Alexander Sedlmaier

Konsum und Gewalt

Radikaler Protest in der Bundesrepublik
Cover: Konsum und Gewalt
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518427743
Gebunden, 463 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Nachdem in der Nacht auf den 3. April 1968 in zwei Frankfurter Kaufhäusern mehrere Brandsätze zündeten, fanden die Ermittler bei den Tatverdächtigen einen Zettel: "Der Konsumzwang terrorisiert euch. Wir terrorisieren die Ware." Die Anschläge, an denen unter anderem die späteren Mitbegründer der RAF Andreas Baader und Gudrun Ensslin beteiligt waren, griffen eine im Kontext des Kalten Kriegs erstarkende Dimension der Gesellschaftskritik auf. Verstand die klassische marxistische Analyse die Produktion als die eigentliche Sphäre der Unterdrückung, so erschien nun zunehmend der Konsum als Reich der Unfreiheit. Widerstand gegen den "Konsumterror" galt als legitim, einigen sogar dann, wenn er militante Formen annahm. Gestützt auf umfangreiche Archivstudien, zeichnet Alexander Sedlmaier die Entwicklung der Konsumkritik in der Bundesrepublik nach. Er erläutert die insbesondere durch Herbert Marcuse formulierten theoretischen Grundlagen und stellt dar, wie sich der Protest im Zuge der Kampagnen gegen die Springer-Presse und Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr radikalisierte, bevor er in der Hausbesetzerszene zu einer eigenen Lebensform wurde.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.08.2018

Rezensent Urs Hafner hat diese Studie mit merklichem Interesse, ja, Sympathie, gelesen, aber es gelingt ihm nicht, deutlich zu machen, wie sich der Autor zu der Gewaltfrage bei militanten Bewegungen in der deutschen Nachkriegszeit eigentlich selbst verortet. Der Autor sehe die Gewalt gegen Sachen (von Gewalt gegen Personen und dem Übergang von der einen zur anderen ist in der Rezension so gut wie gar nicht die Rede) als ein rationales Kommunikationsmittel, das gegenüber der Gesellschaft den Abscheu der Protestierenden über den "Konsumterror" zum Ausdruck bringen solle. Sedlmaier scheint tatsächlich an diese wie eine Selbstrechtfertigung klingende These zu glauben, auch wenn der Rezensent nebenbei notiert, dass Sedlmaier die Gewalt nicht legitimiere. Hafner kann den Abscheu vor der Konsumgesellschaft offenbar ebenfalls gut nachempfinden und scheint sie als Maskerade einer in ihrem Kern "restaurativen Nachkriegsgesellschaft" zu sehen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.01.2018

Sven Reichardt freut sich über Alexander Sedlmaiers "vorbildlich" genau recherchierte Studie über Guerillapraktiken gegen den Konsum in Deutschland in den 60er bis 80er Jahren. Diebstahl, Plünderungen, Hausbesetzung - das waren noch Zeiten, meint Reichardt. Vor allem Sedlmaiers Gedanken zum ökologischen Bewusstsein als Wegbereiter für die heutige Sensibilität im Umgang mit Tropenhölzern, Kaffee etc. haben dem Rezensenten gefallen. Die ein oder andere Kontextualisierung fehlt ihm im Buch, so erfährt er leider nichts über die "historischen Konjunkturen" von Konsumprotesten oder über niederländische Hausbesetzer und indische Globalisierungsgegner.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.01.2018

Florian Meinel lässt sich vom Historiker Alexander Sedlmaier die Neuausrichtung der Konsumkritik durch die Öko-Bewegung erklären. Was der SUV auf dem Parkplatz des Bio-Supermarkts verloren hat, versteht Meinel danach besser. Gewaltmotive, das Selbstverständnis der westdeutschen Konsumgesellschaft nach dem Krieg und die Rolle des Kaufhauses als Ikone des urbanen Konsums spielen laut Meinel in Sedlmaiers Diskursgeschichte des Radikalismus eine Rolle. Ideengeschichtlich kann der Autor den Rezensenten aber nicht überzeugen, schon weil er sich auf nur einen Schlüsselautor einlässt: Herbert Marcuse. Herrschaftssoziologische Aspekte bleiben so ausgeblendet, meint Meinel.
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