Edwin Black

IBM und der Holocaust

Die Verstrickung des Weltkonzerns in die Verbrechen der Nazis
Cover: IBM und der Holocaust
Propyläen Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783549071304
Gebunden, 704 Seiten, 30,63 EUR

Klappentext

Der europaweite Vernichtungsfeldzug der Nationalsozialisten gegen die Juden bedurfte einer reibunsglosen Logistik. Kernstück dieses mörderischen Räderwerks waren vom amerikanische Weltkonzern IBM und seiner deutschen Tochter Dehomag zur Verfügung gestellte Lochkartensysteme und Hollerith-Maschinen, Vorläufer des modernen Computers. Nach intensiven Recherchen schildert Edwin Black erstmals minutiös, wie tief IBM in die Verbrechen des NS-Regimes verstrickt war, um ihre Monopolstellung zu sichern und Millionengeschäfte zu machen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.04.2001

Diese Darstellung verdient es, ernst genommen zu werden, schreibt der Rezensent und nimmt das Buch vor dem Argument in Schutz, es tauge zu einer Entlastungsschrift für die deutsche Industrie und ihre Geschäfte mit den Nazis. Tatsächlich, so Norbert Frei, handelt es sich um eine Aufforderung, die Archive zu öffnen. Neben dieser Funktion sieht Frei den Verdienst der "detaillierten, wenngleich nicht immer stringenten" Studie vor allem darin, dass es ihr gelingt zu zeigen, dass es sich beim Holocaust - auch - um "eine ebenso vielfältige wie gewaltige Organisationsaufgabe" handelte, bei deren Lösung IBM behilflich war. Zwar könne der Autor nicht sagen, was man in der Konzernzentrale von alledem wusste, "aber er weist zurecht auf die Mauer des Nichtwissenwollens hin". Ein Buch, befindet Frei, das mit seinen ernüchternden Einsichten in die Hemmungslosigkeit der Geschäftemacherei in die Reihe der jüngeren Forschung über die Rolle der Wirtschaft im Nationalsozialismus gehört.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.04.2001

Auch wenn das Buch nach Thomas Maissen einige Stärken aufweist, so kann er sich im Großen und Ganzen nicht damit anfreunden. So stört er sich sehr daran, dass der ehemalige IBM-Präsident Watson hier zum "eigentlichen Bösewicht" gemacht werde, der aus Geldgier jegliche Skrupel wegwischt, ohne dass Thesen dieser Art in irgendeiner Form belegt würden. Das ganze Thema der Verstrickungen des IBM-Konzerns mit dem Nationalsozialismus wird nach Maissen hier zu einer "personalen und moralischen Gegenüberstellung von 'bad guys' und 'good guys' vereinfacht. Außenhandelspolitik oder auch die Strategien anderer Unternehmen kommen seiner Ansicht nach dabei viel zu kurz. Auch wenn der Rezensent einräumt, dass Watsons Verhalten in mancher Hinsicht problematisch war, so stört ihn die Voreingenommenheit Blacks sehr. Gut gefällt Maissen jedoch, dass das Buch darauf aufmerksam macht, dass die USA den Deutschen möglicherweise früher als geschehen entscheidende Technologien hätten verweigern können, und dass Black auch auf die Verwendung derselben IBM-Technologie bei der Internierung der Japaner in Amerika eingeht. Am besten gefällt Maissen der Abschnitt des Buchs, in dem aufgezeigt wird, dass in Frankreich - im Vergleich zu den Niederlanden - vergleichsweise weniger Juden ermordet wurden, was nach seinen Angaben auch an der Sabotage des zur Volkszählung eingesetzten Lochkartensystems lag.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.04.2001

Jürgen Jeske kann sich mit diesem Buch nicht anfreunden, auch wenn er einräumt, dass der Autor hier auch bisher unbekanntes Material zusammen getragen hat. Blacks Hauptthese, dass IBM u. a. mit der Lochkartentechnik entscheidend zum Holocaust beigetragen hat, kann sich der Rezensent in keiner Weise anschließen. Er argumentiert dabei mit dem Holocaust-Historiker Raus Hilberg, der die Ansicht vertrat, dass zur Organisation von Massenvernichtung auch "Papier und Bleistift" ausgereicht hätten. Die Tatsache, dass die IBM-Technik auch von den Nationalsozialisten genutzt worden ist, reicht nach Jeskes Ansicht keineswegs aus, um die Vorwürfe Blacks zu rechtfertigen. Davon abgesehen diagnostiziert der Rezensent bei diesem Buch eine Reihe von unzutreffenden "Zusammenhängen und Kausalitäten" sowie Ausblendungen von Aspekten, die Blacks Argumentation stören würden, wofür er mehrere Beispiele anführt. Jeskes Hauptvorwurf an die Adresse Blacks läuft darauf hinaus, dass die Gefahr besteht, durch eine solche Darstellung die Hauptschuldigen am Holocaust aus den Augen zu verlieren und ein Unternehmen, das - ohne Zweifel - Geschäfte mit den Nationalsozialisten gemacht hat, eine unangemessen hohe Mitschuld an der Massenvernichtung zuschreibt.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.03.2001

