Im Kino

Hübsch bunt blinkt der Abspann

Die Filmkolumne. Von Fabian Tietke
19.04.2023. In Brandon Cronenbergs "Infinity Pool" dürfen die Besucher eines Urlaubsresorts jede Straftat  begehen - bezahlen muss ihr Klon. Leider springt Cronenberg hier zu kurz: Statt in dystopischen Abgründen landet sein Film im lauwarmen Genre-Pool von soziologisch inszeniertem Gewaltexzess und braven Sexszenen.
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Urlaubsresorts verheißen die Möglichkeit, an andere Orte zu reisen, ohne mit diesen in Berührung zu kommen. In Brandon Cronenbergs "Infinity Pool" schwadroniert ein Mitarbeiter des tropischen Resorts, das Schriftsteller James Foster (Alexander Skarsgård) sich und seiner Frau Em (Cleopatra Coleman) auf der Suche nach Inspiration eingebrockt hat, vor dem Frühstücksbuffet von lokalen Traditionen kurz vor Beginn der Regenzeit. Die lokal-authentischen Masken, die die Band hinter ihm trägt, sind im Souvenirladen des Resorts verkäuflich.


Nachdem Em, die die Miesepetrigkeit ihres Ehemanns am Frühstückstisch nicht länger erträgt, an den Strand geflüchtet ist, folgt er ihr etwas später… und trifft auf die junge Gabi Bauer (Mia Goth), die ihm groupiehaft lasziv von seinem letzten Buch vorschwärmt, sowie auf deren Ehemann Alban, einen Architekten, der sich zur Ruhe gesetzt hat. Die Bauers laden die Fosters zum gemeinsamen Abendessen ein und am nächsten Morgen zu einem eigentlich verbotenen Ausflug ins Umland. Der Ausflug endet mit einem Autounfall, bei dem James einen lokalen Farmer totfährt. Die beiden Paare fliehen zurück in die Sicherheit des Resorts. Tags darauf werden die Fosters von der Polizei festgenommen.

In der Haft erfährt James, dass die Familie des Toten ihn zur Wiedergutmachung umbringen darf. Um den Tourismus nicht zu gefährden, hat das Land jedoch ein Sondergesetz eingeführt: Wenn ausländische Touristen genug Geld zahlen, gibt es die Möglichkeit, sich klonen und anschließen den Klon töten zu lassen. Zu James' Glück verfügt seine Frau über das nötige Geld. Die beiden wohnen mit unterschiedlichen Gefühlen der Hinrichtung bei. Während Em nach den Erlebnissen umgehend abreisen will, versteckt James seinen Reisepass, um den Aufenthalt zu verlängern.

Gabi Bauer führt ihn in eine Gruppe von Touristen ein, die alle bereits für Straftaten verurteilt wurden und die Gesetzgebung des Urlaubslandes angesichts ihres Reichtums als Freifahrtschein nutzen. Angezogen von der jungen Frau und fasziniert von den Möglichkeiten der Straflosigkeit, schließt sich James der Gruppe an.



Cronenbergs Film nutzt die getrennten Welten der Urlaubslandschaften und der in sie hineingebauten Ferienresorts als Ausgangspunkt für eine Dystopie enthemmter Touristen. Die sexuelle Attraktion Gabi Bauers zieht den in seiner Schreibblockade ziellos gewordenen Foster trotz allen Zögerns in die Gruppe hinein. Für einige Zeit erscheinen ihm gemeinsamer Exzess und die Annäherung seines Rollenverhaltens an das pseudo-atavistische Gerede von echten Männern als Freiheit. Doch mit der Zeit wird unübersehbar, dass James' Sinnsuche schräg liegt zum Exzess der Gruppe, der sich aus gelangweilter Machtgeilheit speist.

In der Bildgestaltung erschient "Infinity Pool" etwas bemüht. Wohl um nicht immer nur in den Urlaubslandschaften zu schwelgen, lassen Cronenberg und Kameramann Karim Hussain zu Beginn die Kamera ohne weiteren Grund kreiseln und aktualisieren später, im Zuge von James' Initiierung in die Gruppe reicher Krimineller, die Lavalampensexszenen vergangener Jahrzehnten. Dafür darf Skarsgård orgiastisch Maraschino-Kirschen essen und gegen tropisch verbrämte kroatische Strandszenerie ist auch wenig einzuwenden.

"Infinity Pool" springt von der verheißungsvollen Prämisse der Abgründe in einen lauwarmen Genre-Pool von eher soziologisch inszeniertem Gewaltexzess und braven Sexszenen. Dass der Film nicht begeistert, hat vor allem mit einem schlammig-zähen Drehbuch zu tun, das dramaturgisch wenig gestaltet, und auch sonst nicht recht weiß, wohin es mit sich will. Nach zwei Stunden Ausbruchsimitation in den kapitalistisch-patriarchal überformten Exzess steigen die meisten der Protagonisten in den Flieger nach Hause und danach blinkt hübsch bunt der Abspann.

Fabian Tietke

Infinity Pool - Kanada 2023 - Regie: Brandon Cronenberg - Darsteller:  Alexander Skarsgård, Mia Goth, Cleopatra Coleman, Dunja Sepcic, Adam Boncz - Laufzeit: 117 Minuten.