Günter Gaus

Widersprüche

Erinnerungen eines linken Konservativen
Cover: Widersprüche
Propyläen Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783549071816
Gebunden, 400 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Als Chefredakteur des Spiegel hat er Brandts Ostpolitik den Weg geebnet, als erster Leiter der "Ständigen Vertretung" der Bundesrepublik in der DDR hat er wichtige deutschlandpolitische Weichen gestellt, als Vertrauter Herbert Wehners und Willy Brandts hat er tiefe Einblicke in deren Deutschlandpolitik gewonnen, als Begründer der legendären Fernseh-Interviewreihe "Zur Person" hat er ein Stück Zeitgeschichte geschrieben: Günter Gaus zählte zu den einflussreichsten Journalisten und Publizisten der Bundesrepublik.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.01.2005

Dass Günter Gaus seine Erinnerungen so "völlig frei von Selbstbespiegelung und Eitelkeitspirouetten" niedergeschrieben hat, hat Rezensent Rudolf Walther am meisten fasziniert. Das Buch des 2004 verstorbenen Journalisten, Staatssekretärs und ersten Ständigen Vertreters der BRD in der DDR vermittle nicht nur Einblicke in die Medienwelt der Wirtschaftswunderzeit, sondern zeige vor allem, was Gaus ausgemacht hat: in drei Kapiteln, die nach Ansicht des Kritikers "zu den besten" des Werks gehören, erinnert der Autor sich in "einfühlender Art" an seine Kindheit und Jugend in Niedersachsen, beschreibt seine Liebe zu schwachen und einfachen Leuten und seinen Respekt vor seiner hart arbeitenden Familie, für die er immer "vorbehaltlos" eingetreten sei. Auch die Zeit als Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, dem Spiegel und beim ZDF sei mit dem gleichen Niveau beschrieben, das einst die legendären "Zur Person"-Interviews auszeichnete. Die "eleganten" und "präzisen" Darstellungen sind es, die Interviews und dieses Buch zu einer "Kunst" erheben.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.12.2004

Als "kluge Autobiografie" und als das "bislang beste Buch über seine Generation" lobt Rezensent Jürgen Busche diese Erinnerungen des im Mai 2004 gestorbenen Journalisten Günter Gaus. Busche schildert die Stationen von Gaus' "imponierender Karriere" - Programmdirektor beim Südwestfunk, Chefredakteur beim Spiegel, Staatssekretär in der "Ständigen Vertretung" der Bundesrepublik in der DDR - und würdigt ihn als eine der "angesehensten Figuren der deutschen Fernsehgeschichte". Er berichtet auch über Gaus' gutes Verhältnis zu Helmut Kohl, mit dem er, obwohl ein Mann links der Mitte, einiges gemein gehabt habe, und seine über Bergen-Belsen und Auschwitz gewonnne Desillusionierung und Neuorientierung nach dem Tod Hitlers: "Die gewonnenen Einsichten, das Bewusstsein von Verantwortung, von Freiheit und ihrer Bedrohtheit verließ ihn kaum einmal." "Noch nie hat man ein besseres, ein schöneres Buch über die um 1930 herum Geborenen gelesen, über ihr Glück und darüber, wie sie in die Bundesrepublik fanden", resümiert Buche. "Über ihre Fehler kann man ein andermal reden."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.11.2004

Seinem Titel gereicht dieser Memoirenband nicht zur Ehre, moniert ein enttäuschter Helmut Lölhöffel: "Allerlei liebenswürdige Sprüche", bloß keine "Widersprüche" gibt Günter Gaus in dem Fragment gebliebenen Band von sich. Fast hat man den Eindruck, der Kritiker sei ein wenig erleichtert darüber, dass Gaus seine Autobiografie nicht hat vollenden können, so öde scheint das, was der herausragende Journalist zu Papier gebracht hat. Die Schilderung von Kindheit und Jugend in einer bürgerlich-spießigen Gemüsehändlerfamilie (aus Braunschweig) sei "belanglos", außerdem kokettiere Gaus bisweilen mit seiner ausgeprägten Eitelkeit. Wichtige Fragen, etwa zu seinem krassen Wechsel vom Journalismus zur Politik, finden dagegen keine befriedigende Beantwortung. Und wenn Gaus freimütig zugibt, mehrmals die Grenze vom Befrager zum Berater überschritten zu haben, vermisst der Rezensent ein gewisses Maß an retrospektiver Selbstkritik von dem Mann, der so hohe Ansprüche an andere stellte. Eine Überraschung hält der Band dann doch für Lölhöffel parat: Das Urheberrecht der viel zitierten und kritisierten Formel "Gnade der späten Geburt" gehört eigentlich Günter Gaus und wurde von Helmut Kohl "falsch verstanden" und einfach abgeschrieben. Man merke: Abschreiben lohnt sich nicht!
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.11.2004

"Günter, du hast ein paar wunderbare Erinnerungskapitel geschrieben", lobt Haug von Kuenheim den Freund Günter Gaus, der bis zu seinem Tode an diesen Memoiren gearbeitet hatte. "Ein Jammer", dass Gaus seine Erinnerungen nicht mehr vollenden konnte und seine Zeit als erster Leiter der Ständigen Vertretung in Ostberlin nun unerzählt bleibt, klagt der Rezensent. Nun liegt also nur die Erzählung des "ersten Lebens" bis 1973 vor, die dafür aber "reich an Details, amüsant und immer wieder nachdenklich" präsentiert wird. Als recht "wohltuend" empfindet Kuenheim den sachlichen und zurückhaltenden Stil des Buches, der "angenehm altmodisch" wirkt und sich vom oft unduldsamen Diskussionsgebaren des Journalisten und Politikers abhebt. Als eines der besten und "einfühlsamsten" Kapitel des Buches nennt Kuenheim die Passage über Herbert Wehner, dem hier ein "großartiges Porträt" gewidmet wird. Günter Gaus' Erinnerungen seien ein "wichtiges Dokument der Zeitgeschichte", aber auch einfach eine "sehr lesenswerte" Geschichte, schließt der Rezensent.