Didier Fassin

Das Leben

Eine kritische Gebrauchsanweisung
Cover: Das Leben
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783518587102
Gebunden, 191 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2016. Aus dem Französischen von Christine Pries. Das Leben gilt, in Adornos Worten, seit der Antike als der eigentliche Bereich der Philosophie, die nach dem richtigen und guten Leben fragt. Seit etwas mehr als einem Jahrhundert ist das Leben aber auch zu einem Gegenstand der Sozialwissenschaften geworden. Der französische Mediziner, Anthropologe und Soziologe Didier Fassin regt in seinem Buch nun zu einem kritischen Dialog zwischen Philosophie und Sozialforschung an. Zur Debatte stehen dabei drei Konzepte: Die "Formen des Lebens" untersucht Fassin angesichts der widersprüchlichen Interpretationen von Ludwig Wittgensteins Begriff der Lebensform. Mit der "Ethik des Lebens" beschäftigt er sich unter Bezug auf Walter Benjamins Idee der Heiligkeit des Lebens als höchstem Gut. Und die "Politik des Lebens" erkundet Didier Fassin im Anschluss an Michel Foucaults Konzept der Biopolitik. Gestützt auf zahlreiche ethnografische Fallstudien, die zeigen, wie Leben in verschiedenen kulturellen und historischen Kontexten betrachtet und erfahren wird, entwickelt Fassin eine kritische Ethnologie gegenwärtiger Gesellschaften.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2017

Rezensent Patrick Bahners liest Didier Fassins "kritische Gebrauchsanweisung" für das Leben, dem drei im vergangenen Jahr an der Universität Frankfurt gehaltene Adorno-Vorlesungen zugrunde liegen, mit Gewinn. Der in Princeton lehrende Anthropologe und Soziologe betrachtet hier unter Rückgriff auf Klassiker der Sozialtheorie und Frankfurter Philosophen, aber auch anhand von zahlreichen konkreten Fallstudien seiner jahrelangen Feldforschung die Ambivalenz des Lebensbegriffs, erklärt der Kritiker. So liest Bahners hier etwa nach, dass erst das Ereignis von Ferguson in der amerikanischen Mehrheitsgesellschaft ein Bewusstsein dafür schuf, wie alltäglich das Risiko für Schwarze in den USA ist, Opfer von Polizeigewalt zu werden, ihr Leben demnach in anderer Weise gefährdet ist, als jenes ihrer weißen Altersgenossen. Dass der Autor das "Bedingungsgeflecht" der "unmenschlichen Totalität" nicht dementiert, sondern genau analysiert, rechnet ihm Bahners hoch an.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.10.2017

Dider Fassin teilt zwar mit Edouard Louis und Didier Eribon das bildungsferne Herkunftsmilieu, nicht aber den Untersuchungsgegenstand, informiert Rezensentin Elisabeth von Thadden, die den in Princeton lehrenden Arzt und Soziologe für die Zeit besucht hat. Fassin interessiert sich weniger für den Rechtspopulismus der Abgehängten als vielmehr für die Spannung zwischen biologischem Leben und Biografie, fährt die Kritikerin fort. Mit großem Interesse liest sie dieses auf Fassins Frankfurter Adorno-Vorlesungen beruhende Buch, in dem der Autor die Ungleichheiten des Lebens unter rechtlichen und ökonomischen Bedingungen analysiert und dabei in Tradition der Frankfurter Schule "fesselnde" Feld- und Fallstudien anführt: Die Rezensentin begegnet hier etwa syrischen Jugendlichen, die vom Leben vor dem Krieg erzählen oder einer Haitianerin, deren Vater beim Militärputsch ermordet wurde, die von mehreren Männern vergewaltigt wurde und erst nach dem Nachweis ihrer Aids-Erkrankung Asyl in Frankreich erhielt. Dass Fassin mit Präzision, Kritik und Sachkenntnis nur von solchen Dingen spricht, von denen er etwas versteht, rechnet ihm die Kritikerin hoch an.