Andrej Dmitriew

Die Flussbiegung

Erzählung
Cover: Die Flussbiegung
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783518121788
Taschenbuch, 107 Seiten, 8,64 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Tatiana Frickhinger-Garanin. Die spannende Geschichte von dem "Mann mit der beigen Jacke", der "Frau im schwarzen Mantel", dem Kind und dem Arzt Snetkow handelt von der Macht des Vergangenen und Verlorenen, die sich neuen Lebensentwürfen entgegenstellt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.06.2001

Einen Hauch Zauberberg nimmt die Rezensentin Sabine Doering schon wahr, in Andrej Dmitriews Erzählung um ein Internat für lungenkranke Kinder. Vom Erzählstil und Erzählton her sei auf den ersten Blick zudem wenig davon zu spüren, dass die Geschichte in der Gegenwart spielt. Dennoch gelingt dem Autor, wie Doering findet, die "schwierige Balance zwischen Tradition und Moderne", macht das emblematische Arrangement der Gegensätze von Vernunft und Glauben (Kirche hier, Sanatorium da) den Text zu "postsowjetischer Gegenwartsliteratur". Besonders gefällt der Rezensentin dabei der "respektvolle" Umgang mit den Figuren, das In-der-Schwebe-Bleiben der Widersprüche.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.04.2001

Ulrich M. Schmid zeigt sich in seiner knappen Kritik hingerissen von dieser Erzählung, in der Dmitriew an die besten Traditionen der "russischen Altmeister", von Tschechow bis Platonow anknüpfe. Schmid lobt den russischen Autor für seine Beobachtungsgabe der "feinsten Seelenlagen" seiner Protagonisten und die Abstinenz von jeglichen Kommentaren der Geschichte durch einen Erzähler. Selbst den Versuch, seine Geschichte in einen "metaphysischen Gesamtplan" einzubetten - ein Unternehmen, das der Rezensent für riskant hält - lobt Schmid wegen der hier geübten Zurückhaltung als gelungen. Damit, so der Rezensent begeistert, werde der russischen Literatur das "Recht der metaphysischen Spekulation" zurückgegeben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.02.2001

Olga Martynova fühlt sich bei der Lektüre der Erzählung so richtig wohl, und sie schreibt dem Text die Qualitäten einer "guten alten Wolljacke" zu, so anheimelnd und "gemütlich" findet sie alles. Die Figuren der Geschichte, die hauptsächlich in einem "Sanatorium für lungenkranke Kinder" spielt, erinnert sie ein bisschen an Erzählungen vom Ende des 19. Jahrhunderts, doch weist sie darauf hin, dass die "klar gezeichnete" Handlung in die jüngste Zeit gelegt ist. Die Rezensentin betont, dass allgemein verständliche Literatur nicht "unbedingt schlecht" sein muss und führt als positives Beispiel das Buch des russischen Autors an, der die "ästhetischen Vorgaben" des sozialistischen Realismus übernommen habe, ohne das zugehörige politische Programm zu verfechten.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.09.2000

Der Ton, in dem von dieser besonderen Sammlung von "Sommergästen" oder "überflüssigen Menschen" berichtet wird, so Benedikt Erenz, ist ein fast amerikanisch-existenzialistischer. Aber dann klingt es wieder wehmütig "gemischt mit spöttischer Resignation", also doch irgendwie russisch. Mit der "russischen Seele" hat der Autor, Jahrgang 1956, aber denn doch nur so viel am Hut, dass er sie als "Mondlandschaft in fahlem Licht" zeigt. Die Gestalten der Erzählung - "Novelle" wäre eine treffendere Bezeichnung, findet der Rezensent - sind ratlos, verwirrt und Suchende, ob der Vater, der seinen Sohn aus dem Sanatorium abholen will, der in Scheidung lebende Arzt oder die Gottsucherin. Das "Tableau" ist nicht nur eines der Personen, sondern auch des Ortes und der Zeit, ein Sanatorium im heutigen Russland mit vielen Erinnerungen an den Verfall der Sowjetunion. Mit viel Raffinement gezeichnet ist diese "Geschichte einer großen Verwüstung", meint Benedikt Erenz, und sie lässt einen fürchten, dass nicht nur diese Menschen, sondern "der Mensch selbst längst überflüssig" ist.