Andre Herzberg

Alle Nähe fern

Roman
Cover: Alle Nähe fern
Ullstein Verlag, Berlin 2015
ISBN 9783550080562
Gebunden, 272 Seiten, 21,00 EUR

Klappentext

André Herzberg erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie, drei Generationen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Der Großvater Heinrich Zimmermann hatte es vom einfachen Lederhändler zum mittelständischen Unternehmer gebracht, pflegte ein deutschnationales Weltbild. In buchstäblich letzter Sekunde gehen er und seine Frau ins Exil. Den Sohn Paul haben sie schon vorher nach England in Sicherheit gebracht. Nach dem Krieg geht Paul als überzeugter Kommunist in die DDR, verdrängt dort seine Herkunft, lebt "bescheiden" als ranghoher Funktionär. Sein Sohn Jakob, der Erzähler des Romans, wird nach einer schwierigen Kindheit Sänger, durchlebt nach dem Mauerfall eine existentielle Krise und findet nach langem Suchen zum Judentum und zu sich selbst. Herzberg erzählt von der generationsübergreifenden lebenslangen Sehnsucht nach Bindung und Zugehörigkeit: zu einem Land, zu einer Partei, zu einer Familie. Und von Fremdheit zwischen Vätern und Söhnen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.10.2015

Mit merklicher Begeisterung bespricht Wolfgang Engler, der Rektor der Berliner Schauspielschule Ernst Busch, zwei Bücher mit "schnappschussartigen Rückblenden" in die Zeit der DDR und der Wende, die sich nur notdürftig als Roman kaschieren, nämlich Peter Richters "89/90" und André Herzbergs "Alle Nähe fern". Diese Bücher haben viel Gemeinsames, und viel Trennendes, so Engler. Am besten man liest man sie nacheinander. Beide versuchen in der persönlichen Erinnerung den "Aberwitz des Geschehens" zu spiegeln. Für Richter, der jünger ist, ging's dabei lustiger zu, so der Rezensent. Für ihn war die chaotische Wende "die beste Zeit: Jetzt nur nicht überstürzt erwachsen werden". Ganz anders Herzberg, ein Spross streng kommunistischer Eltern, die ihren jüdischen Ursprung eher verdrängt zu haben scheinen: Für Herzberg ist die ebenfalls in Bruchstücken gereichte Erinnerung dagegen schmerzhaft. Er hatte sich an der DDR mit seiner Punkband Pankow gerieben und hat ihren Verlust dann kaum verkraftet. Der Rezensent ist so bewegt, dass er Herzberg am Ende wünscht , dass dieses Buch - das er wie Richters Pendant wärmstens empfiehlt - therapeutische Dienste geleistet haben möge.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.08.2015

Rezensent Kai Sina würdigt Andre Herzberg, Sänger der Rockband Pankow, schon allein dafür, in seinem Debütroman "Alle Nähe fern" ein wenig frischen Wind in das etwas verstaubte Modell Generationenroman zu bringen. Durchaus wohlwollend liest der Kritiker diese "rockig-schnoddrige" und direkt erzählte Geschichte um eine deutsch-jüdische Familie, in deren Mittelpunkt Erzähler Jakob die Welt seiner Eltern und Großeltern wieder auferstehen lässt. Doch auch wenn sich Sina in den neunzig "snapshot-artigen" Kapiteln an den protokollarischen Stil Walter Kempowskis erinnert fühlt, muss er doch gestehen, dass auch dieser Roman nicht über die nötige Unverbrauchtheit verfügt, um den Generationenroman innovativ wiederzubeleben.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.03.2015

Zwei Romane über Rockmusiker und Stasiverrat in der DDR hat Rezensentin Anja Maier gelesen. Wenn im Roman "Alle Nähe fern" ein DDR-Musiker im Nachwende-Berlin in den Depressionen versauert und zudem noch vom Krebstod der Sängerin seiner ehemaligen Band erfährt, dann schreibt André Herzberg, Musiker der DDR-Rockband Pankow, dabei auch sehr unzweifelhaft über sich, meint Rezensentin Anja Maier. In seiner sich über drei Generationen durch das 20. Jahrhundert ziehenden Familiengeschichte, die Schlaglichter auf die subversiven Kräfte der DDR-Rockmusik wirft, lässt sich viel über biografische Enttäuschungen im Zuge des Systemwandels lernen, erklärt die Kritikerin. Dasselbe gilt auch für die schwierige Situation von Künstlern, die sich nicht ohne weiteres dem Regime fügen, von der Bürokratie aber zum Teil mit Ausreisegenehmigungen gefügt gemacht werden, erfahren wir weiter.