Dermot Healy

Der Lachsfischer

Roman
Cover: Der Lachsfischer
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2000
ISBN 9783455029741
Gebunden, 479 Seiten, 22,96 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek. Am Beginn und am Ende des Romans steht Jack Ferris auf einer Brücke und wartet auf seine Geliebte Catherine. Beim ersten Mal wartet er vergeblich, und diese Enttäuschung verändert sein Leben dramatisch. Er erlebt zunächst den furchtbaren Abstieg in die Selbstzerstörung. Er, der als Fischer und Schriftsteller ein zurückgezogenes Leben auf der rauhen Halbinsel Mullet geführt hatte, verliert den Boden unter den Füßen und muss versuchen, in einer anderen Welt zu leben, einer Welt ohne Catherine.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.08.2000

Friedhelm Rathjen zählt diesen Roman "ohne Zweifel zu den eigenwilligsten und dabei insgesamt auch gelungensten Romanen" der neueren irischen Literatur - auch wenn er an dem ein oder anderen Aspekt etwas auszusetzen weiß. Rathjen hebt vor allem die Widersprüche und Gegensätze in diesem Roman hervor, die aufeinander prallen und oft als unüberbrückbar erscheinen - so den Streit der Konfessionen, den Gegensatz von Stadt und Land oder auch von Fischer- und Künstlerleben. Für Rathjen entstehen dadurch "Zwischenräume", die für ihn zu den ausgemachten Stärken des Buchs gehören. Auch die "ausgeklügelte und sehr unaufdringliche Metaphorik" sieht der Rezensent hier souverän gehandhabt. Probleme sieht Rathjen dort, wo Healy zu ambitioniert erscheint und zuviel zugleich schildern möchte. Auch die Sprache, die ihm eigentlich gut gefällt, rutscht in den Passagen über Belfast seiner Ansicht nach bisweilen ins "Thesenhafte" ab. Seiner Begeisterung für das Buch tut dies - wie er ausdrücklich betont - keinen wirklichen Abbruch.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.07.2000

In einer Doppelrezension bespricht Bruno von Lutz zwei Romane irischer Autoren. Dabei stellt er fest, dass der Erfolg Frank McCourts mit seinen Jugenderinnerungen offenbar zur Nachahmung anregt.
1.) Peter Sheridan: "Dublin im Herzen" (List Verlag)
Weitgehend neutral bespricht der Rezensent diesen Roman. Weder zeigt er sich besonders beeindruckt, noch mündet die Besprechung in einem Verriss. Wirklich "bewegend - und stilistisch hervorragend" scheint er nur eine Szene zu finden: die, in der der Bruder des Protagonisten stirbt. Ansonsten diagnostiziert von Lutz in diesem Roman die typisch irischen Ingredienzien: Einfluss der Kirche, drohende soziale Havarie, die Mutter, die die Familie zusammenhält und einen etwas realtitätsfernen Vater, der vergebens an neuen technischen Errungenschaften tüftelt - alles geschildert mit "liebenswerter Ironie und gekonnter Situationskomik", so der Rezensent.
2.) Dermot Healy: "Der Lachsfischer" (Hoffmann & Campe)
Sehr viel ernster geht es in diesem Roman zu, findet der Rezensent. Healys Thema ist der Konflikt zwischen dem Norden und Süden Irlands und die Liebesgeschichte zwischen einem Katholiken und einer Protestantin. "Etwas bemüht" findet von Lutz allerdings Healys Bestreben, den Konflikt zwischen den politisch-konfessionellen Fraktionen "in einer einzigen Totale" darzustellen. Auch das allzu "ambitionierte Konstrukt des Romans" gehört nach Ansicht des Rezensenten zu den Schwächen des Buchs. Allerdings scheint ihm die zu Grunde liegende Idee zu gefallen, nämlich dass die idelogische Zugehörigkeit zu einer Gruppe zum Verlust auf menschlicher Ebene führt. Darüber hinaus zeigt er sich beeindruckt, wie Healy die Schwierigkeiten im Kommunikationsverhalten in diesem komplizierten idelogischen Dunstkreis aufzeigt. So ist es dem Protagonisten Jack durch seine mangelnde Kenntnis der Kommunikationsformen in dieser ihm feindlich gesonnenen Atmosphäre kaum möglich, etwas zu tun, was sich im Nachhinein nicht als "Fehltritt" erweist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.04.2000

Wieder ein großer irischer Erzähler, der eine Geschichte zu Nordirland und Irland geschrieben und sie mit "allgegenwärtiger Doppelbödigkeit" und großer "topografischer Genauigkeit" gemeistert hat, schreibt H. G. Pflaum begeister in seiner ausführlichen Besprechung. Zunächst kritisiert der Rezensent allerdings den deutschen Titel: das englische Original heisst "The Goat?s Song" und meint den antiken Bocksgesang, - ein deutlicher Hinweise auf die große Tragödie, die hier verhandelt ist. Obwohl es im Wesentlichen um die unglückliche protestantisch-katholische Liebesgeschichte zwischen Jack und Catherine, Bühnenautor und Schauspielerin, geht, ist "Kern und Höhepunkt" des Romans, so Pflaum, ein "großes Todeskapitel". In ihm ist Rückzug und Tod des nordirischen Presbyterianers Jonathan Adams, Vater von Catherine, verhandelt, dessen grösster Schock seine eigene Gewalt gegen demonstrierende Katholiken 1968 in Derry gewesen ist, und der sich im Alter aufs Gälisch-Lernen inmitten einer katholischen Umgebung konzentriert hat. Hier durchmisst der Autor, schreibt Pflaum "eine archaische irische Seelenlandschaft", die sich von konfessionellen Glaubensvorstellungen entfernt hat und die "Mythologie" Irlands als Ruhepunkt findet. Er sei "der größte", hat sein Kollege Roddy Doyle über Healey gesagt, zitiert Pflaum, und ist selbst wohl nicht abgeneigt, ihm nach dieser "hoch empfindlichen" Darstellung des irischen "Erbes in den Köpfen und in den Emotionen" zuzustimmen.
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