Juliana Kalnay

Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens

Roman
Cover: Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783803132840
Gebunden, 192 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Im Haus mit der Nummer 29 wohnt zuallererst Rita, fast so alt wie das Haus selbst. Sie ist Beobachterin, Schlichterin und Richterin, ein Knotenpunkt mit geheimnisvollen Fähigkeiten und Absichten. Außerdem das Ehepaar Lina und Don, deren Liebe auch Dons fundamentale Verwandlung ziemlich fruchtbringend überdauert. Es gibt einen unbemerkten Mitbewohner, der sich im Aufzug einnistet, es gibt ein Kind, das sich durch Mauern beißt, und eine Wohnung, die ihre Mieter förmlich verschluckt. Rita sieht, was keiner zeigt, und sie versteht, was keiner sagt. Doch bevor sie ihr Wissen weitergeben kann, ist die kleine Maia auf rätselhafte Weise verschwunden.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.05.2017

Rezensentin Carola Ebeling lässt dem gemeinsamen Kaffee mit Juliana Kalnay eine hymnische Besprechung folgen. Wenn die junge Autorin in ihrem Debütroman der Realität den Boden entzieht und dabei eine "surreal logische" Welt eröffnet, meint die Kritikerin, eine äußerst seltene Stimme in der deutschsprachigen Literatur zu vernehmen. Und so begleitet sie Kalnay gebannt durch ein organisch wirkendes Mietshaus, in dem nicht nur die Wände atmen, sondern die Bewohner sich auch an Kuriosität und Rätselhaftigkeit gegenseitig überbieten. Großartig, wie Kalnay ihre Prosaminiaturen zu einem "poetischen" Gebilde verknüpft und dem Leser dabei bisweilen unheimliche "Assoziationsräume" eröffnet, schwärmt Ebeling.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.04.2017

Juliana Kalnays Debütroman erscheint Rezensentin Marie Schmidt wie ein "Skizzenbuch", in dem die Autorin mit nur wenigen lakonischen Strichen kurze Prosastücke entwirft, die das Vorstellungsvermögen der Leser immer wieder herausfordern. Gern hat sich die Kritikerin auf das Spiel eingelassen, sie staunt zudem, wie Kalnay in ihrer an George Perecs Roman "La vie mode d'emploi" erinnernden Geschichte um ein Mietshaus und seine Bewohner immer wieder die "semantische Offenheit" der Sprache beschwört. Zugleich muss die Rezensentin aber feststellen, dass sie sich mit Blick auf die Handlung ein wenig mehr Kontingenz und bei all der "Zauberhaftigkeit" auch ein wenig Bezug zur Realität gewünscht hätte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.02.2017

Hymnisch bespricht Simon Strauss Juliana Kalnays Debütroman, der ihm in kurzen, leichthändig verknüpften und stimmungsvollen Vignetten vom Leben in einem geheimnisvollen Mietshaus erzählt. Fantasievoll, achtsam, geradezu "romantisch dicht" findet der Kritiker, wie die junge Autorin ihre kuriosen Figuren schildert, die sich für "hastige" Dialoge im Treppenhaus treffen und deren Biografien schnell verschwimmen und doch eine außergewöhnliche Sogkraft ausüben. Selten hat Strauss außerdem eine so "berührende" Baumsex-Szene gelesen wie in dieser magisch realistischen "Wunderkugel" von einem Roman.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.02.2017

Juliana Kálnays hat in Hildesheim kreatives Schreiben studiert, in ihrem surrealen Debütroman nutzt sie die erworbenen Fähigkeiten jedoch nicht dazu, eigene Erfahrungen zu verarbeiten, sondern um die Sprache selbst zu erforschen, lobt Rezensentin Cornelia Geißler. Handlungsraum ist ein vierstöckiges Wohnhaus in einer unbekannten Straße in einem unbekannten Ort, lesen wir. Hier spielt sich Fantastisches ab, so die Kritikerin. Zeit und Raum werden dekonstruiert, die Bewohner treten als Einzelne oder als Gruppen in Erscheinung, erzählen, brechen ab, werden unterbrochen, unterhalten sich, wobei eine komplexe Dynamik entsteht, die von Rhythmuswechseln und Pausen lebt. Doch so magisch, so fantastisch es hier zuzugehen scheint, lassen sich in diesem Roman auch aktuelle bzw. zeitlose Aspekte ausfindig machen, meint der beeindruckte Rezensent, eine "Allegorie auf die Einsamkeit" zum Beispiel und ein Bild für die "Suche nach einem Miteinander".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.02.2017

Juliana Kalnays Debütroman über ein Mietshaus und seine merkwürdigen Bewohner ist für Cornelius Wüllenkemper eine Art Wimmelbild. Die vielen grotesken Szenen und rätselhaften Figuren, mit denen die Autorin ihren Text bevölkert, scheinen dem Rezensenten allerdings durchaus ernste Fragen aufzugeben: Kann man den Auskünften der Erzählerin Rita (eine unter vielen) über ihre Nachbarn glauben? Was hat es überhaupt mit der Wahrheit auf sich? Verbirgt sich in den Geschichten eine Kritik an der Anonymität heutigen Wohnens? Die Leichtigkeit, mit der Kalnay mit Tonlagen, Erzählhaltungen und Formen umgeht, hat Wüllenkemper jedenfalls ganz schön beeindruckt.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 04.02.2017

Einen wunderbaren Debütroman hat Rezensent Rainer Moritz mit Juliana Kalnays "kurzer Chronik des allmählichen Verschwindens" entdeckt. Von der jungen Absolventin der Uni Hildesheim zunächst auf die falsche Fährte gelockt, stellt der Kritiker bald fest, dass dieser Roman an magischen Momenten so überreich ist, dass Moritz unweigerlich an die Meister des magischen Realismus denken muss. Derart fasziniert streunt der Rezensent mit der Autorin durch ein Mietshaus, in dem die Bewohner mit den Wänden verschmelzen, beobachtet, wie die Mieter zu "Schattenwesen" werden und staunt, wie Kalnay die Grenzen zwischen Mensch, Tier und Pflanze verschwimmen lässt. Nicht zuletzt lobt der Kritiker Kalnays stilsicheren, eigenen und "skurrilen" Tonfall und das gelungene Switchen zwischen typografisch abgesetzten Dialogen und schmissigen Prosa-Passagen.