Annelie Ramsbrock

Geschlossene Gesellschaft

Das Gefängnis als Sozialversuch - eine bundesdeutsche Geschichte
Cover: Geschlossene Gesellschaft
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2020
ISBN 9783100025173
Gebunden, 416 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Das Gefängnis ist eine Institution, die unsere Gesellschaft herausfordert: Die Haft beschneidet die persönliche Freiheit, das höchste Gut in der Demokratie. Die Historikerin Annelie Ramsbrock erzählt, wie der westdeutsche Staat nach 1945 das Dilemma zu lösen versuchte: Das Gefängnis sollte künftig nicht nur Strafe sein. Es sollte die Straftäter resozialisieren. Wie in einem Labor versuchte man, die Ideale der sich demokratisierenden Bundesrepublik auch im Gefängnis zu vermitteln. Der Strafvollzug sollte liberalisiert werden, mit Arbeit und Ausbildung, Kunstaktionen und Sportveranstaltungen, Gruppentherapien und Wohngemeinschaften. Das Leben in Freiheit so weit wie möglich zu imitieren gelang aber nicht. Und so verläuft die Geschichte des Gefängnisses und des reformierten Strafvollzugs zwar parallel mit der Geschichte der Demokratisierung nach 1945 bis in die 1980er Jahre - und ist dennoch eine andere. Das Gefängnis blieb ein ganz eigener Ort, in dem Menschen auf engstem Raum streng reguliert zusammenleben - eine geschlossene Gesellschaft. Annelie Ramsbrock beschreibt diese Gesellschaft aus der Nahsicht und fragt am Ende, warum eine Resozialisierung im Sozialversuch Gefängnis nicht gelingen kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 08.11.2020

Wenig Helles aber viel Erhellendes hat Rezensent Kevin Hanschke hier gefunden in der "akribischen Rekonstruktion" jener Zeit, da auch der bundesrepublikanische Knast vom gesellschaftlichen Aufbruch der 1968er erfasst wurde. Ist es überhaupt möglich, den Anspruch des Grundgesetzes auf Menschenwürde mit dem Strafvollzug zu vereinbaren? Das sei die Ausgangsfrage dieser Arbeit. Es hat den Kritiker erschreckt zu lesen, wie autoritär und gewalttätig es in der 1950er Jahren in den Gefängnissen noch zuging, und es hat ihn entmutigt zu erfahren, wie wenig daran mit einer gewissen naiven Reform-Pädagogik in jenen Jahren geändert wurde. Dies mit "aller Schärfe" vor Augen gebracht zu haben, ist das Verdienst dieses Buches, findet er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.08.2020

Ein bisschen abgekanzelt wird die Autorin dieser Studie vom Rezensenten Michael Pawlik. Er zeichnet zum einem die dem Buch zugrunde liegende Entwicklung vom Strafgedanken zur Resozialisierung nach. Eine richtige Erfolgsgeschichte war es nicht, meint er. Denn zum einen wurde an die Resozialisierung im Strafvollzug zu viele sich teils widersprechende Anforderungen gestellt. Zum anderen hat sich die "kriminelle Gegenerziehung" der Subkulturen im Gefängnis oft als erfolgreicher erwiesen, meint er. Wenn die Autorin Annelie Ramsbrock behauptet, Resozialisierung sei in Deutschland nie wirklich versucht worden, findet der Rezensent das sehr ungerecht. Da kenne man doch ganz andere Länder und Haftbedingungen...
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 31.07.2020

Rezensentin Anne Kohlick blickt auf das Leben hinter Gittern mit dieser leicht gekürzten Habitilationsschrift der Historikerin Annelie Ramsbrock. Die Geschichte der Gefängnisse in der Bundesrepublik kann ihr die Autorin beginnend mit dem Kriegsende 1945 bis zum Strafvollzug in den Achtzigern anhand von Gefängnisakten, kriminologischer Fachliteratur und Gefangenenbriefen vor Augen führen, wenngleich die Rezensentin an der "akademischen Sprache" und an einigem vorausgesetzten Wissen zu knabbern hat. Mit großem Interesse liest sie dennoch, wie Resozialisierung oft an der Subkultur im Gefängnis scheitert, wie hoch die Suizidrate in der Haft ist, aber auch, dass "freiwillige Kastration" von Sexualstraftätern in Deutschland immer noch erlaubt ist.