Familie Bloch im Kern trifft.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.01.2017

Andrea Köhler kämpft ein bisschen mit der Dialogseligkeit der Figuren in Jonathan Safran Foers neuem Roman. Dass dem Buch ein nicht verwirklichtes Serien-Skript zugrundeliegt, merkt sie dem Text an. Davon abgesehen aber findet sie die Lektüre tiefsinnig, die Figuren ans Herz gehend und die Story (um die innerfamiliären Auswirkungen einer Trennung, um Liebe und Einsamkeit) unterhaltsam. Die vielen Gelegenheiten zu Exkursen über Masturbation, die Virilität des jüdischen Mannes und 7.000-Dollar-Matratzen nutzt der Autor laut Köhler gern und ausgiebig.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.01.2017

Jonathan Safran Foers neuer Roman ist keineswegs nur ein autobiografisch geprägter Scheidungsroman, klärt Rezensentin Ingeborg Harms ihrer Kritikerkollegen auf. Vielmehr stelle Foer hier die Frage nach jüdischer Identität in einer säkularen Welt, fährt die Kritikerin fort und dechiffriert zunächst die zahlreichen alttestamentarischen Verweise dieser Geschichte um die jüdische Familie Bloch. Darüber hinaus liest die Rezensentin neben verschiedenen jüdischen Gepflogenheiten und Traditionen auch einen hochpolitischen Roman, in dem Foer Israel nach einem schweren Erdbeben in einen Krieg mit seinen Nachbarländern treten lässt. Zu einem eindeutigen Urteil kann sich Harms nicht durchringen, immerhin verrät sie aber noch, dass Foer mit seinem "Textsorten-Patchwork" hier ganz auf die poetologischen Prinzipien der Postmoderne setze.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.12.2016

Jörg Häntzschel verliert die Geduld mit Jonathan Safran Foer. Dessen neues Buch hält er zwar für ein passables Sitcom-Drehbuch (von Foers nicht realisierter TV-Serie "All Talk"?), als Roman taugt der Text für Häntzschel aber nur bedingt. Zu offensichtlich sind ihm die Midlife-Crisis-Probleme der Charaktere, zu sentenzenhaft die Dialoge, die durch eine lieblose Übersetzung noch problematischer werden, wie der Rezensent findet, zu larmoyant schließlich das Gerede über Ehekrisen und schwierige Verhältnisse zum Judentum. Gar beinahe geschmacklos wird es für Häntzschel, wenn Foer seinen Text mit einem apokalyptischen Konflikt zu würzen versucht, damit sich sein jammernder Held endlich als Mann und Jude beweisen kann.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 17.12.2016

Nach elf Jahren ist endlich ein neuer Roman von Jonathan Safran Foer erschienen und Rezensent Klaus Nüchtern wird auf ganzer Linie enttäuscht: Die Geschichte um die jüdischen Cousins Tamir und Jacob, in der auf 700 Seiten neben jüdischer Identität und "Yasmina-Reza-hafter" Mittelstandsentlarvung auch noch ein beinahe bis zur Vernichtung reichender Krieg verschiedenster Staaten gegen Israel verhandelt wird, kommt leider nicht in die Gänge, bemängelt der Kritiker. Denn Foer verliert sich nicht nur immer wieder in endlosen Konversationen eines in die Jahre gekommenen Ehepaares, sondern streckt jene auch noch mit nervtötenden Einschüben, Rückblenden und Aufzählungen, klagt Nüchtern. Und dass sich Foer für seine klischierten, manieriert beschriebenen und zur permanenten Selbstentblößung neigenden Figuren scheinbar selbst wenig interessiert, macht den Roman für den Rezensenten nicht eben spannender.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.12.2016

Nur 200 Seiten kürzer hätte sich Rezensent Markus Schwering Jonathan Safran Foers neuen Roman "Hier bin ich" gewünscht, vielleicht hätte das einige der Schwächen, die er diesem opus magnum vorzuwerfen hat, behoben. Am schwersten wiegt jedoch die rhetorische Überformung der ausführlichen Dialoge über jüdische Heimat und Diaspora zwischen den Protagonisten, Mitglieder aus vier Generationen einer jüdischen in den USA lebenden Familie, so der Rezensent. Trotzdem sei die beeindruckende Kraft und Fülle des Romans nicht von der Hand zu weisen. "Eindringlich-minuziös", lesen wir, setzt sich Foer nicht nur mit jüdischer Identität auseinander, sondern auch mit dem Grundproblem, wie man in der modernen Gesellschaft mit all ihren Rollenanforderungen überhaupt noch "ich" sagen und meinen kann. Am Ende, so scheint Schwering sagen zu wollen, überwiegen die Stärken des Romans.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.11.2016

Eine lange Kritik, die Eva Behrendt da verfasst hat. Viel Licht wirft sie aber nicht auf diesen Roman. Vordergründig geht es um einen jüdisch-amerikanischen Schriftsteller, der mit Frau und zwei Kindern in Washington DC lebt und dessen Ehe auseinanderbricht. Und dann gehts um die Weltlage, ein Erdbeben im Nahen Osten. Beide Erzählstränge dienen, wenn man Behrendt richtig liest, vor allem dazu, die Identität des Autors zu schärfen, der ewig unentschlossen, abschweifend, kreisend eine Selbstbestimmung anstrebt. Inwiefern das gelingt, bleibt offen. Aber die totale Konzentration auf das eigene Ich, die Behrendt da beschreibt, klingt in ihrer Rezension doch sehr abtörnend.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.2016

Sandra Kegel kann diesem Roman um das unglückliche Washingtoner Ehepaar Jacob und Julia viel Positives abgewinnen, denn Jonathan Safran Foer weiß mit "unglaublicher Rasanz" zu erzählen, mit viel Komik und einem guten Gespür für Irrwitz und Ambivalenz des modernen Lebens. Auch den Aspekt der unbedingten Verbundenheit, der in dem abrahamitischen Titel anklingt, findet sie ansprechend. Dennoch wird sie nicht ganz glücklich mit diesem Buch. Einerseits ist ihr die Scheidungsgeschichte zu konventionell geraten, von der Tristesse des Mittelklasse-Lebens liest sie hier nicht zum ersten Mal. Und auch die Gegenüberstellung von privater Misere und politischen Katastrophen im Nahen Osten, die Foer aufreißt, hebt in ihren Augen, ob beabsichtigt oder nicht, eher ungut die Ichbezogenheit des Protagonisten hervor - zumal Foers eindimensionales Israel-Bild als sicherer Zufluchtsort auch Benjamin Netanjahu gefallen dürfte, wie Kegel etwas spöttisch bemerkt. Von der "Great American-Jewish-Novel" ist der Roman weit entfernt, stellt die Rezensentin fest.
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