Giovanni Rossi

Cecilia, Anarchie und Freie Liebe

Cover: Cecilia, Anarchie und Freie Liebe
Verlag Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2018
ISBN 9783946990185
Gebunden, 240 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem italienischen von Alfred Sanftleben. Der italienische Veterinär, Agronom und Anarchist Giovanni Rossi gründet 1890, in den Tiefen des südbrasilianischen Hinterlandes, die Siedlung Cecilia. Mangel und Entbehrung, Selbstorganisation und freie Liebe, Gelingen und Scheitern: Giovanni Rossi ist erfüllt von seiner Idee - aber in seinem Bericht beschönigt er nichts: Mit kühler Leidenschaft berichtet er vom Zusammenleben "absolut ohne sociale Organisation". Rossis Texte beschreiben den weiten Weg von Italien nach Brasilien, den Alltag und die Entwicklung der anarchischen Kolonie Cecilia, ihre Probleme und Erfolge, ihre Lebensart und ihr Ende 1894. Besondere Bedeutung für Rossi hat die freie Liebe: Es gilt, die Frau aus den patriarchalen Hierarchien zu befreien. Die Freiheit der Anarchie betrifft nicht nur Politik und Ökonomie, Rossi denkt sie konsequent ins Emotionale weiter. Beschlossen wird der Band von Rossi Utopie für ein Brasilien im 20. Jahrhundert: eine glänzende elektrische Welt, voll spontaner und freier Produktivität. Zentrum Brasiliens wird die neugegründete Metropole Elektropolis, der globale Partner das anarchische Belgien.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.04.2018

Rezensent Moritz Müller-Schwefe ist froh, dass die wiederentdeckten Berichte des italienischen Veterinärs und Sozialisten Giovanni Rossi nun vom Verlag Das kulturelle Gedächtnis veröffentlicht wurden. Denn im Zeitalter von #metoo erscheinen sie ihm durchaus bemerkenswert. Rossi gründete 1890 in Südbrasilien die sozialistische Kolonie "Cecilia", in der er und seine Mitstreiter neue Formen des Zusammenlebens - vor allem die "freie Liebe" - erproben wollte. Teils schwelgend-poetisch, teils in flammenden Wutreden, teils sogar in Form von Dramen erzähle er, welche positiven Auswirkungen die freie Liebe in Cecilia hatte, so der Rezensent. Gegen das Patriarchat ging es und für die Gleichstellung der Frau. Ganz haben sich die Träume offenbar nicht erfüllt, gibt Müller-Schwefe zu, Fragen des Status und der Klassenzugehörigkeit blieben aktuell. Und ob sich die Frauen im Ergebnis von der "freie Liebe" so befreit fühlten, dazu sagt der Rezensent auch nichts. Aber den utopischen Charakter des Projekts und seine Umsetzung fand er bei der Lektüre doch recht anregend.