Spannend findet Rezensent Volkhard Knigge die Studie des amerikanischen Journalisten Edwin Black darüber, wie die Hollerithmaschinen der IBM-Tochterfirma Dehomag die logistische Abwicklung des Holocausts begünstigten und wie sich die amerikanische Firma IBM in dieser Situation strategisch günstig positionierte: "Die effiziente Verwaltung und Verschiebung der Millionen Menschen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern wäre ohne die Hollerith-Maschinen nicht möglich gewesen". Bei der Studie geht es Black nach Meinung des Rezensenten ebenso um eine Einschätzung der Einstellung des damaligen Firmenschefs Watson wie um die konkreten Geschäftsverstrickungen und die Versuche von IBM, diese zu verschleiern. Besonders interessant findet Knigge die Aspekte der Studie, die sich mit der strukturellen Überschneidung der IBM-Interessen und Nazi-Zielen befassen. Ihm großen und ganzen ist er mit Blacks Beweißführung einverstanden und findet die Studie "seriös" auch wenn der Autor der einzige sei, der im Moment die Quellenlage wirklich überblicke. Manchmal allerdings würden veraltete Quellen benutzt, bemerkt Knigge, der sich darüber hinaus auch an dem "pathetischen Stil und dem Hang zur Mystifizierung der Hollerith-Maschine" gestört hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.03.2001

Spannend, aber höchst fragwürdig findet Peter Steinkamp die IBM-Studie des amerikanischen Journalisten Black, der sein Buch "nach dem Prinzip der Internet-Suchmaschinen" erarbeitet und arrangiert hat. Wissenschaftlich nicht überzeugend, urteilt Steinkamp. Black könne flott schreiben und seine Geschichte(n) aus dem Dritten Reich eindrucksvoll vermitteln, meint Steinkamp, konstatiert aber zugleich einen Hang zum Plakativen, das komplexen Zusammenhängen keine Chance lasse. Als geradezu "groteske" Zuspitzung sieht er Blacks Behauptung, die fortgeschrittene Lochkartentechnik des amerikanischen Konzerns und seiner deutschen Tochterfirma habe den Nationalsozialisten "für alles eine Lösung" geboten, zitiert Steinkamp Black erbost. Die Tatsache, dass IBM bzw. die Dehomag mit dem Dritten Reich gemeinsame Sache gemacht hätten, sei im übrigen längst bekannt, schreibt Steinkamp und verweist auf das neuaufgelegte Buch von Götz Aly und Karl Heinz Roth "Die restlose Erfassung" (Fischer Verlag); außerdem sei IBM keineswegs die einzige kollaborierende amerikanische Firma gewesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.03.2001

Matthias Arning kann mit dem Buch über die Geschäfte des Lochkartenherstellers IBM mit dem Naziregime und somit dessen Mitverantwortung für den Holocaust nichts anfangen. Er kritisiert besonders, dass Black seine Argumentation auf den ominösen Begriff der "Verstrickung" hinauslaufen lässt und sich nicht um eine genaue Analyse der Zusammenhänge bemüht. "Eigentümlich subjektlos" sei die Untersuchung der "Maschinerie und des Terrors" und der Autor interessiere sich weder für eine detaillierte Untersuchung der Bürokratie der Nationalsozialisten, noch für die "Helfeshelfer Hitlers", die in vollkommener Anonymität verblieben. Das Buch beschränke sich auf die Verbindung zwischen einem vom Judenmord beherrschten Hitler und dem von Gewinnsucht angetriebenen IBM-Chef Watson. Eine etwas schlichte These, ärgert sich der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.02.2001

Dass sich die Organisation des Holocausts auch der technischen Unterstützung der ersten Computer bediente, ist keine neue Erkenntnis, meint Nicole Maschler. Dennoch ist sie leicht verwundert über die geringe Resonanz auf Blacks Buch, der die zugespitzte These formuliere, das "der Holocaust, den, wir kennen [...] der Holocaust der IBM-Technlogie" sei. Schwächen des Buches seien eine umfangreiche, aber verwirrende Faktenlage, von der Black ausgeht. Außerdem wird Raul Hilberg mit seinem Einwand zitiert, dass "Effizienz keine Frage technischer Mittel" ist. Die Zurückhaltung der Öffentlichkeit sieht Maschler unter anderem in der noch nicht abgeschlossenen Entschädigung der Zwangsarbeiter begründet. Aktuell bestehe kein Interesse an einem erneuten "Entlastungsdiskurs", wie ihn das Buch von Black ihrer Ansicht nach auslösen könnte.